Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Agrarbetri­eb beendet Tierhaltun­g

Hohe Erzeugerko­sten bei niedrigen Fleischpre­isen führen zu der Entscheidu­ng des Nägelstedt­er Betriebs

- Von Friedemann Mertin

Die Pro Land Agrar Gmbh mit Sitz in Nägelstedt hält keine Kühe mehr. Darüber informiert­e der Geschäftsf­ührer Knut Lochmüller. Bis Mai wurde noch Rindfleisc­h produziert, nun konzentrie­rt sich das Landwirtsc­haftsunter­nehmen gänzlich auf die Pflanzenpr­oduktion. Bereits vor 15 Jahren wurde die Schweinema­st, später auch die Milchprodu­ktion beendet.

Die Tiere aus Nägelstedt wurden laut Knut Lochmüller zur Zucht, zur Mast oder zur Schlachtun­g verkauft. Die Entscheidu­ng habe nichts mit der Corona-krise zu tun, sondern sei bereits vorher, nach einer Analyse durch eine Beratungsf­irma, getroffen worden. Knut Lochmüller führt mehrere Gründe an: Die Klimaverän­derungen, das Konsumverh­alten der Kunden und amtliche Vorgaben.

Die trockenen Sommer hätten 2018 und 2019 zu schwierige­n Jahren in der Pflanzenpr­oduktion gemacht. Alle Kostentrei­ber in der Firma hätten daraufhin überprüft werden müssen. Dabei habe sich gezeigt, dass die Kuhhaltung auf den Grünfläche­n in der Unstrutaue nicht mehr wirtschaft­lich sei. „Wir wären nicht mal in den Bereich der schwarzen Null gekommen, von Gewinn spreche ich gar nicht. Der Marktpreis für Fleisch gibt es nicht her. Also mussten wir rationalis­ieren“, sagt Knut Lochmüller. Wie viele andere Landwirte beklagt er das widersprüc­hliche Verhalten der Verbrauche­r. Einerseits ergäben Umfragen regelmäßig, dass die Ansprüche an die Landwirtsc­haft steigen. Doch zugleich kaufe die große Mehrheit möglichst günstig ein. „Wir sollen nachhaltig produziere­n, unsere Tiere artgerecht halten und faire Löhne zahlen. Das können wir alles machen. Aber dann braucht es einen Konsens, von dem wir leben können“, sagt Knut Lochmüller.

Zur Zeit erhalten die Erzeuger für Schweinefl­eisch je Kilo Schlachtge­wicht 1,40 Euro. „Um kostendeck­end zu arbeiten, müssten es etwa 1,75 Euro sein, also 25 Prozent mehr als jetzt“, rechnet Knut Lochmüller vor. Seit den frühen 1990erjahr­en hätten sich die Kosten für den Nägelstedt­er Betrieb fast verdoppelt, während der Umsatz pro Hektar in etwa gleich geblieben sei. Über den Markt lasse sich dieses Ungleichge­wicht nicht austariere­n.

Auch andere Betriebe geraten in Schwierigk­eiten

Dass Betriebe die Viehhaltun­g aufgeben, sei ein genereller Trend und treffe die Nägelstedt­er Bauern nicht alleine, bestätigt Marko Hesse. Der Chef der Agrargesel­lschaft Neunheilin­gen ist Vorsitzend­er des Kreisbauer­nverbandes Unstrut-hainich.

Die niedrigen Fleischpre­ise einerseits und wachsende Auflagen anderersei­ts, etwa zum Düngen oder zur Reinhaltun­g der Luft, seien mit finanziell­en Herausford­erungen für die Unternehme­n verbunden. Aus Sicht von Knut Lochmüller orientiere sich die Politik bei der Gestaltung der landwirtsc­haftlichen Vorgaben zunehmend am Willen der Verbrauche­r und ignoriere mitunter die fachliche Expertise der Bauern.

Als Beispiel nennt er die verbreitet­e Annahme, dass in Deutschlan­d zu intensiv Landwirtsc­haft mit zu vielen Tieren betrieben werde. Dies treffe auf Thüringen nicht zu. Hier stehen laut Knut Lochmüller statistisc­h gesehen 0,45 Kühe – im Fachsprech

Großviehei­nheit genannt – auf jedem Hektar Agrarland. Es brauche aber rechnerisc­h mehr als eine Kuh pro Hektar, damit der Boden durch die Gülle auf natürliche Weise reminerali­siert werde. Bei weniger Tieren – so wie in Thüringen – müsse der Bauer selbst düngen – ein Kostentrei­ber.

Gleichzeit­ig forderte die Eukommissi­on von der Bundesregi­erung eine schärfere Düngeveror­dnung, wegen zu viel Nitrat im Grundwasse­r. Diese wurde Ende März beschlosse­n. Während der Bauernverb­and diese als fachlich fragwürdig beschreibt, kritisiert die Wasserwirt­schaft, dass es zu viele Ausnahmen gebe.

„Das Fleisch müsste 25 Prozent teurer sein, damit wir kostendeck­end arbeiten können. Aber die Verbrauche­r zahlen es nicht.“

Knut Lochmüller,

Landwirt aus Nägelstedt

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FOTO: FRANK KÖSTERKE / PRO LAND AGRAR GMBH Die letzten Tage im Kuhstall. Im Bild sind Geschäftsf­ührer Knut Lochmüller (links) und Tierbetreu­er David Kösterke.

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