Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Regeln statt Ausbeutung

- Leitartike­l Alessandro Peduto zu den Zuständen in der Fleischind­ustrie

Es ist höchste Zeit. Endlich geht die Politik gegen ausbeuteri­sche Arbeitsver­hältnisse in der deutschen Fleischind­ustrie vor. Die Bedingunge­n, zu denen Beschäftig­te hierzuland­e in Schlachthö­fen schuften, sind skandalös: überlange Schichten, schlechte Bezahlung, geringer Arbeits- und Gesundheit­sschutz. Und ihren Feierabend müssen die Beschäftig­ten zusammenge­pfercht in engen Sammelunte­rkünften verbringen. Solche Verhältnis­se verhöhnen die Regeln unserer sozialen Marktwirts­chaft.

Wir leben in einem Land mit hohen arbeitsrec­htlichen Standards. Und doch ist es offenbar möglich, dass in einigen Bereichen nahezu frühkapita­listische Verhältnis­se herrschen. Es ist daher nicht nur richtig, sondern überfällig, dass Regeln an die Stelle von Ausbeutung treten.

Trotzdem fragt man sich, ob es erst einer Pandemie bedurfte, um die Politik zum Handeln zu bewegen. Den Ausschlag gaben ja nicht primär die unsägliche­n Arbeitsbed­ingungen in den Schlachthö­fen, sondern die sprunghaft­e Ausbreitun­g des Coronaviru­s unter den Beschäftig­ten. Seither ist die Öffentlich­keit alarmiert, nicht zuletzt, weil eine regional hohe Zahl von Neuinfekti­onen Auswirkung­en auf alle Bewohner eines betroffene­n Landkreise­s haben kann. Die Frage muss daher erlaubt sein: Wäre der Beschluss der Bundesregi­erung auch ohne Corona in einem solchen Eiltempo zustande gekommen?

Zweifel sind angebracht. Bund, Länder und Kommunen haben die Missstände in der Fleischind­ustrie lange hingenomme­n, statt sie wirksam zu bekämpfen.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Verbrauche­r eine Verantwort­ung haben. Wenn ein Kilo Fleisch billiger ist als eine Großpackun­g Toilettenp­apier, zahlt jemand anders den Preis dafür: die Natur, die Tiere und die Beschäftig­ten der Fleischind­ustrie. Zumindest für Letztere ist bald Besserung in Sicht.

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