Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
1923 – Inflation, Ausnahmezustand, politische Instabilität
Wenn ein Jahr im kollektiven Gedächtnis der Deutschen fest verankert ist, dann ist es 1923. Viele Menschen werden dabei vor allem die riesigen Geldberge vor Augen haben, die aber faktisch nichts wert waren. Die Hyperinflation dieses Jahres gehört zu den größten Geldentwertungen in der deutschen Geschichte.
Aber auch die Besetzung des Ruhrgebietes durch Franzosen und Belgier mit dem anschließenden Generalstreik, der sich auf das ganze Reich ausdehnt, bleibt im Gedächtnis. Nicht zuletzt sollte ein bis dato noch kaum bekannter Adolf
Hitler am 9. November 1923 den „Marsch auf die Feldherrenhalle“in München wagen, um die Regierungsmacht an sich zu reißen. Das Scheitern zieht ein Verbot von radikalen Parteien nach sich.
All diese Ereignisse wirken sich mehr oder weniger auch auf das Land Thüringen aus. Besonders im Herbst 1923 beginnt sich die Lage vor allem politisch spürbar zuzuspitzen.
Zu diesem Zeitpunkt ist noch immer eine Regierung aus SPD und USPD unter dem Vorsitz von August Fröhlich (SPD) an der Macht. Dabei hat es das Kabinett Fröhlich gerade in diesem Jahr nicht einfach, denn Thüringen befindet sich über
Monate hinweg auf wirtschaftlicher Talfahrt. Eine geordnete Wirtschafts- und Finanzpolitik ist kaum mehr möglich, die Arbeitslosenzahlen schießen in die Höhe.
Zudem bewirken die angespannte Situation in Bayern, wo sich seit längerem Rechtsradikale für einen „Marsch auf Berlin“rüsten und der „Ruhrkampf“, dass die Thüringer Landesregierung Maßnahmen zum Schutz der republikanischen Ordnung ergreift, die aber ein Misstrauensvotum der bürgerlichen Parteien und der Kommunisten bewirken, welches die Regierung Fröhlich zu Fall bringt.
Aber anstelle von Neuwahlen bildet sich am 16. Oktober 1923 das so genannte Kabinett Fröhlich II, da die KPD zuvor der SPD eine Koalition anbietet, die die Sozialdemokraten annehmen. Dabei verschärft sich der politische Kurs deutlich, denn die Kommunisten beeinflussen die Landespolitik stark. So kommt es in Thüringen unter der „Arbeiterregierung“nicht nur zum Konflikt mit dem bürgerlichen Lager, sondern auch mit dem Reich. Denn trotz ihres nur gut einen Monat währenden Bestehens wird oft auf die radikal-sozialistische Politik verwiesen, die vor allem die bürgerlichen Parteien verprellt und im Bürgertum die ohnehin schon anti-republikanischen Ansichten verstärkt.
Die SPD kommt den Kommunisten zudem weit entgegen, was diese dazu nutzen, um einen „Deutschen Oktober“vorzubereiten, also einen weiteren Schritt hin zur kommunistischen „Weltrevolution“. Im Zuge dessen werden „Proletarische Hundertschaften“gebildet, um das gesetzte Ziel durchzusetzen. Dies ruft wiederum das Reich auf den Plan, dass sich in Gefahr wähnt. Ab dem
6. November wird Thüringen von der Reichswehr besetzt, die allerdings vorerst nur die vollziehende Gewalt übernimmt und nicht das Parlament absetzt. Im Anschluss wird vor allem gegen linke Politiker von Seiten der Reichswehr vorgegangen, was August Fröhlich mehrfach beanstandet.
Dennoch, am 12. November zieht sich die KPD aus der Regierung zurück, die dann nur noch bis zum
7. Dezember durchhält und schließlich ganz zurücktritt. Am Ende bleibt ein gespaltenes Land zurück, dass bei der nächsten Wahl eine andere Richtung als bisher einschlagen wird.