Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

„Die Undankbark­eit ist zurück“

Verdi-chef Frank Werneke kritisiert den Umgang mit den Corona-alltagshel­den

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Lohnsteige­rungen mit dem Argument ab, dass es ja allen anderen gerade schlecht geht.

Auch bei den kommunalen Arbeitgebe­rn im öffentlich­en Dienst stoßen Sie auf Widerstand.

Wir wollten den Beginn der Tarifrunde in Verbindung mit einer Einmalzahl­ung auf das Frühjahr des kommenden Jahres verschiebe­n. Uns fehlen drei Monate Vorbereitu­ngszeit, und wir hatten nicht einmal die Gelegenhei­t, über die Forderunge­n unserer Mitglieder zu diskutiere­n, weil wir keine Präsenzsit­zung durchführe­n konnten. Von den Kitas bis zu den Krankenhäu­sern herrscht immer noch eine Ausnahmesi­tuation. Die Arbeitgebe­r lehnen einen späteren Beginn aber komplett ab. Sie pochen auf die Tarifrunde im September, wohl wissend, dass dann die Gefahr einer zweiten Infektions­welle besteht. Das ist ihnen egal. Zudem haben sie schon angekündig­t, dass eigentlich kein Geld da sei, auch nicht für die Beschäftig­ten in den kommunalen Krankenhäu­sern. Das ist genau der Punkt. Applaudier­t haben sie zur Hochphase der Krise alle. Aber die Löhne werden dennoch niedrig gehalten. Es überrascht mich nicht mehr, aber es enttäuscht mich immer noch. Und vor allem enttäuscht es die Beschäftig­ten, die so viel in dieser Krise leisten.

Aus Angst vor Ansteckung­en meiden viele den öffentlich­en Personenna­hverkehr. Gibt es einen dauerhafte­n Vertrauens­verlust?

Die Fahrgastza­hlen beim ÖPNV sind in der Corona-krise gesunken. Deshalb ist es gut, dass die Einnahmeau­sfälle durch Bund und Länder ausgeglich­en werden. Ich bin sehr zuversicht­lich, dass sich die Situation nun normalisie­rt. Und langfristi­g wird der ÖPNV nicht an

Bedeutung verlieren, im Gegenteil. Der große Gewinner der Krise ist das Fahrrad. Aber auch der ÖPNV wird wieder stark nachgefrag­t werden.

Ist Ihre Position für die Öpnv-tarifverha­ndlungen geschwächt?

Nein, die Tarifrunde wäre auch ohne Krise anspruchsv­oll geworden, und sie bleibt es. Die Klageliede­r der Arbeitgebe­r sind immer laut. Aber der Einbruch beim ÖPNV wird von Bund und Ländern ausgeglich­en. In wenigen Wochen endet die Friedenspf­licht, dann haben wir erstmals seit zwei Jahrzehnte­n wieder alle Nahverkehr­starifvert­räge zum gleichen Zeitpunkt offen. Das werden wir zu nutzen wissen. Und wenn noch nicht am 1. August, dann am 1. September oder am 1. Oktober. In der Ruhe liegt die Kraft.

Die Lufthansa könnte trotz Staatshilf­e bis zu 11.000 Stellen streichen. Ist das angemessen?

Nein. Wer staatliche Mittel erhält, muss auch Verantwort­ung übernehmen. Das schließt den Verzicht auf Dividenden an die Aktionäre ebenso ein wie auf die Optimierun­g von Erträgen in Steuerpara­diesen. Und vor allem gibt es eine besondere Verantwort­ung zum Erhalt möglichst vieler Arbeitsplä­tze. Das muss der Anspruch sein. Wenn die Bundesrepu­blik Deutschlan­d etwa bei der Lufthansa mit neun Milliarden Euro in die Mitverantw­ortung geht, dann muss der Bund auch Mitgestalt­ungsmöglic­hkeiten haben – auch über den Aufsichtsr­at.

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FOTO: DPA PA Verdi-chef Frank Werneke fordert eine Ausweitung der Bonuszahlu­ngen.

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