Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
Frisch von der Bank
Erfurts Ex-trainer Thomas Brdaric zählt zu den Wechselkönigen der Fußball-bundesliga
Als der Ball wieder rollte, saß Thomas Brdaric mit seiner Familie gebannt vor dem Fernseher. „Ich habe die Bundesliga vermisst. Dass wieder gespielt wird, ist ein wichtiges Zeichen von Deutschland aus für die ganze Fußball-welt“, sagt der Ex-nationalspieler über die Fortsetzung der unterbrochenen Saison und erwartet bei den Geisterspielen einige sonst in der Liga selten gekannte Resultate: „Ich kann mir gut vorstellen, dass es Partien mit mehr als zehn Toren geben könnte.“
Der 45-Jährige, der bis November den Regionalligisten FC Rot-weiß Erfurt trainierte, lobte die Bemühungen des Profifußballs, zumindest in den Notbetrieb zurückzukehren und die Saison doch noch auf sportliche Weise zu beenden. Die Deutsche Fußball Liga (DFL) habe mit allen wichtigen Institutionen in enger Zusammenarbeit ein belastbares Konzept erarbeitet: „Das ist keiner anderen Branche gelungen. Aus meiner Sicht wurde alles getan, damit der Fußball diese Chance verdient hat.“
Er könne es jedoch gut verstehen, wenn es in Zeiten der Corona-krise auch viele Kritiker gebe. Deshalb wünsche er sich, dass aus der Konsequenz der Profifußball bodenständiger wird. Für ihn zählt vor allem aber auch die Tatsache, dass die Branche mit der Fortführung des Spielbetriebs knapp 60.000 Arbeitsplätze sichert. „Das zeigt die Wichtigkeit des Profifußballs“, sagt der achtfache Nationalspieler.
Ohne Zuschauer kein Heimvorteil
Dass der einstige Bundesliga-angreifer mit dem Neustart der Bundesliga nun in den noch acht ausstehenden Spielrunden auch überraschende Resultate erwartet, hat für ihn einen guten Grund. Weil kein einziger Zuschauer das Stadion betreten darf, gibt es aus seiner Sicht eigentlich keinen Heimvorteil mehr. „Ich bin mal gespannt, wie zum Beispiel der FC Bayern zu Hause unter diesen Bedingungen auftreten wird. Es kann gut sein, dass nun auch einige Außenseiter dort eine Chance haben werden“, sagt Brdaric mit Blick auf das nächste Heimspiel des Tabellenführers am kommenden Samstag gegen Eintracht Frankfurt. Unter diesen Umständen sei noch längst nicht klar, ob die Münchner trotz der erfolgreichen
Rückkehr mit dem 2:0 bei Union Berlin tatsächlich Meister werden.
Dass die Deutsche Fußball Liga bis zum Saisonende nun sogar fünf Wechsel pro Mannschaft erlaubt, begrüßt Thomas Brdaric ausdrücklich. Dabei hat er nicht nur die kurze Vorbereitungszeit und die möglicherweise erhöhte Verletzungsgefahr im Blick. Mit fehlenden Zuschauern geht für ihn ein entscheidender Faktor verloren. „Ohne die Fans im Rücken, die einen Spieler unglaublich puschen können, lässt sich die Konzentration nicht so leicht über die 90 Minuten aufrechterhalten.“
Beim Sprung von der Auswechselbank auf den Rasen ist Thomas Brdaric sozusagen ein Experte. Laut Fachmagazin Kicker rangiert er in der Rangliste der Profis mit den meisten Einwechslungen in der Bundesliga-historie an zehnter Stelle. In seinen 204 Bundesligaduellen kam er 99 Mal von der Bank auf das Feld. Auf diese Weise erlebte er als 18-Jähriger am 29. August 1993 sein Debüt in der höchsten Spielklasse. Beim VFB Stuttgart wechselte ihn Trainer Christoph Daum in der 83. Minute für Fritz Walter ein, und das ausgerechnet gegen den FC Bayern München (2:2). Der damals von Erich Ribbeck betreute Liga-krösus war bis dahin der Lieblingsverein von Brdaric: „Für mich ging ein Traum in Erfüllung. Nur war ich danach kein Bayern-fan mehr.“
Erstes Joker-tor gegen Wattenscheid
Schon drei Tage später bewies er seine Qualitäten als Einwechselspieler. Der Angreifer war gerade erst im vom Thüringer Schiedsrichter Günther Habermann geleiteten Duell auf den Platz gekommen, als er mit dem ersten Bundesligatreffer seiner Karriere zum zwischenzeitlichen 2:2 in der 78. Minute seiner Stuttgarter Elf den Weg zum 4:2-Sieg bei der SG Wattenscheid ebnete.
Mit der Aufnahme des Notbetriebs der Bundesliga hofft Thomas Brdaric darauf, dass auf diese Weise auch seine Rückkehr auf die Trainerbank beschleunigt wird. Selbst wenn sein Vertrag mit dem Regionalliga-aus des FC Rot-weiß im vergangenen Januar gekündigt wurde und noch Gehaltszahlungen ausstehen, hat er die Erfurter Episode abgehakt. „Mein Wunsch ist es, zur neuen Saison irgendwo wieder eine Mannschaft zu übernehmen.“