Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
Thüringer Awo verzögert Aufklärung
Nächster Regionalverein geht auf Distanz und fordert Aufklärung. Bundesvorstandsvorgabe nicht umgesetzt
Die Thüringer Awo zögert eine Aufarbeitung der im Raum stehenden Verfehlungen gegen den sogenannten Governance-kodex offenbar immer weiter heraus. Wolfgang Stadler, der Awo-bundesvorsitzende, ließ jetzt per Mitteilung öffentlich verlauten, dass bereits am 6. April der Prüfbericht zur Lage in Thüringen fertig gewesen sei und mit der Aufforderung, ihn allen beteiligten Organen zugänglich zu machen, an den Landesvorstand geschickt wurde. Dies sei aber nicht geschehen. fa/gö
Der Druck auf den Landesvorstand der Thüringer Awo wächst mit jedem Tag. Jetzt geht der nächste Regionalverein der Arbeiterwohlfahrt (Awo) auf Distanz zum Landesverband. In einem Offenen Brief fordern Petra Rottschalk als Vorstandsvorsitzende und Hans-heinrich Tschoepke als Geschäftsführer für die Awo Rudolstadt Aufklärung.
„Mit Sorge beobachten wir, wie ein offensichtlich handlungsunfähiger Landesvorstand in Kauf nimmt, dass die Marke Awo mit ihren vielen engagierten und kompetenten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Dreck gezogen wird“, heißt es in dem Schreiben, das dieser Zeitung vorliegt. Sie kritisieren, dass der Landesverband nicht transparent arbeite, weil der Prüfbericht des Bundesverbandes, der sich mit den Gehältern von Führungskräften in der Tochterfirma AJS befasst, nicht dem gesamten Landesvorstand zur Kenntnis gegeben werden soll. „Alleine diese Geheimhaltung lässt viel Raum für Spekulationen, die der Awo enorm schaden“, heißt es in dem Brief.
Die Awo-führungskräfte aus Rudolstadt schließen sich auch der in der vergangenen Woche von der Liga der Freien Wohlfahrt geäußerten Kritik an, dass die Vorgänge bei der Thüringer Awo geeignet seien, eine ganze Branche in ein negatives Licht zu rücken. Diese gerate, heißt es in dem Brief weiter, „durch die fortwährende Verschleppung [...] in Misskredit“. Aus Rudolstadt werden deshalb jetzt ähnliche Fragen zu Gehaltsgefüge und opulenten Altersvorsorgeverträgen für Führungskräfte formuliert, wie sie bereits vom Regionalverband Mittewest-thüringen kommen, der Antworten jetzt mittels Auskunftsklage erhalten will.
Aber nicht nur vor Ort steigt der Druck: Auch aus dem Bundesvorstand heraus werden immer deutlichere Aufforderungen an den Thüringer Landesverband formuliert. Nachdem diese Zeitung in der vergangenen Woche unter anderem öffentlich gemacht hatte, dass mindestens vier Altersteilzeitverträge existieren, die den Begünstigten über zwei Jahre eine 100-prozentige Lohnfortzahlung sichern, hatte es im Awo-präsidium eine eilige Sitzung gegeben. Denn aus einem Beitrag dieser Zeitung hatte der Bundesvorstand erst erfahren, dass der Prüfbericht über den Thüringer Landesverband nur dem geschäftsführenden Vorstand zugeleitet werden sollte – entgegen der Aufforderung des Bundesverbandes vom 6. April, die besagte, dass das Dokument allen betroffenen Organen zur Kenntnis zu geben sei.
Jetzt fordert der Bundesvorsitzende der Arbeiterwohlfahrt, Wolfgang Stadler, deshalb eine lückenlose Aufklärung: „Intransparenz gegenüber dem Bundesverband und Abweichungen vom Awo-governancekodex werden nicht hingenommen.“