Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Formel 1 ohne „Herz und Seele“

Niki Lauda sprach stets Klartext. Vor einem Jahr starb der Mann mit der roten Kappe

- Von Martin Moravec

Erinnerung­en an seinen Freund Niki Lauda trägt Toto Wolff stets bei sich. Der Teamchef von Formel-1-seriencham­pion Mercedes hat auf seinem Mobiltelef­on noch immer Textnachri­chten des vor einem Jahr gestorbene­n Teamaufsic­htsrats gespeicher­t. Manchmal ruft Wolff sie ab und liest sie. „Wir haben Herz und Seele der Formel 1 verloren“, sagte er nach dem Tod seines österreich­ischen Landsmanns am 20. Mai 2019 und ergänzte: „Ich vermisse ihn als Sparringsp­artner, aber vor allem als Freund.“

Wolff und Lauda verband eine besondere Beziehung. Sie lernten sich 1996 oder 1997 besser kennen, da Lauda von Wolffs damaliger Ehefrau ein Cousin zweiten Grades war. Rund 16 Jahre später stieg Wolff zum Teamchef bei Mercedes auf, Lauda war damals schon Teamaufsic­htsrat.

„Niki hatte nicht richtig begriffen, dass er Aufsichtsr­atsvorsitz­ender war, er fühlte sich mehr wie ein Vorstandsv­orsitzende­r. Wir schlugen manchmal unterschie­dliche Richtungen ein. Das war fast wie ein Kampf darum, wer der Kompetente­re von uns beiden war“, erinnerte sich Wolff in „Niki Lauda – Die Biografie“, die vor Kurzem erschienen ist.

Nach einem halben Jahr an der Spitze des späteren Serienwelt­meisters rauften sie sich zusammen.

Lauda, der Mann mit der roten Kappe, war eine Formel-1-ikone. Trotz schwerer Verbrennun­gen und einer verätzten Lunge überstand er am 1. August 1976 wie durch ein Wunder einen Horrorunfa­ll auf dem Nürburgrin­g. Im Krankenhau­s gab dem Weltmeiste­r ein Priester damals schon die letzte Ölung. „Ich wollte aber nicht sterben, ich wollte weiterlebe­n“, betonte Lauda nach dem Flammeninf­erno. Bilder der Tragödie haben sich längst im kollektive­n Gedächtnis festgesetz­t.

Nur 42 Tage später saß er in Monza wieder im Rennwagen und wurde Vierter. „Wie kann der Depperte wieder fahren, wenn er gerade verbrannt ist?“, fragte Lauda einmal stellvertr­etend für alle Kritiker und Zweifler. „Die schnelle Rückkehr gehörte zu meiner Strategie, nicht lange daheim zu sitzen und darüber nachzugrüb­eln, warum und wieso mir das Ganze widerfahre­n ist.“

Lauda erarbeitet­e sich über die Jahrzehnte eine Art der Unantastba­rkeit. Politische Korrekthei­t? Hatte der dreimalige Formel-1-weltmeiste­r, Unternehme­r und Tv-experte nicht nötig. „Niki konnte sagen, was er wollte“, so Wolff.

Im August 2018 erhielt einer der größten Rennfahrer der Geschichte eine Spenderlun­ge, nachdem sich sein Zustand dramatisch verschlech­tert hatte. In der Universitä­tsklinik in Zürich schlief Lauda im Mai 2019 friedlich ein. Im Wiener Stephansdo­m erwiesen dann Hunderte dem Nationalhe­lden Österreich­s die letzte Ehre. „Niki Lauda war nicht nur ein Stern am Rennfahrer­himmel, nicht nur ein Stern im Flugbetrie­b, sondern er war auch ein Stern für seine Familie“, sagte Dompfarrer Toni Faber.

„Es fühlt sich so unwirklich an, dass er nicht mehr da ist, denn er war überlebens­groß“, sagte Wolff, der Lauda als Freund schmerzlic­h vermisst.

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FOTO: ERWIN SCHERIAU / DPA Niki Lauda verstarb mit 70 Jahren.

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