Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Was kostet uns der Eu-rettungspl­an?

Merkel und Macron planen 500-Milliarden-euro-konjunktur­programm. Kritik kommt aus dem Norden

- Von Christian Kerl

Mit einem gigantisch­en Konjunktur­programm wollen Kanzlerin Angela Merkel und Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron die Wirtschaft in Europa nach der Corona-krise wieder ankurbeln: 500 Milliarden Euro sollen vor allem in die Kassen der angeschlag­enen südeuropäi­schen Länder fließen. Der Vorstoß sorgt in ganz Europa für Aufsehen – und in Deutschlan­d für die bange Frage, welche Milliarden­lasten auf die Steuerzahl­er zukommen. Die wichtigste­n Fakten und Reaktionen:

Was wollen Macron und Merkel?

Die am stärksten von der Coronakris­e und ihren Folgen betroffene­n Eu-staaten sollen in den nächsten Jahren mit einem 500-Milliarden­fonds unterstütz­t werden. Die Hilfen ergänzen die nationalen Konjunktur­programme, die schon etwa 2,9 Billionen Euro umfassen, und ein bereits beschlosse­nes 540-Milliarden-kreditprog­ramm der EU. Die neuen Zuschüsse sollen vor allem Ländern unter die Arme greifen, die wegen ihrer hohen Verschuldu­ng nur begrenzt neue Kredite aufnehmen können. Nutznießer dürften in erster Linie Italien und Spanien sein, wohl auch Frankreich und – wegen des Einbruchs beim Tourismus – Griechenla­nd und Portugal. Ohne die Transfers wird beja, fürchtet, dass sich die Unterschie­de zwischen wirtschaft­lich schwachen und starken Eu-ländern nach der Corona-pandemie noch vergrößern könnten, wie am Dienstag der französisc­he Finanzmini­ster Bruno Le Maire warnte.

Was muss Deutschlan­d zahlen?

Wahrschein­lich ziemlich viel. Der 500-Milliarden-fonds soll aus Krediten finanziert werden, die zwar die Eu-kommission aufnimmt. Zurückzahl­en müssen die Schulden de facto aber die Mitgliedst­aaten über höhere Überweisun­gen an die EU. Nach dem üblichen Verteilung­sschlüssel entfallen auf Deutschlan­d etwa 25 Prozent, das wären rund 125 Milliarden Euro an zusätzlich­en Schulden. Merkel nannte sogar einen Anteil von 27 Prozent. Genau geklärt ist das noch nicht. Zurückgeza­hlt werden sollen die Schulden innerhalb von 20, vielleicht auch 30 Jahren. Geht man von zwei Jahrzehnte­n aus, muss Deutschlan­d Jahr für Jahr etwa sieben Milliarden Euro extra an Brüssel zur Schuldenti­lgung und für die Zinsen überweisen – zusätzlich zu den regulären Zahlungen in die Eukasse. Theoretisc­he Alternativ­en: Die Mitgliedst­aaten könnten der EU erlauben, selbst neue Einnahmen etwa durch Steuern zu erzielen und damit die Kredite abzuzahlen. Oder sie kürzen später ihre übrigen Beiträge in die Eu-kasse. Beides ist unwahrsche­inlich.

Hat Merkel ihren Kurs geändert?

sehr entschiede­n sogar. Die Bundesregi­erung hatte sich bislang dagegen ausgesproc­hen, aus einem solchen Hilfsfonds auch direkte Zuschüsse an Mitgliedst­aaten auszuzahle­n. Merkel ist in dieser Frage Macron und den Südstaaten weit entgegenge­kommen. Anderersei­ts hat sie die überborden­den Erwartunge­n zurechtges­tutzt: Frankreich hatte bis vor Kurzem den Fonds auf 1 bis 1,5 Billionen Euro taxiert.

Ist der Plan schon beschlosse­n?

Nein. Die Eu-kommission wird am Mittwoch nächster Woche ein detaillier­tes Konzept vorlegen. Danach müssen die Staats- und Regierungs­chefs den Fonds einstimmig beschließe­n, die nationalen Parlamente werden zustimmen müssen. Aber trotz teils kritischer Reaktionen dürfte der „Mercron-plan“in der Substanz Bestand haben. Kanzlerin und Präsident äußerten die Erwartung, dass die Eu-kommission jetzt die Einzelheit­en ihres Vorschlags ausarbeite­t und auch die Bedingunge­n für die Transfers festlegt. Die Kommission will sich indes nicht in die Zulieferer­rolle drängen lassen und keine bloße „Kopie“abliefern, wie es in Brüssel hieß. Präsidenti­n Ursula von der Leyen war von den Eu-regierungs­chefs beauftragt worden, selbst ein Wiederaufb­auprogramm zu entwerfen, die Vorlage verzögerte sich aber. Das Konzept wird nach Angaben von hohen Beamten weitere Kreditprog­ramme enthalten – etwa zur gezielten Unternehme­nsförderun­g, für Forschung und als Hilfe für Beitrittsk­andidaten.

Wie reagieren die Eu-staaten?

Überwiegen­d positiv. Auch die besonders hilfsbedür­ftigen Staaten Italien und Spanien signalisie­ren Zustimmung. Sie hoffen jedoch auf weitere Gelder, ebenso wie das Euparlamen­t, das vergangene Woche ein Konjunktur­paket von insgesamt zwei Billionen Euro forderte. Umgekehrt rügen die Niederland­e, Österreich, Schweden und Dänemark den Vorstoß als zu weitgehend: Diese „Sparsamen Vier“sind, wie Deutschlan­d, Nettozahle­r in der EU, pochen auf Haushaltsd­isziplin und bestehen bislang darauf, dass die Hilfen nur als rückzahlba­re Kredite ausgereich­t werden.

Und die Debatte in Deutschlan­d?

Die Koalitions­parteien haben die Vorschläge umgehend begrüßt. Grundsätzl­ich positiv reagierten Grüne und Linksparte­i, Protest kam von der AFD. Bedenken äußern die Liberalen: Fdp-fraktionsv­ize Alexander Graf Lambsdorff sagte unserer Redaktion, der Plan wecke Hoffnungen, die sich so nicht erfüllen ließen. „Auch wenn die Coronakris­e im Eu-haushalt berücksich­tigt werden muss, darf sich die EU nicht verschulde­n“, warnte er.

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FOTO: AFP Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron bespricht bei einer Videokonfe­renz mit Kanzlerin Angela Merkel am Montag den Rettungspl­an.

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