Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
Eingeschränkte Feuerwehrausbildung
Einzigartiges Lehmweller-gebäude aus dem Jahr 1550 wird in Abtsbessingen ab- und in Hohenfelden wieder aufgebaut
An der Landesfeuerwehrund Katastrophenschutzschule in Bad Köstritz läuft derzeit ein eingeschränkter Ausbildungsbetrieb. Auf rund 50 Prozent beziffert Schulleiter Jörg Henze den Umfang aktueller Lehrgänge, die unter strengen Hygienemaßnahmen stattfinden. Damit muss die Schule den ohnehin verschlankten Lehrgangsplan noch einmal reduzieren. Im vergangenen Jahr waren zahlreiche Lehrgänge kurzfristig ausgefallen, weil das Lehrpersonal fehlte. Das sorgte für Ärger bei den freiwilligen Feuerwehren. Wann der Ausbildungsstau in der Fläche aufgeholt werden kann? „Wir haben keine Glaskugel“, sagte Henze gestern auf Anfrage.
Wand für Wand schwebt das wohl älteste in Lehmwellerbauweise errichtete Fachwerkhaus Thüringens am Kranhaken von seinem Standort mitten in Abtsbessingen im Kyffhäuserkreis. Jetzt wurden zwei komplette Außenwände, jede etwa fünf Meter lang und zwei Meter hoch abmontiert und auf einen Lkw verladen. Große Teile vom Dachstuhl sind bereits abtransportiert.
Fast 500 Jahre lang hat das Gebäude hier die Dorfansicht geprägt. Demnächst soll es im Freilichtmuseum Hohenfelden originalgetreu wieder aufgebaut zu besichtigen sein. Dort wird auch die Lehmweller-wand, die aus Sicht der Experten den besonderen Wert des alten Hauses bestimmt, wieder sichtbar sein, wie Projektleiter Thomas Ludwig erklärte. Am Original in Abtsbessingen war nur noch ein etwa 2,70 Meter breiter und kaum mehr als eineinhalb Meter hoher Abschnitt der ursprünglichen Erdgeschosswand in der früher typischen Bauweise für die Häuser armer Bauern übrig geblieben.
Bis zu 50 Zentimeter hohe Lehmklumpen wurden mit Strohlagen dazwischen übereinander gestapelt, zur Wandstärke mit Spaten abgestochen und anschließend etwa ein Jahr zum Trocknen stehen gelassen. Erst dann wurde darüber Fachwerk aufgebaut.
Zerbrechliches Gebilde bereitet Fachleuten Kopfzerbrechen
Das 1550 in Abtsbessingen aufgeschichtete Lehmweller-gebilde soll ebenfalls in einem Stück nach Hohenfelden gekarrt werden. Wenn es aus seinem über Jahrhunderte verkeilten Verbund mit dem umgebenden Mauerwerk und dem Fachwerk darüber gelöst wird, dürfte das Wandstück ziemlich zerbrechlich werden. Kopfzerbrechen bereiten diese Befürchtung Bauingenieur Thomas Ludwig und Marcel Riedel, dem Vorarbeiter vom Bauunternehmen Pfeiffer aus Berlstedt für das Projekt.
Wie alle Wandstücke, die abtransportiert werden, sind die bedeutsamen Lehmteile in einen Holzkasten mit Schaumfüllung verpackt. Wie das Paket nun schadenfrei herausgelöst werden kann, daran tüfteln die beiden noch.
Zeit dafür ist noch bis 4. Juni. Dann soll der Lehmweller als letztes Teil für das Hauspuzzle in Hohenfelden aus Abtsbessingen abgeholt werden. „Aber nur, wenn es nicht regnet. Wenn es nass wird, zerfällt uns das Bauteil vor den Augen“, stellt Riedel klar. Gleiches gilt für die Wände aus Lehmfachwerk, die vorher schon aus dem Obergeschoss des Haupthauses herausgehoben werden sollen. Selbst ohne Regen werde das zu einer logistischen Herausforderung, so Projektleiter Ludwig. Mehr als neun Meter ist jedes der Teilstücke lang.
Die Reste in Jahrhunderten zusammengestückelten Mauerwerks, die übrig sein werden, wenn die museumsreifen Stücke vom alten Haus abgebaut sind, wandern in den Schuttcontainer. Grundstücksbesitzer Thomas Hoffmann bleibt eine beräumte Fläche. „Das wird ein ungewohnter, aber auch interessanter Anblick, wenn das Haus hier fehlt.“
In seinen 60 Lebensjahren hatte der Absbessinger, dessen Vater die geschichtsträchtige Immobilie vor mehr als 40 Jahren kaufte, das Gebäude immer vor Augen. „Ich kann mich auch an den alten Mann erinnern, der hier zuletzt lebte.“Pläne in der eigenen Familie, das Haus umzubauen, seien früh aufgegeben worden. „Unter Denkmalschutz stand es ja schon zu Ddr-zeiten. Dass es so einzigartig ist, stellte sich erst vor etwa zehn Jahren heraus.“
Wahrscheinlich schon im Spätsommer könnte Hoffmann das wieder aufgebauten Haus in Hohenfelden betreten, wie Ludwig erklärt.
Dann werde der in überlieferter Technik nachgebaute Weller trocken genug sein, um das Museumsstück für Besucher zu öffnen. Anders als früher soll das Fachwerk zuerst auf Stelzen wieder zusammengesetzt und dann der Lehm darunter aufgeschichtet werden bis er die Wände darüber trägt. Das gesamte Projekt werde rund eine halbe Million Euro kosten. Allein die Spezialtransporte samt Spezialverpackung – für die langen Wände wird ein Tieflader benötigt – schlügen mit 300.000 Euro zu Buche.