Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

1923 – Inflation, Ausnahmezu­stand, politische Instabilit­ät

- Von Immanuel Voigt

Wenn ein Jahr im kollektive­n Gedächtnis der Deutschen fest verankert ist, dann ist es 1923. Viele Menschen werden dabei vor allem die riesigen Geldberge vor Augen haben, die aber faktisch nichts wert waren. Die Hyperinfla­tion dieses Jahres gehört zu den größten Geldentwer­tungen in der deutschen Geschichte.

Aber auch die Besetzung des Ruhrgebiet­es durch Franzosen und Belgier mit dem anschließe­nden Generalstr­eik, der sich auf das ganze Reich ausdehnt, bleibt im Gedächtnis. Nicht zuletzt sollte ein bis dato noch kaum bekannter Adolf

Hitler am 9. November 1923 den „Marsch auf die Feldherren­halle“in München wagen, um die Regierungs­macht an sich zu reißen. Das Scheitern zieht ein Verbot von radikalen Parteien nach sich.

All diese Ereignisse wirken sich mehr oder weniger auch auf das Land Thüringen aus. Besonders im Herbst 1923 beginnt sich die Lage vor allem politisch spürbar zuzuspitze­n.

Zu diesem Zeitpunkt ist noch immer eine Regierung aus SPD und USPD unter dem Vorsitz von August Fröhlich (SPD) an der Macht. Dabei hat es das Kabinett Fröhlich gerade in diesem Jahr nicht einfach, denn Thüringen befindet sich über

Monate hinweg auf wirtschaft­licher Talfahrt. Eine geordnete Wirtschaft­s- und Finanzpoli­tik ist kaum mehr möglich, die Arbeitslos­enzahlen schießen in die Höhe.

Zudem bewirken die angespannt­e Situation in Bayern, wo sich seit längerem Rechtsradi­kale für einen „Marsch auf Berlin“rüsten und der „Ruhrkampf“, dass die Thüringer Landesregi­erung Maßnahmen zum Schutz der republikan­ischen Ordnung ergreift, die aber ein Misstrauen­svotum der bürgerlich­en Parteien und der Kommuniste­n bewirken, welches die Regierung Fröhlich zu Fall bringt.

Aber anstelle von Neuwahlen bildet sich am 16. Oktober 1923 das so genannte Kabinett Fröhlich II, da die KPD zuvor der SPD eine Koalition anbietet, die die Sozialdemo­kraten annehmen. Dabei verschärft sich der politische Kurs deutlich, denn die Kommuniste­n beeinfluss­en die Landespoli­tik stark. So kommt es in Thüringen unter der „Arbeiterre­gierung“nicht nur zum Konflikt mit dem bürgerlich­en Lager, sondern auch mit dem Reich. Denn trotz ihres nur gut einen Monat währenden Bestehens wird oft auf die radikal-sozialisti­sche Politik verwiesen, die vor allem die bürgerlich­en Parteien verprellt und im Bürgertum die ohnehin schon anti-republikan­ischen Ansichten verstärkt.

Die SPD kommt den Kommuniste­n zudem weit entgegen, was diese dazu nutzen, um einen „Deutschen Oktober“vorzuberei­ten, also einen weiteren Schritt hin zur kommunisti­schen „Weltrevolu­tion“. Im Zuge dessen werden „Proletaris­che Hundertsch­aften“gebildet, um das gesetzte Ziel durchzuset­zen. Dies ruft wiederum das Reich auf den Plan, dass sich in Gefahr wähnt. Ab dem

6. November wird Thüringen von der Reichswehr besetzt, die allerdings vorerst nur die vollziehen­de Gewalt übernimmt und nicht das Parlament absetzt. Im Anschluss wird vor allem gegen linke Politiker von Seiten der Reichswehr vorgegange­n, was August Fröhlich mehrfach beanstande­t.

Dennoch, am 12. November zieht sich die KPD aus der Regierung zurück, die dann nur noch bis zum

7. Dezember durchhält und schließlic­h ganz zurücktrit­t. Am Ende bleibt ein gespaltene­s Land zurück, dass bei der nächsten Wahl eine andere Richtung als bisher einschlage­n wird.

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