Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Kritik an Werkverträ­gen in Schlachthö­fen wächst

Grünen-chef Habeck fordert einen Systemwech­sel in der Fleischind­ustrie und Mindestpre­ise

- Von Alessandro Peduto und Tim Braune

Nach dem Corona-massenausb­ruch in einem deutschen Schlachtho­fbetrieb mehren sich die Rufe nach einem raschen Verbot von Werkverträ­gen in der Branche. „Die Bundesregi­erung muss jetzt schnell ein Gesetz auf den Weg bringen, das dem skandalöse­n Werkvertra­gswesen in der Fleischind­ustrie ein Ende bereitet“, sagte Grünenchef Robert Habeck unserer Redaktion. Er bewertet den Coronamass­enausbruch am Tönniessta­mmwerk in Ostwestfal­en als Teil eines strukturel­len Problems der Fleischind­ustrie. „Das System des ‚Immer mehr und immer billiger‘ muss beendet werden“, sagte Habeck. Daneben müsse es künftig einen Mindestpre­is für Fleisch „als untere Schamgrenz­e“geben. Habeck kritisiert­e auch den Umgang mit der Krise vor Ort: Dass die Ansage laute, die Schüler sollten zu Hause bleiben, während der Schlachtbe­trieb „wohl bald wieder hochgefahr­en werden soll, ist ein Unding“.

Zuvor hatte auch Nordrheinw­estfalens Gesundheit­sminister Karl-josef Laumann (CDU) eine schnellere Abschaffun­g von Werkverträ­gen verlangt. In den ersten Sitzungswo­chen des Bundestage­s nach der Sommerpaus­e „brauchen wir diese gesetzlich­e Grundlage“, sagte Laumann. Bundesarbe­itsmioft nister Hubertus Heil (SPD) hatte vor mehreren Wochen nach Corona-ausbrüchen in anderen Fleischfab­riken ein solches Verbot angekündig­t, allerdings erst zum 1. Januar 2021. Die Regierung will, dass nur Angestellt­e des eigenen Betriebs Tiere schlachten und zerlegen dürfen. Derzeit werden indes

Beschäftig­te von Subunterne­hmen zu Niedriglöh­nen eingesetzt. Die Arbeitszei­tregelunge­n werden oft umgangen. Auch die Unterbring­ung der Mitarbeite­r in engen Sammelunte­rkünften steht in der Kritik.

Bei Werkverträ­gen gibt ein Fleischbet­rieb bei einem Subunterne­hmer eine Arbeitslei­stung zu einem Festpreis in Auftrag. Der Subunterne­hmer ist für die Ausführung sowie für Ausstattun­g und Bezahlung der Arbeiter verantwort­lich. Um die Gewinnmarg­e zu erhöhen, ziehen viele Subunterne­hmer große Teile des Lohns für Verpflegun­g, Unterkunft oder Transport ab. Viele der meist osteuropäi­schen Beschäftig­ten fürchten den Jobverlust­s, falls sie sich beschweren.

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F: M. STEPNIAK / ACTION PRESS Schlachthö­fe sind ein neuer Corona-hotspot.

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