Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
„Eine Pauschalreise kann man jederzeit stornieren“
Experte berät zu Fragen rund um das Reiserecht
Die Reisewarnung des Auswärtigen Amtes für die meisten Eu-länder und für weitere europäische Länder ist aufgehoben. Doch vielen Menschen ist die Lust auf Urlaub im Ausland vergangen – sie wollen am liebsten stornieren. Andere befürchten wegen der Corona-pandemie starke Einschränkungen in ihrem Traumurlaub. Welche Rechte Leser gegenüber Reiseunternehmen haben, ob eine kostenlose Stornierung möglich ist und ob die Kreuzschifffahrt wirklich ins Wasser fallen muss, erläutert Ralf Reichertz von der Verbraucherzentrale Thüringen.
Ich habe meine für den Herbst geplante Pauschalreise ins Riesengebirge storniert – am 22. Mai per Brief und am 7. Juni nochmals per Einschreiben. Bisher kam keine Antwort. Was kann ich tun?
Eine Pauschalreise können Sie jederzeit stornieren, auch wenn eine Reise in das Land wieder möglich ist. Je später sie dies tun, desto höher die Stornokosten. Die Stornierung sollten Sie grundsätzlich immer per Einwurfeinschreiben oder per Fax versenden. Über die Sendungsverfolgung können Sie überprüfen, ob die Stornierung angekommen ist. Jetzt ist es am Reiseveranstalter, Ihnen den Rücktritt zu bestätigen. Achten Sie darauf, dass die Stornokosten nicht zu hoch ausfallen: Bei Stornierung vier Wochen vor Reisebeginn sind nach unserer Auffassung maximal 20 bis 25 Prozent des Reisepreises angemessen.
Mitte Juli wollte ich nach Südengland fahren. Die gebuchte Busreise klingt unter den derzeitigen Einschränkungen aber nur noch wenig verlockend. Wie komme ich aus dem Vertrag raus?
Die Reisewarnung nach Großbritannien ist aufgehoben. Das Auswärtige Amt weist aber auf eine 14-tägige Quarantäne für Rückkehrer aus Großbritannien hin und rät deshalb derzeit von nicht notwendigen, touristischen Reisen ab. Informieren Sie sich über die geltenden Einreisebeschränkungen für deutsche Touristen auf der Webseite des Auswärtigen Amtes. Großbritannien überprüft die Quarantäneregelungen alle drei Wochen. Wenn Sie dort in häusliche Quarantäne müssten, ist dies unserer Ansicht nach unzumutbar und sie könnten den Vertrag ohne Kosten stornieren. Warten Sie bis Ende Juni ab, ob Großbritannien seine Quarantäneregelung verlängert, und stornieren Sie dann gegebenenfalls, indem Sie auf die Auswirkungen aufgrund von Covid-19 beziehungsweise auf die unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umstände verweisen. Wird die Quarantäneregelung aufgehoben, muss im Einzelfall geprüft werden, ob Sie wegen Mängeln mindern können.
Für unseren Schweden-urlaub Ende Juli wird die letzte Anzahlung fällig. Der geplante Städtetrip wird wegen der Pandemie wohl kaum wie geplant stattfinden. Soll ich dennoch zahlen?
Für Schweden gilt derzeit eine faktische Reisewarnung des Auswärtigen Amtes, die sich aber unter bestimmten Bedingungen ändern kann. Zahlen Sie die letzte Rate vorerst nicht. Schreiben Sie den Reiseveranstalter an, dass Sie Unsicherheitseinrede nach §321 BGB erheben. Begründen Sie dies damit, dass es unsicher ist, ob der Veranstalter nach Ihrer Vorleistung die Reise tatsächlich wie gebucht durchführen kann. Stornieren Sie erst, wenn die Einreisebestimmungen verlängert werden.
Zählen Kreuzfahrten zu den Pauschalreisen? Ich gehöre zur Risikogruppe und überlege, meine für Mitte September geplante Schiffsreise nach Schweden zu stornieren.
Eine Pauschalreise umfasst mindestens zwei Reiseleistungen, das heißt neben Übernachtung und Verpflegung noch mindestens die An- oder Abreise oder diverse Service-leistungen an Bord beziehungsweise Ausflüge vor Ort. Das ist bei Ihnen definitiv der Fall. In Schweden gelten bislang noch Einreisebeschränkungen, die nach unserer Ansicht eine kostenlose Stornierung ermöglichen.
Fallen diese Regelungen weg, müssen Sie die aktuellen Hygieneregeln an Bord prüfen. Besprechen Sie mit einem Arzt, ob diese Auflagen vor Ort dazu führen, dass Ihnen die Reise aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich ist, und lassen Sie sich dies gegebenenfalls mit einem Attest bestätigen. Wenn Sie stornieren, begründen Sie dies mit den Auswirkungen aufgrund von Covid-19, die unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände darstellen.
Mit meiner Tochter habe ich für Mitte September eine Schiffsreise ans Mittelmeer gebucht. Wir möchten die Reise nicht antreten, weil zahlreiche Clubschiff-leistungen wie Buffets oder Theateraufführungen wegfallen.
Das Auswärtige Amt rät zum jetzigen Zeitpunkt wegen der besonderen Risiken von einer Kreuzfahrt-teilnahme ab. Eine Flussdurchfahrt ist davon ausgenommen. Sie sollten bis Ende August abwarten, ob die Reisewarnung bestehen bleibt. Ich verstehe, dass Sie gerne Klarheit möchten und nicht solange abwarten möchten. Sie haben auch die Möglichkeit, die Reise jederzeit zu stornieren. Dann können allerdings Stornokosten fällig werden. Begründen Sie Ihre Stornierung unbedingt mit Einschränkungen aufgrund von Covid-19. Bestreiten Sie die Stornokosten zunächst und warten Sie die Situation im September ab. Gilt die Reisewarnung noch bis Ende September, ist die Situation klar und Sie haben sich möglicherweise den Anspruch auf die komplette Rückerstattung gesichert.
Ich wollte eigentlich gern von Erfurt aus nach Bulgarien fliegen. Reicht die Tatsache, dass ich von einem anderen Flughafen starten muss, als Grund für eine Stornierung aus?
Hier sind Ihre Aussichten größer, wenn Sie Minderungsansprüche geltend machen. Ändert sich der Ort des Abflugs nachträglich, muss Ihnen der Reiseveranstalter eine Transportmöglichkeit zum anderen Flughafen bereitstellen. Auch wenn sich die Anreisezeiten ändern, ist dies kein Grund, vom Reisevertrag zurückzutreten. Eventuell können Sie nach der Fluggastrechteverordnung Ansprüche gegenüber der Airline geltend machen und aufgrund einer Verspätung von mehr als vier Stunden Ansprüche gegenüber dem Reiseveranstalter.
Auch ich plane Urlaub im Ausland, mache mir aber Sorgen, weil die Bundesregierung angekündigt hat, bei Ausbruch einer zweiten Infektionswelle niemanden zurückzuholen.
Kommt es zu einer zweiten Infektionswelle mit Covid-19 an Ihrem Urlaubsort und Sie befinden sich aktuell dort, ist es Aufgabe des Reiseveranstalters, den Rücktransport seiner Urlauber im Pandemiefall zu organisieren.