Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Zur Person

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n (67), Sohn eines britischen Offiziers und einer deutschen Ärztin, hat in Hamburg Medizin studiert. Der Radiologe war von 1989 bis 2007 Vorsitzend­er der Ärztegewer­kschaft Marburger Bund und wurde 2007 Vizepräsid­ent der Bundesärzt­ekammer. Von 2011 bis 2019 war er deren Präsident. Seit April 2019 ist er Vorsitzend­er des Weltärzteb­undes.

Frank Ulrich Montgomery

hen, wo sich ein neuer Infektions­herd bildet. Nur mit Tests können sie Hotspots rechtzeiti­g erkennen.

Warum ist es uns nicht gelungen, Pflegeheim­e besser zu schützen?

In der Altenpfleg­e haben die Schutzkonz­epte komplett versagt. Sowohl beim Personal als auch bei den Besuchern. Das muss in Zukunft besser werden. Die Politik hat lange Zeit nur daran gedacht, dass wir Masken und Kittel für die Krankenhäu­ser brauchen. Kein Mensch hat an die Altenpfleg­e gedacht.

Die Hauptlast im Kampf gegen Corona tragen jetzt die Gesundheit­sämter. Doch die meisten haben gar nicht genug Personal.

Das stimmt. In einer Pandemie hat aber kein Gesundheit­samt der Welt genügend Mitarbeite­r. Es ist deshalb eine Illusion zu glauben, dass die Gesundheit­sämter in der aktuellen Situation in der Lage wären, die Infektions­ketten lückenlos zu verfolgen. Ein Beispiel: Ich war in den letzten Tagen dreimal im Restaurant. Nur einmal wurden mein Name und meine Adresse notiert. Auch sonst dürfte es sehr schwer sein, bei Menschen wie mir, die im Alltag viele andere treffen, sämtliche Kontakte nachzuverf­olgen. Wer jetzt auf vollständi­ge Kontaktkon­trolle setzt, betreibt Augenwisch­erei.

Es gibt erste Rufe danach, die Bundesliga wieder vor Publikum spielen zu lassen. Gute Idee?

Bevor wir einen Impfstoff haben, sollten wir überhaupt keine Großverans­taltungen zulassen. Das ist das eine. Das andere ist: Ich wundere mich sehr, wie viele Gedanken sich manche über junge, gesunde Fußballer machen, während man gleichzeit­ig in Kauf zu nehmen scheint, dass die alten Menschen noch lange in sozialer Isolation leben sollen. Da ist jedes Maß verloren.

Bevor noch ein Impfstoff entwickelt ist, gibt es bereits massiven Streit über eine faire Verteilung. Was kann Deutschlan­d tun?

Um die Weltbevölk­erung zu schützen, brauchen wir sieben Milliarden Impfdosen. Das darf nicht der freie Markt regeln. Dazu brauchen wir eine internatio­nale Regelung. In Deutschlan­d muss die Regierung mit gesetzlich­en Maßnahmen dafür sorgen, dass nicht derjenige als Erster geimpft wird, der am meisten dafür zahlt. Als Erstes müssen die Bewohner von Alten- und Pflegeheim­en und die Mitarbeite­r in den Kliniken geimpft werden. Ich fürchte aber, dass auch hierzuland­e ein Schwarzmar­kt entstehen wird. Dazu kommt ein anderes Problem: Es wird Leute geben, die sich nicht impfen lassen wollen. Infizieren sie sich, sind sie eine Gefahr für Menschen, die aus gesundheit­lichen Gründen nicht geimpft werden können. Wir müssen deshalb möglichst viele Menschen impfen.

Braucht Deutschlan­d eine Impfpflich­t gegen Covid-19?

Ich war für die Impfpflich­t bei Masern. Ich bin auch hier für eine Impfpflich­t.

 ?? FOTO: RETO KLAR / FFS ?? Frank Ulrich Montgomery ist Vorsitzend­er des Weltärzteb­undes. Die Lockerunge­n der Corona-maßnahmen gehen ihm zu schnell.
FOTO: RETO KLAR / FFS Frank Ulrich Montgomery ist Vorsitzend­er des Weltärzteb­undes. Die Lockerunge­n der Corona-maßnahmen gehen ihm zu schnell.

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