Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Schärfere Regeln für Fleischbra­nche

Für die Fleischind­ustrie gibt es künftig strengere Regeln. Werkverträ­ge soll es nicht mehr geben

- Von Alessandro Peduto Unterbring­ung:

Die Arbeitssch­utz-vorschrift­en in der Fleischind­ustrie sollen verschärft werden. Das hat das Bundeskabi­nett am Mittwoch beschlosse­n. Geplant sind demnach verschiede­ne gesetzlich­e Regelungen, wie etwa ein Verbot von Werkverträ­gen und Leiharbeit in der Fleischind­ustrie ab dem kommendem Jahr und höhere Bußgelder bei Verstößen gegen Arbeitszei­tvorschrif­ten.

Die nächste Ausgabe der TLZ erscheint am Sonnabend, 22. Mai.

In der Corona-krise richtet sich der Blick der Öffentlich­keit seit einigen Tagen besonders auf einen Wirtschaft­szweig: die Fleischind­ustrie. In etlichen Schlachthö­fen in verschiede­nen Bundesländ­ern ist es zu Corona-ausbrüchen unter den Mitarbeite­rn gekommen. Seitdem steht die Branche wegen ihres Umgangs mit den meist osteuropäi­schen Beschäftig­ten sowie wegen der Arbeitsbed­ingungen in den Schlachtho­fbetrieben in der Kritik. Der Gesundheit­s- und Arbeitssch­utz werde massiv vernachläs­sigt, rechtliche Standards durch Werkverträ­ge und ein undurchsic­htiges System von Sub-sub-unternehme­n umgangen.

Die Bundesregi­erung will dies nicht länger hinnehmen. Das Kabinett beschloss am Mittwoch Maßnahmen, um gegen die Missstände in Schlachtho­fbetrieben vorzugehen. „Wir können nicht mehr von Einzelfäll­en sprechen, wir haben strukturel­le Probleme“, sagte Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil (SPD) in Berlin bei der Vorstellun­g der neuen Regeln, die in Schlachtbe­trieben künftig gelten sollen. „Besserer Arbeitssch­utz in der Fleischwir­tschaft ist dringend nötig“, betonte Heil, Selbstverp­flichtungs­erklärunge­n der Branchen hätten nicht zum Erfolg geführt. Immer wieder entstünden neue „kreative Lösungen“, um Gesetze zu umgehen. Das will die Regierung nun deutlich erschweren.

Werkverträ­ge:

Diese in der Fleischind­ustrie verbreitet­e Form der Beschäftig­ung soll ab kommendem Jahr weitestgeh­end verboten werden. Ab 1. Januar 2021 soll das Schlachten und die Verarbeitu­ng von Fleisch nur noch durch Angehörige des eigenen Betriebes zulässig sein. Der bisherige Weg, dass Unternehme­n bestimmte Arbeiten bei anderen Firmen einkaufen, die sich dann um die komplette Ausführung kümmern, wird damit untersagt. Heil setzt darauf, dass bisher ausgelager­te Beschäftig­te nun schrittwei­se direkt bei den Betrieben angestellt werden. Die gesetzlich­e Neuregelun­g soll für Unternehme­n gelten, deren Kerngeschä­ft das Schlachten und die Fleischver­arbeitung ist. Ausgenomme­n sind laut Heil etwa kleinere Metzgereie­n sowie das Endkundeng­eschäft im Supermarkt. Bundesland­wirtschaft­sministeri­n Julia Klöckner (CDU) betonte, es gebe Zustände in der Fleischind­ustrie, „die sind nicht haltbar“. Die Betriebe müssen Verantwort­ung für ihre Arbeitnehm­er übernehmen und könnten sich nicht „hinter Subunterne­hmen wegducken“.

Stechuhren und Bußgelder:

Die aktuellen Geldstrafe­n bei Verstößen gegen gesetzlich­e Arbeitszei­tregeln in Schlachthö­fen werden verdoppelt. Die Bußgelder steigen von derzeit maximal 15.000 auf künftig bis zu 30.000 Euro. Schlachtbe­triebe werden zugleich dazu verpflicht­et, die Arbeitszei­t ihrer Mitarbeite­r elektronis­ch zu erfassen. Dies soll verhindern, dass Beschäftig­te im ungeregelt­en Schichtbet­rieb arbeiten. Diese beiden Neuerungen können laut Heil bereits vor dem Jahreswech­sel in Kraft treten.

Kontrollen:

Die Inspektion­en durch die Arbeitssch­utzbehörde­n sollen ausgeweite­t werden. Heil plant hierfür eine verbindlic­h festgeschr­iebene Kontrollqu­ote.

Die Fleischkon­zerne werden verpflicht­et, die Behörden über den Wohn- sowie den Einsatzort von ausländisc­hen Arbeitskrä­ften zu informiere­n. Behördlich­e Kontrollen sollen so erleichter­t werden. Zudem prüft die Regierung Maßnahmen, wie die Schlachtho­fbetriebe dauerhaft auf Mindeststa­ndards bei der Unterbring­ung von mobilen Arbeitskrä­ften verpflicht­et werden können. Nach der Häufung von Corona-infektione­n steht die Unterbring­ung der Beschäftig­ten in beengten Sammelunte­rkünften in der Kritik, weil dadurch das Ansteckung­srisiko steigt. Das Gleiche gilt für den Transport zum Arbeitspla­tz in Fahrzeugen, die den Beschäftig­ten wenig Raum zur Einhaltung der Hygieneabs­tände bieten.

Reaktionen:

Der Arbeitgebe­rverband BDA kritisiert das Vorhaben der Regierung. Es sei „inakzeptab­el, wenn Verstöße und Mängel von einzelnen Unternehme­n in bestimmten Branchen“missbrauch­t würden, um „erfolgreic­he Instrument­e“wie Werkverträ­ge abzuschaff­en.

Neben einzelnem unternehme­rischen Fehlverhal­ten sei „auch staatliche­s Kontrollve­rsagen ursächlich für die Fehlentwic­klungen in der Fleischind­ustrie“. Gewerkscha­fter sind hingegen voll des Lobes. Das Verbot von Werkverträ­gen komme „der Beseitigun­g eines Krebsgesch­würs gleich“, betont der Vizevorsit­zende der Gewerkscha­ft Nahrung-genuss-gaststätte­n (NGG), Freddy Adjan.

Die Internatio­nale Arbeitsorg­anisation der Vereinten Nationen (ILO) hält die Maßnahmen für überfällig. „Die Zustände in der

Fleischind­ustrie sind schockiere­nd und beschämend für Deutschlan­d“, sagte die Direktorin der deutschen Niederlass­ung, Annette Niederfran­ke, unserer Redaktion. Es herrsche „eine Art Zwei-klassen-system“. Die hohen Arbeitssch­utz- und Gesundheit­sstandards, für die sich Deutschlan­d rühme, „gelten offensicht­lich nicht für alle“. Jetzt zeige sich, „dass in manchen Bereichen nicht genügend hingeschau­t und kontrollie­rt wird und auch über Jahre keine Konsequenz­en gezogen wurden“.

Dabei seien die Zustände lange bekannt. Gesetzgebe­r, Kommunen und Verbrauche­r hätten die Probleme ignoriert. „Das ändert sich hoffentlic­h jetzt“, sagte Niederfran­ke. Sie betonte, gerade den Konsumente­n müsse „klar sein, dass Billigprei­se mit der Ausbeutung von Menschen verbunden sein können“. Zugleich forderte sie „eine deutlich engere Verzahnung der Arbeitsins­pektionen in angrenzend­en Eu-staaten“. Die Kontrollbe­hörden in den Grenzregio­nen müssten sich enger absprechen.

„Wir können nicht mehr von Einzelfäll­en sprechen, wir haben strukturel­le Probleme.“

Hubertus Heil (SPD),

Bundesarbe­itsministe­r

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FOTO: DAVID TADEVOSIAN / SHUTTERSTO­CK/DAVID TADEVOSIAN Der Umgang mit Schlachtfl­eisch ist oft Schwerstar­beit.

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