Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
Schleppende Erholung
Corona-krise: Ausbleibende Investitionen, sinkende Steuereinnahmen und weniger Konsum
Sinkende Investitionen und Steuereinnahmen, Einkommensverluste und weniger Konsum – das sind einige der befürchteten Folgen durch Corona. Wissenschaftler des Deutschen Institutes für Wirtschaftsforschung (DIW) haben die Auswirkungen der Pandemie auf Industrie, Bauwirtschaft, Haushalte und Kommunen untersucht und die Ergebnisse im Diw-wochenbericht veröffentlicht. Das Fazit ist beklemmend: Die deutsche Wirtschaft werde im zweiten Quartal in einem nie dagewesenem Ausmaß schrumpfen. Trotz Lockdown und Konjunkturmaßnahmen sei nur mit einer schleppenden Erholung zu rechnen. Das Vorkrisenniveau werde wohl erst im Jahr 2022 wieder erreicht, konstatiert Claus Michelsen, Chef der Diw-konjunkturabteilung. Den Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um fast 10 Prozent könne der geringere Zuwachs im kommenden Jahr bei Weitem nicht wettmachen.
Erwartet wird, dass Unsicherheiten und Sorgen von Unternehmen und Beschäftigten etwa um Absatzmärkte oder Arbeitsplätze sowie die massiven Einkommensverluste noch lange nachwirken. Laut dem Diw-forschungsbericht berühren die Auswirkungen viele Bereiche. Unternehmen würden vorerst kaum Neueinstellungen erwägen, die Arbeitslosigkeit werde weiter steigen. Nicht nur Absatzchancen auf dem heimischen Markt würden gedämpft. Auch auf ausländischen Märkten herrsche Unsicherheit. Ausrüstungsinvestitionen brächen ein, laut Bericht sanken Anschaffungen von Maschinen, Fahrzeugen und Geräten im ersten Quartal um fast sieben Prozent.
Auch an der Baubranche werde die Pandemie im laufenden Quartal nicht spurlos vorübergehen. Weniger investitionsfreudige Unternehmen, fehlende Arbeitskräfte und unterbrochene Lieferketten sowie Einkommenseinbußen bei privaten
Haushalte dürften bei der bisher guten Nachfrage nach Bauleistungen zu Zurückhaltung führen.
Große Herausforderungen sehen die Forscher für den Arbeitsmarkt. Bereits im März sei die Erwerbstätigkeit bundesweit um 40.000 Personen zurückgegangen. Die geringfügige Beschäftigung sank um 100.000 Personen, das sei der stärkste je verzeichnete Rückgang bei Minijobs. Die Kurzarbeit schnellte im März auf zwei Millionen Bezieher hoch, im Februar seien es noch 132.000 gewesen, so das DIW. Im zweiten Quartal steige die Zahl der Kurzarbeiter voraussichtlich auf über sechs Millionen.
Beim privaten Verbrauch rechnen die Wissenschaftler im zweiten Quartal mit einem zweistelligen Rückgang. Schuld sei zum Einen die zeitweise eingeschränkten oder völlig unterbrochenen Konsummöglichkeiten, zum anderen die Verunsicherung der Konsumenten, die Ausgaben zurückstellten. „Alles in allem sinken die verfügbaren Einkommen in diesem Jahr um 2,5 Prozent, im Jahresdurchschnitt wird ein viel größerer Teil hiervon gespart“, heißt es im Bericht.
Rückgänge bei den Steuereinnahmen um bis zu zehn Prozent setzen nicht zuletzt die Kommunen und Sozialkassen unter Druck.
Thüringen zahlte bislang
325 Millionen Euro Soforthilfe
Die Konjunkturprogramme sehen die Forscher positiv für den Neustart der Wirtschaft. Zusätzlichen Bedarf sieht man allerdings bei Zukunftsinvestitionen in Schlüsseltechnologien, innovative Gründungen, effektive Bildungssysteme und umweltschonende Umweltstrukturen. „Die deutsche Wirtschaft braucht einen Impuls, der die Nachfrage anregt und gleichzeitig zukünftige Probleme adressiert. Wir reden schon seit längerer Zeit über Dekarbonisierung, Digitalisierung und Fragen im Bereich der Bildung.
Jetzt ist die Gelegenheit, diese offensichtlichen Schwächen zu adressieren und das Wachstumspotenzial der Wirtschaft zu stärken“, mahnt Konjunkturchef Claus Michelsen.
Thüringen hat laut Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee bisher 325 Millionen Euro Soforthilfe an Wirtschaft, Landwirtschaft und Vereine ausgezahlt. „47.000 Anträge sind entschieden.“Die Hilfen zeigten, dass die Politik in der Corona-krise handlungsfähig war, so Tiefensee am Mittwoch im Landtag.
In Thüringen seien die Probleme vor allem in der Automobil- und deren Zulieferindustrie gravierend. Geachtet werden müsste auch auf das Gastgewerbe, die Reisebranche sowie die vielen Solo-selbstständigen, „die vom Bund schlecht behandelt werden“. Trotzdem zeigte sich Tiefensee zuversichtlich, dass nach dem Einbruch in diesem Jahr 2021 wieder Wirtschaftswachstum möglich ist. Tiefensee: „Wir haben kein marodes Fundament.“