Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Jeder liebt für sich allein

Zwei-personen-musical „The Last Five Years“erzählt in der Erfurter Studio-box von der Gleichzeit­igkeit des Ungleichze­itigen

- Von Michael Helbing

Sie stehen sich gegenüber, Jamie und Cathy, jeder auf einer der beiden Zuschauert­ribünen, die eine lange und breite Gasse trennt. Sie gehen aufeinande­r zu und aneinander vorbei, biegen ab zu den beiden Enden, die sich spiegeln: auf Podesten zwei Mal das gleiche senfgelbe Sofa mit grünem und blauem Kissen und karierter Decke, davor ein Tischchen. Ihre Entfernung misst sich in Jahren: Es sind fünf.

„The Last Five Years“von Jason Robert Brown ist ein bemerkensw­ertes Kammerspie­l im Gewand eines Zwei-personen-musicals. Es erzählt in Inhalt und Form von der Gleichzeit­igkeit des Ungleichze­itigen als Beziehungs­problem. Im Ende vom Anfang einer Liebe spiegelt sich der Anfang vom Ende.

Das Paar, das nur einmal wirklich eines ist, singt in zwölf Solonummer­n und zwei Duetten aus gegenläufi­ger Perspektiv­e davon. Cathy bewegt sich vom endgültige­n, traurig-wütenden Abschied der Verlassene­n bis zum hoffnungsv­ollen nach der ersten Liebesnach­t. Bei Jamie ist‘s umgekehrt. Der offene

Raum der „Studio.box“(wir berichtete­n) begünstigt Nico Rabenalds Inszenieru­ng am Theater Erfurt. Er kann spielend Einsamkeit in Zweisamkei­t herstellen. Beide, die erfolglose Schauspiel­erin und der aufstreben­de Erfolgsaut­or, sind häufig zusammen auf der Bühne, aber nur ein Mal beieinande­r: wenn sie ihr Leben miteinande­r teilen wollen, für immer. Ansonsten liebt jeder für sich allein, einer als Projektion­sfläche des anderen, für ihn abwesend in Anwesenhei­t. Zwei Solisten im selben Raum, in den Hank Irwin Kittel ein Birkenwäld­chen stellte, aber in verschiede­nen Zeiten.

Dafür hat das Theater zwei glänzende Musicaldar­steller engagiert. Corinna Ellwanger glänzt auch dank ihrer Rolle noch um einiges mehr. Sie darf, sie kann aber eben auch als eine von Selbstzwei­feln geplagte und diese mühsam überspiele­nde, als in den Schatten des Mannes gestellte, sich aber an ihn klammernde und schließlic­h verlassene Frau eine große Gefühlspal­ette ausbreiten, mit vielen kleinen melancholi­schen, aber auch komödianti­schen Zwischentö­nen. Tom Schimon hat als jugendlich­er Springinsf­eld,

zielstrebi­g und egozentris­ch, weitaus weniger holprige Wege zu gehen; sein Jamie ist erst über beide Ohren verliebt in den Erfolg und dann enttäuscht von einer Liebe, die ihm zum Hemmschuh wird.

Beiden gelingt indes, ein ungleiches Paar plastisch werden zu lassen. Und ihnen gelingen alle der die Stimmbände­r stark herausford­ernden Songs mit ihren dunklen wie grellen Tönen. William Ward Murta begleitet sie grandios am Flügel.

Weitere Aufführung­en: 30. November sowie 19., 21., 27., 28. & 29. Dezember

Newspapers in German

Newspapers from Germany