Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
Immer mehr Drogen in Thüringen
Rauschgift nahezu problemlos erhältlich. Gegen Großdealer geht Polizei mit moderner Technik vor
Egal ob Gras, Koks, Ecstasy oder Crystal – Rauschgift ist in Thüringen fast immer und überall erhältlich. Nicht nur in größeren Städten entlang der Autobahn, auch in der Fläche, den ländlichen Regionen. Ein Blick auf die Kriminalstatistik der vergangenen Jahre belegt, wie intensiv der Drogenrausch das Land inzwischen im Griff hat. Die Polizei nimmt sich des Problems an. Denn nur wenn die Ermittler wirklich aktiv werden, fallen Rauschgiftstraftaten auf. Es handelt sich um sogenannte Kontrolldelikte, weil weder Dealer noch Konsumenten ein Interesse haben, dass ihr Tun bekannt wird. Sie zeigen sich nicht gegenseitig an.
Die Zahl der erfassten Drogenstraftaten lag im vergangenen Jahr in Thüringen bei mehr als 13.000, ein neuer Rekord. Das trifft auch auf die knapp zwölf Kilogramm Methamphetamin zu, die sichergestellt werden konnten und die knapp 97 Kilo Marihuana. Diese Menge wird nur im Jahr 2017 mit rund 157 Kilogramm deutlich übertroffen. Damals, im Juni, sind den Fahndern von LKA und Zoll mit einem Schlag 48 Kilogramm Marihuana bei einer gezielten Kontrolle in die Hände gefallen.
Erfurt liegt 2017 in einer deutschlandweiten Bka-statistik der Städte mit mehr als 100.000 Einwohnern auf Platz zwölf, was – gemessen an der Bevölkerungszahl – die Häufigkeit von Drogendelikten betrifft. In Ostdeutschland nimmt die Thüringer Landeshauptstadt die Spitzenposition ein. Im Jahr 2015 benutzten laut Bundeskriminalamt rund 93 Prozent der Erstkonsumenten in Thüringen Methamphetamin und Crystal zum Einstieg.
Das Thüringer Drogenproblem spiegelt sich aber auch in den Terminlisten der Landgerichte wieder. Allein in Erfurt und Gera werden aktuell neun Verfahren verhandelt. In mindestens zwei Fällen ist aus Sicht der Staatsanwaltschaften die Schwere von Verbrechenstatbeständen erreicht, was bei einer Verurteilung Freiheitsstrafen nicht unter einem Jahr bedeuten würde. Auch Waffen spielen in zwei Prozessen bei den Anklagen eine Rolle. Das Landgericht in Meiningen verhandelt zwei weitere Klagen.
In all diesen Prozessen müssen sich Angeklagte wegen Drogenhandels mit nicht geringen Mengen verantworten. Kleinerer Rauschgiftstraftaten beschäftigen zahlreich die Thüringer Amtsgerichte.
Crystal und Methamphetamin sind harte Einstiegsdrogen
So stellte die Polizei Anfang August beim beliebten Techno-festival „Sonnemondsterne“an der Bleilochtalsperre im Saale-orla-kreis an einem einzigen Wochenende durch intensive Kontrollen 285
Drogenstraftaten fest. 110 davon hatten die Beamten aufgenommen, noch bevor die Veranstaltung mit rund 40.000 Besuchern überhaupt begonnen hatte.
In Erfurt sind Stadtverwaltung, Anwohner und Touristen genervt, weil das Areal der Zitadelle auf dem Petersberg auch für Drogensüchtige ein beliebter Ort ist. Die Verwaltung bekommt die Verschmutzung bestimmter Gebiete kaum in den Griff. Für die Zeit der Bundesgartenschau
im Jahr 2021 wird deshalb nach Informationen dieser Zeitung eine engmaschige Videoüberwachung diskutiert.
Hauptgrund des illegalen Drogenhandels im Freistaat ist sicherlich die Gewinnmarge. Auch das zeigen die Gerichtsverfahren. Da wechselt das Gramm Methamphetamin, wegen seines kristallinen Aussehens häufig auch „Crystal“genannt, unter Zwischenhändlern mit einer Preisspanne zwischen 45 und 60 Euro den Besitzer. Der Süchtige muss dann fürs Gramm und je nach Qualität bis zu 80 Euro hinlegen.
In Tschechien ist der Stoff bei entsprechend großen Abnahmemengen schon ab 15 bis 25 Euro je Gramm zu bekommen. Wird im Kilobereich eingekauft, sind so horrende Gewinne möglich. Entsprechend hart ist der Markt umkämpft.
Und das Geschäft könnte künftig noch härter werden. Denn Ermittler stellten im Frühjahr in Thüringen erstmals Methamphetamin in einer größeren Menge sicher, das nicht aus tschechischen Giftküchen stammt, sondern mit hoher Wahrscheinlichkeit aus Belgien.
Das bedeutet: weitere Produzenten, Lieferer und Dealer drängen gerade auf den Rauschgiftmarkt. Im Frühjahr glaubte ein inzwischen angeklagter Thüringer, ein Kilo Crystal preisgünstig für 20.000 Euro erworben zu haben. Erst als sich eine seiner Kundinnen wenige Stunden später über die Wirkungslosigkeit des Stoffs beschwerten, merkte er, betrogen worden zu sein. Zur Rückabwicklung des Deals kam es nicht mehr, für ihn klickten die Handschellen.
Das Beispiel seiner Festnahme zeigt zudem, dass sofort alternative Vertriebswege entstehen, die von den Nachfolgern teils mit Nachdruck durchgesetzt werden. Seine Lieferkette für das Marihuana reichte bis auf den Balkan. Die Frau, die Mitte März dieses Jahres in einen präparierten Pkw etwa 25 Kilogramm Gras bis nach Thüringen transportiert haben soll, wurde Wochen später auf dem Balkan von den dortigen Behörden mit einer ähnlich großen Marihuana-menge erwischt.
Telefonanschlüsse von Dealern werden überwacht
Sorge bereiten den Experten der Sicherheitsbehörden auch Qualitätsveränderungen der illegalen Rauschmittel. Das heute im Umlauf befindliche Marihuana ist mit dem von vor 30 Jahren kaum vergleichbar, denn die Konzentration des Wirkstoffs Tetrahydrocannabinol (THC) ist deutlich höher. Derzeit ist Marihuana mit einer Thc-konzentration von etwa 23 Prozent auf dem Markt. Früher lag dieser Wert bei zwölf Prozent.
Beim Bekämpfen der Drogenkriminalität im Bereich des Großhandels, also organisierter Kriminalität, ist Thüringens Polizei mit modernster Technik im Einsatz. Das Überwachen von bekannt gewordenen Telefonanschlüssen gehört zum Standard. Es werden aber auch Wohnungen oder Fahrzeuge fürs Belauschen verwanzt und Gps-tracker zeigen den Ermittlern gefahrene Wege. So gelingt es immer wieder, kompletten Netzwerken auf die Spur zu kommen, um die Täter vor Gericht zu stellen.