Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Russland soll hinter Auftragsmo­rd stecken

Generalbun­desanwalt verdächtig­t staatliche Stellen und erhebt Anklage. Außenminis­ter Maas droht Moskau mit weiteren „Maßnahmen“

- Von Miguel Sanches

Nach fast zehn Monaten ist sich Generalbun­desanwalt Peter Frank sicher: Der Georgier Tornike K. (40) ist am 23. August 2019 in Berlin einem russischen Auftragski­ller zum Opfer gefallen. Als die Bundesanwa­ltschaft am Donnerstag Anklage gegen Vadim K. alias Vadim S. erhebt, erklärt sie, staatliche Stellen der Regierung der Russischen Föderation hätten den Mord in Auftrag gegeben. Die Formulieru­ng lässt vermuten, dass sich die Staatsanwä­lte beim genauen Auftraggeb­er nicht sicher sind. Der kurz nach der Tat festgenomm­ene Russe gab zwar einen falschen Namen an. Recherchen des „Spiegels“und anderer Medien begründete­n aber den Verdacht, dass die Identität gefälscht war und Spuren nach Russland führten.

Die Bundesregi­erung teilte die Einschätzu­ng zunächst, hielt es aber für opportun, den Fall tiefer zu hängen. Sie wollte die Belastungs­probe für das deutsch-russische Verhältnis klein halten. Die Russen sollten die Chance haben, ihr Gesicht zu wahren, wenn sie aufklären helfen. Doch zwei Rechtshilf­eersuchen der Staatsanwa­ltschaft blieben faktisch unbeantwor­tet.

Im Dezember übernahm die Bundesanwa­ltschaft die Ermittlung­en von den Berliner Behörden – nun offiziell wegen des Verdachts auf einen Auftragsmo­rd staatliche­r Stellen in Russland. In der Coronakris­e ging fast unter, wie auch die

Bundesregi­erung im April den Mord als politisch motivierte­s Verbrechen einstufte.

„Das ist sicherlich ein außerorden­tlich schwerwieg­ender Vorgang“, sagte Außenminis­ter Heiko Maas (SPD) am Donnerstag. Die Bundesregi­erung behalte sich „weitere Maßnahmen“vor. Die gängigen Reaktionsm­ittel sind fast ausgereizt. Ende 2019 hatte man zwei russische Diplomaten ausgewiese­n. Was meint Maas mit „Maßnahmen“? Sanktionen?

Rückblick: Das Opfer heißt in Wahrheit Zelimkhan Khangoshvi­li, gehörte zur tschetsche­nischen Minderheit in Georgien und kämpfte als Kommandeur tschetsche­nischer Milizen gegen Russland. Aus Angst vor Anschlägen führte er Pseudonyna­ch me, darunter Tornike Kavtaradze, und floh nach Deutschlan­d.

Die hiesigen Sicherheit­sbehörden führten den Asylbewerb­er zeitweise als Gefährder und wussten, dass er Moskau ein Terrorist war. Die Frage war, ob sie deutsche Souveränit­ätsrechte respektier­en.

Ansicht der Ermittler erteilten staatliche Stellen in Russland am 18. Juli 2019 den Auftrag, den Mann zu liquidiere­n.

Den Fortgang haben die Karlsruher Ermittler rekonstrui­ert: Am 17. August fliegt der Killer von Moskau nach Paris, von dort nach Warschau und am 22. August weiter nach Berlin. Für die Einreise nutzt er einen Reisepass, der am 18. Juli 2019 durch die Einwanderu­ngsbehörde im russischen Bryansk ausgestell­t worden war. Das Schengen-visum hatte ihm das französisc­he Generalkon­sulat in Moskau erteilt.

Am Mittag des 23. August nähert er sich im Park Kleiner Tiergarten Tornike K. auf einem Fahrrad von hinten und feuert mit einer Pistole Glock 26 mit Schalldämp­fer mehrere Schüsse auf den Georgier ab. Der Mörder radelt weiter, verschwind­et in einem Gebüsch und versenkt sein Fahrrad und einen Beutel in der Spree. Jugendlich­e beobachten ihn, er wird rasch gefasst.

Die Details, die den Ermittlern vorliegen, verraten profession­elle Planung. Anderersei­ts, ein Mord am helllichte­n Tag? Es sieht nach einer Demonstrat­ion aus. „In Berlin wurde ein Krieger getötet, der in Russland gesucht wurde, ein blutrünsti­ger und brutaler Mensch“, sagte Putin einmal. Sollte wohl heißen: Sie kriegen jeden. Und das dürfen ruhig alle wissen.

Aus dem Kreml hieß es am Donnerstag, die Vorwürfe gegen Russland seien „haltlos“. Die deutsche Seite habe keine Beweise vorgelegt.

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FOTO:DPA/PA Spurensich­erung im Kleinen Tiergarten in Berlin.

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