Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
Russland soll hinter Auftragsmord stecken
Generalbundesanwalt verdächtigt staatliche Stellen und erhebt Anklage. Außenminister Maas droht Moskau mit weiteren „Maßnahmen“
Nach fast zehn Monaten ist sich Generalbundesanwalt Peter Frank sicher: Der Georgier Tornike K. (40) ist am 23. August 2019 in Berlin einem russischen Auftragskiller zum Opfer gefallen. Als die Bundesanwaltschaft am Donnerstag Anklage gegen Vadim K. alias Vadim S. erhebt, erklärt sie, staatliche Stellen der Regierung der Russischen Föderation hätten den Mord in Auftrag gegeben. Die Formulierung lässt vermuten, dass sich die Staatsanwälte beim genauen Auftraggeber nicht sicher sind. Der kurz nach der Tat festgenommene Russe gab zwar einen falschen Namen an. Recherchen des „Spiegels“und anderer Medien begründeten aber den Verdacht, dass die Identität gefälscht war und Spuren nach Russland führten.
Die Bundesregierung teilte die Einschätzung zunächst, hielt es aber für opportun, den Fall tiefer zu hängen. Sie wollte die Belastungsprobe für das deutsch-russische Verhältnis klein halten. Die Russen sollten die Chance haben, ihr Gesicht zu wahren, wenn sie aufklären helfen. Doch zwei Rechtshilfeersuchen der Staatsanwaltschaft blieben faktisch unbeantwortet.
Im Dezember übernahm die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen von den Berliner Behörden – nun offiziell wegen des Verdachts auf einen Auftragsmord staatlicher Stellen in Russland. In der Coronakrise ging fast unter, wie auch die
Bundesregierung im April den Mord als politisch motiviertes Verbrechen einstufte.
„Das ist sicherlich ein außerordentlich schwerwiegender Vorgang“, sagte Außenminister Heiko Maas (SPD) am Donnerstag. Die Bundesregierung behalte sich „weitere Maßnahmen“vor. Die gängigen Reaktionsmittel sind fast ausgereizt. Ende 2019 hatte man zwei russische Diplomaten ausgewiesen. Was meint Maas mit „Maßnahmen“? Sanktionen?
Rückblick: Das Opfer heißt in Wahrheit Zelimkhan Khangoshvili, gehörte zur tschetschenischen Minderheit in Georgien und kämpfte als Kommandeur tschetschenischer Milizen gegen Russland. Aus Angst vor Anschlägen führte er Pseudonynach me, darunter Tornike Kavtaradze, und floh nach Deutschland.
Die hiesigen Sicherheitsbehörden führten den Asylbewerber zeitweise als Gefährder und wussten, dass er Moskau ein Terrorist war. Die Frage war, ob sie deutsche Souveränitätsrechte respektieren.
Ansicht der Ermittler erteilten staatliche Stellen in Russland am 18. Juli 2019 den Auftrag, den Mann zu liquidieren.
Den Fortgang haben die Karlsruher Ermittler rekonstruiert: Am 17. August fliegt der Killer von Moskau nach Paris, von dort nach Warschau und am 22. August weiter nach Berlin. Für die Einreise nutzt er einen Reisepass, der am 18. Juli 2019 durch die Einwanderungsbehörde im russischen Bryansk ausgestellt worden war. Das Schengen-visum hatte ihm das französische Generalkonsulat in Moskau erteilt.
Am Mittag des 23. August nähert er sich im Park Kleiner Tiergarten Tornike K. auf einem Fahrrad von hinten und feuert mit einer Pistole Glock 26 mit Schalldämpfer mehrere Schüsse auf den Georgier ab. Der Mörder radelt weiter, verschwindet in einem Gebüsch und versenkt sein Fahrrad und einen Beutel in der Spree. Jugendliche beobachten ihn, er wird rasch gefasst.
Die Details, die den Ermittlern vorliegen, verraten professionelle Planung. Andererseits, ein Mord am helllichten Tag? Es sieht nach einer Demonstration aus. „In Berlin wurde ein Krieger getötet, der in Russland gesucht wurde, ein blutrünstiger und brutaler Mensch“, sagte Putin einmal. Sollte wohl heißen: Sie kriegen jeden. Und das dürfen ruhig alle wissen.
Aus dem Kreml hieß es am Donnerstag, die Vorwürfe gegen Russland seien „haltlos“. Die deutsche Seite habe keine Beweise vorgelegt.