Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
Kritik an Werkverträgen in Schlachthöfen wächst
Grünen-chef Habeck fordert einen Systemwechsel in der Fleischindustrie und Mindestpreise
Nach dem Corona-massenausbruch in einem deutschen Schlachthofbetrieb mehren sich die Rufe nach einem raschen Verbot von Werkverträgen in der Branche. „Die Bundesregierung muss jetzt schnell ein Gesetz auf den Weg bringen, das dem skandalösen Werkvertragswesen in der Fleischindustrie ein Ende bereitet“, sagte Grünenchef Robert Habeck unserer Redaktion. Er bewertet den Coronamassenausbruch am Tönniesstammwerk in Ostwestfalen als Teil eines strukturellen Problems der Fleischindustrie. „Das System des ‚Immer mehr und immer billiger‘ muss beendet werden“, sagte Habeck. Daneben müsse es künftig einen Mindestpreis für Fleisch „als untere Schamgrenze“geben. Habeck kritisierte auch den Umgang mit der Krise vor Ort: Dass die Ansage laute, die Schüler sollten zu Hause bleiben, während der Schlachtbetrieb „wohl bald wieder hochgefahren werden soll, ist ein Unding“.
Zuvor hatte auch Nordrheinwestfalens Gesundheitsminister Karl-josef Laumann (CDU) eine schnellere Abschaffung von Werkverträgen verlangt. In den ersten Sitzungswochen des Bundestages nach der Sommerpause „brauchen wir diese gesetzliche Grundlage“, sagte Laumann. Bundesarbeitsmioft nister Hubertus Heil (SPD) hatte vor mehreren Wochen nach Corona-ausbrüchen in anderen Fleischfabriken ein solches Verbot angekündigt, allerdings erst zum 1. Januar 2021. Die Regierung will, dass nur Angestellte des eigenen Betriebs Tiere schlachten und zerlegen dürfen. Derzeit werden indes
Beschäftigte von Subunternehmen zu Niedriglöhnen eingesetzt. Die Arbeitszeitregelungen werden oft umgangen. Auch die Unterbringung der Mitarbeiter in engen Sammelunterkünften steht in der Kritik.
Bei Werkverträgen gibt ein Fleischbetrieb bei einem Subunternehmer eine Arbeitsleistung zu einem Festpreis in Auftrag. Der Subunternehmer ist für die Ausführung sowie für Ausstattung und Bezahlung der Arbeiter verantwortlich. Um die Gewinnmarge zu erhöhen, ziehen viele Subunternehmer große Teile des Lohns für Verpflegung, Unterkunft oder Transport ab. Viele der meist osteuropäischen Beschäftigten fürchten den Jobverlusts, falls sie sich beschweren.