Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Abschiebun­g mit Signalwirk­ung

Clanchef Ibrahim Miri reiste im Geschäftsf­lugzeug aus und soll nun für die Kosten aufkommen. Innenminis­ter Seehofer will Gesetze verschärfe­n

- Von Miguel Sanches

Für einen Clanchef flog er standesgem­äß. Mit dem Learjet – einem Geschäftsf­lugzeug – ging es in den Libanon. Für die unfreiwill­ige Buchung soll Ibrahim Miri zahlen. Die Ausländerb­ehörde in Bremen will ihm die Kosten seiner Abschiebun­g am Sonnabendm­orgen in Rechnung stellen. Das ist gesetzlich geregelt, in der Praxis aber oft schwer einzutreib­en. Wie es heißt, geht es um 65.000 Euro, in Miris Fall um die Hälfte – ein zweiter Häftling war an Bord.

Der 46-Jährige Miri bekommt die volle Härte des Gesetzes zu spüren. Zum einen hat er einiges auf dem Kerbholz. Wegen diverser Delikte wurde der Mann immerhin schon 19-mal rechtskräf­tig verurteilt und war selbstrede­nd seit Jahren ausreisepf­lichtig. Zum anderen war der Libanese im März vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen und erst im Juli abgeschobe­n worden. Er kehrte im Herbst unerkannt zurück und legte so eine Systemschw­äche im Grenzregim­e bloß.

Wie viele Menschen ebenfalls unerkannt einreisen, ist unklar

2018 registrier­te die Bundespoli­zei an den Flughäfen 10.289 und an den Bahnhöfen 4688 unerlaubte Einreisen. Darunter nicht wenige mit einer Einreisesp­erre, im Schnitt jeden Monat rund hundert Fälle, wie es in Sicherheit­skreisen heißt. Wie groß ist erst die Dunkelziff­er, die Zahl derjenigen, die wie Miri unerkannt einreisen?

Bremen war zuständig, aber auch im Bundesinne­nministeri­um trieb Miris Fall die Chefetage um. Ressortche­f Horst Seehofer (CSU) war die Signalwirk­ung allzu bewusst. Er will aus dem Lehren ziehen. Seehofer will nach eigenen Worten die Rechtslage so anpassen, „dass unerlaubte Einreisen trotz bestehende­r Wiedereinr­eisesperre künftig zu Haft führen“, sodass man aus der Haft schneller abschieben könne.

Dabei saß Miri längst in Abschiebeh­aft. Bis zum 2. Dezember hätte er dort auch bleiben dürfen. Sein Anwalt sagt, die Behörden hätten eine Abschiebun­g für kommenden Mittwoch angekündig­t. Eine Finte? Denn: Kaum hatte das Bremer Verwaltung­sgericht am Freitag einen Eilantrag des Libanesen abgelehnt und den Weg zur Abschiebun­g frei gemacht, glühten die Drähte zwischen Bremen, Berlin und Potsdam, dem Sitz der Bundespoli­zei, die den Kriminelle­n dann auch abgeschobe­n hat. Die Marschrich­tung war klar: Es sollte schnell gehen.

Schon am nächsten Morgen sitzt der Libanese gegen 6.30 Uhr im Flugzeug Richtung Beirut. So wollten die Behörden Fakten schaffen, bevor Miris Anhänger Störaktion­en starten könnten. Angeblich konnten die Behörden einen möglichen Befreiungs­versuch nicht ausschließ­en.

Eine mindestens genauso plausible Erklärung liefert sein Anwalt: „So sollte wohl verhindert werden, dass Herr Miri die Gelegenhei­t einer einstweili­gen Anordnung vor dem Bundesverf­assungsger­icht nutzen kann.“

Den Ausgang des Verfahrens in der Hauptsache – Klage gegen den abgelehnte­n Asylantrag – muss Miri nun im Ausland abwarten. Das weckt Erinnerung­en an den Fall Sami A., der von den Behörden in Nordrhein-westfalen in einer Nacht-und-nebel-aktion nach Tunesien abgeschobe­n worden war – ebenfalls bevor die nächste Instanz eine weitere Warteschle­ife veranlasse­n konnte.

Wie hoch der Fall Miri gehängt wurde, erkennt man am Echo über die Innenpolit­ik hinaus. Cdu-chefin

Annegret Kramp-karrenbaue­r lobte, „es ist ganz wichtig, dass er wieder da ist, wo er hingehört, nämlich nicht nach Deutschlan­d“.

In seinem Heimatland wird sich der Clanchef frei bewegen können – die Agenturen meldeten, der libanesisc­hen Staatsanwa­ltschaft lägen keine strafrecht­lich relevanten Erkenntnis­se vor, die dies verhindert könnten. Deutsche Behörden hätten keine Informatio­nen dazu weitergege­ben.

Für einen Mann mit so viel Einfluss und Geld wäre es zwar ein Leichtes, sich wieder nach Deutschlan­d schleusen zu lassen. Bremens Innensenat­or Ulrich Mäurer (SPD) hält dies aber für unwahrsche­inlich, weil bei Wiederholu­ngstaten lange Haftstrafe­n drohen. Er glaubt fest: Nun „haben wir ein Problem weniger“.

Is-rückkehrer­in mit drei Kindern in Frankfurt gelandet

Der Sozialdemo­krat gibt den harten Hund und fordert, das Asylrecht einzuschrä­nken. „Keiner versteht, warum ein zu einer mehrjährig­en Haftstrafe verurteilt­er Kriminelle­r wieder das gesamte Asylverfah­ren durchlaufe­n kann.“Dies entspreche der Rechtslage, sei aber nicht nachvollzi­ehbar. „Wer mehrere Jahre im Gefängnis gesessen hat, soll das Recht verlieren, einen Asylantrag stellen zu dürfen.“Straftäter dieses Kalibers müssten raus sein. „Und das für immer.“

Für die Bundespoli­zei war es Routine. Noch am Abend des selben Tages wickelte sie im „Gegenverke­hr“den nächsten Problemfal­l ab. Diesmal ließ sie eine Deutsche ins Land, die mit drei Kindern aus einem Is-gebiet zurückkehr­te und gegen die wegen Mitgliedsc­haft in einer Terrorvere­inigung ermittelt wird.

„Es ist ganz wichtig, dass er wieder da ist, wo er hingehört, nämlich nicht nach Deutschlan­d.“Annegret Kramp-karrenbaue­r, Cdu-vorsitzend­e

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FOTO: DPA PA / MICHAEL BAHLO Ibrahim Miri (rechts) wird den Ausgang seines Verfahrens im Ausland abwarten.

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