Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
Fehlanreize in medizinischer Versorgung
Trendwende gefordert in Gesundheitsversorgung
Der Chef des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), Josef Hecken, hat in Erfurt Fehlanreize in der Gesundheitsversorgung kritisiert. „Krankenhäuser leisten eine gute Arbeit, aber auch dort gibt es nicht nur Heilige. Wie in anderen Bereichen nutzen auch hier einige das System aus“, sagte er bei einem Expertengespräch der Thüringer Barmer im Erfurter Augustinerkloster. Beispielhaft dafür nannte Hecken unnötigen Knieersatz sowie Geburten von Frühchen.
Laut Deutscher Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie bringe fast ein Drittel der künstlichen Kniegelenke (KNIE-TEP) die Patienten nicht voran, sondern verschlechtere ihren Zustand eher noch. Auf Geburtenstationen würden mitunter Maßnahmen zur Vermeidung von Frühgeburten unterlassen, um geltende Mindestmengen zu erfüllen. Thüringens Barmerchefin Birgit Dziuk sagte, aktuell würden Ressourcen nicht zielgerecht genug eingesetzt und sogar verschwendet. „Was es braucht, ist eine engere Zusammenarbeit und Vernetzung aller Akteure mit dem gemeinsamen Fokus auf Qualität und Nutzen für Patientinnen und Patienten“, so Dziuk. Gefordert wurde ein effizienter Einsatz medizinischer Ressourcen, damit jedem Menschen eine medizinische Versorgung in größtmöglicher Qualität mit den modernen Möglichkeiten der Medizin zugänglich bleibe. „Es ist fünf vor zwölf. Medizinische Leistung sollte stets da erbracht werden, wo es am sinnvollsten ist und nicht da, wo es am meisten Geld bringt“, so Dziuk. Als höchstes Beschlussgremium der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen bestimmt der G-BA Richtlinien dafür, welche medizinischen Leistungen die 73 Millionen Versicherten beanspruchen können. Der medizinisch-technische Fortschritt schreite rasant voran, die Gesellschaft altere, Ärzte und medizinisches Fachpersonal reichten nicht, die Ausgaben für Gesundheitsversorgung stiegen rasant, sagte Hecken. Dafür müssten stationäre und ambulante Behandlung einheitlich geplant und gemeinschaftlich umgesetzt werden. Krankenhäuser sollten da mehr ambulante Leistungen erbringen dürfen, wo diese durch Vertragsärzte nicht geleistet werden können. Gegebenenfalls müssten Krankenhausbetten umgewandelt oder gestrichen werden.