Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
Was kostet uns der Eu-rettungsplan?
Merkel und Macron planen 500-Milliarden-euro-konjunkturprogramm. Kritik kommt aus dem Norden
Mit einem gigantischen Konjunkturprogramm wollen Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron die Wirtschaft in Europa nach der Corona-krise wieder ankurbeln: 500 Milliarden Euro sollen vor allem in die Kassen der angeschlagenen südeuropäischen Länder fließen. Der Vorstoß sorgt in ganz Europa für Aufsehen – und in Deutschland für die bange Frage, welche Milliardenlasten auf die Steuerzahler zukommen. Die wichtigsten Fakten und Reaktionen:
Was wollen Macron und Merkel?
Die am stärksten von der Coronakrise und ihren Folgen betroffenen Eu-staaten sollen in den nächsten Jahren mit einem 500-Milliardenfonds unterstützt werden. Die Hilfen ergänzen die nationalen Konjunkturprogramme, die schon etwa 2,9 Billionen Euro umfassen, und ein bereits beschlossenes 540-Milliarden-kreditprogramm der EU. Die neuen Zuschüsse sollen vor allem Ländern unter die Arme greifen, die wegen ihrer hohen Verschuldung nur begrenzt neue Kredite aufnehmen können. Nutznießer dürften in erster Linie Italien und Spanien sein, wohl auch Frankreich und – wegen des Einbruchs beim Tourismus – Griechenland und Portugal. Ohne die Transfers wird beja, fürchtet, dass sich die Unterschiede zwischen wirtschaftlich schwachen und starken Eu-ländern nach der Corona-pandemie noch vergrößern könnten, wie am Dienstag der französische Finanzminister Bruno Le Maire warnte.
Was muss Deutschland zahlen?
Wahrscheinlich ziemlich viel. Der 500-Milliarden-fonds soll aus Krediten finanziert werden, die zwar die Eu-kommission aufnimmt. Zurückzahlen müssen die Schulden de facto aber die Mitgliedstaaten über höhere Überweisungen an die EU. Nach dem üblichen Verteilungsschlüssel entfallen auf Deutschland etwa 25 Prozent, das wären rund 125 Milliarden Euro an zusätzlichen Schulden. Merkel nannte sogar einen Anteil von 27 Prozent. Genau geklärt ist das noch nicht. Zurückgezahlt werden sollen die Schulden innerhalb von 20, vielleicht auch 30 Jahren. Geht man von zwei Jahrzehnten aus, muss Deutschland Jahr für Jahr etwa sieben Milliarden Euro extra an Brüssel zur Schuldentilgung und für die Zinsen überweisen – zusätzlich zu den regulären Zahlungen in die Eukasse. Theoretische Alternativen: Die Mitgliedstaaten könnten der EU erlauben, selbst neue Einnahmen etwa durch Steuern zu erzielen und damit die Kredite abzuzahlen. Oder sie kürzen später ihre übrigen Beiträge in die Eu-kasse. Beides ist unwahrscheinlich.
Hat Merkel ihren Kurs geändert?
sehr entschieden sogar. Die Bundesregierung hatte sich bislang dagegen ausgesprochen, aus einem solchen Hilfsfonds auch direkte Zuschüsse an Mitgliedstaaten auszuzahlen. Merkel ist in dieser Frage Macron und den Südstaaten weit entgegengekommen. Andererseits hat sie die überbordenden Erwartungen zurechtgestutzt: Frankreich hatte bis vor Kurzem den Fonds auf 1 bis 1,5 Billionen Euro taxiert.
Ist der Plan schon beschlossen?
Nein. Die Eu-kommission wird am Mittwoch nächster Woche ein detailliertes Konzept vorlegen. Danach müssen die Staats- und Regierungschefs den Fonds einstimmig beschließen, die nationalen Parlamente werden zustimmen müssen. Aber trotz teils kritischer Reaktionen dürfte der „Mercron-plan“in der Substanz Bestand haben. Kanzlerin und Präsident äußerten die Erwartung, dass die Eu-kommission jetzt die Einzelheiten ihres Vorschlags ausarbeitet und auch die Bedingungen für die Transfers festlegt. Die Kommission will sich indes nicht in die Zuliefererrolle drängen lassen und keine bloße „Kopie“abliefern, wie es in Brüssel hieß. Präsidentin Ursula von der Leyen war von den Eu-regierungschefs beauftragt worden, selbst ein Wiederaufbauprogramm zu entwerfen, die Vorlage verzögerte sich aber. Das Konzept wird nach Angaben von hohen Beamten weitere Kreditprogramme enthalten – etwa zur gezielten Unternehmensförderung, für Forschung und als Hilfe für Beitrittskandidaten.
Wie reagieren die Eu-staaten?
Überwiegend positiv. Auch die besonders hilfsbedürftigen Staaten Italien und Spanien signalisieren Zustimmung. Sie hoffen jedoch auf weitere Gelder, ebenso wie das Euparlament, das vergangene Woche ein Konjunkturpaket von insgesamt zwei Billionen Euro forderte. Umgekehrt rügen die Niederlande, Österreich, Schweden und Dänemark den Vorstoß als zu weitgehend: Diese „Sparsamen Vier“sind, wie Deutschland, Nettozahler in der EU, pochen auf Haushaltsdisziplin und bestehen bislang darauf, dass die Hilfen nur als rückzahlbare Kredite ausgereicht werden.
Und die Debatte in Deutschland?
Die Koalitionsparteien haben die Vorschläge umgehend begrüßt. Grundsätzlich positiv reagierten Grüne und Linkspartei, Protest kam von der AFD. Bedenken äußern die Liberalen: Fdp-fraktionsvize Alexander Graf Lambsdorff sagte unserer Redaktion, der Plan wecke Hoffnungen, die sich so nicht erfüllen ließen. „Auch wenn die Coronakrise im Eu-haushalt berücksichtigt werden muss, darf sich die EU nicht verschulden“, warnte er.