Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
Raserunfall bleibt Mord
Zwei junge Berliner fuhren Rentner tot. Für einen der Täter bleibt es bei lebenslänglich
Es war Mord, sagen die Karlsruher Richter. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich am Donnerstag mit dem Fall der beiden Raser beschäftigt, die bei einem illegalen Autorennen mitten in Berlin einen 69 Jahre alten Mann totgefahren hatten. Vier Jahre ist das her, die Strafsache wurde vor Gerichten seitdem immer wieder neu aufgerollt, die beiden Unfallverursacher wurden zu lebenslangen Freiheitsstrafen wegen Mord verurteilt. Doch ob dieses harte Urteil Bestand habe würde, war bislang unklar. Nun hat der BGH eine Entscheidung verkündet: Die Richter haben das Mordurteil bestätigt – allerdings nur teilweise.
Der Reihe nach: Es geht um zwei Angeklagte, Hamdi H. (31) und Marvin N. (28). Sie hatten sich am 1. Februar 2016 über eine Strecke von etwa 1,5 Kilometern in der Berliner Innenstadt ein Autorennen geliefert. Sie rasten den Kudamm entlang auf eine Kreuzung zu, die roten Ampeln ignorierten sie. Dort rammte Hamdi H. mit 160 bis 170 Stundenkilometern ein Auto, das aus einer Seitenstraße kam. Der Fahrer des Jeeps, der durch den seitlichen Aufprall 25 Meter durch die Luft geschleudert wurde, hatte keine Überlebenschance.
Der BGH lehnte die Revision von Hamdi H. gegen den Schuldspruch des Berliner Landgerichts aus dem Jahr 2019 nun ab. „Auch die Bewertung der Tat als Mord ist im Ergebnis nicht zu beanstanden“, sagte die Vorsitzende Richterin des Vierten Strafsenats, Beate Sost-scheible, in der Urteilsbegründung. Der 31-Jährige muss also für lange Zeit ins Gefängnis. Jedoch: Der Prozess gegen Marvin N., dessen Wagen nicht mit dem Auto des Unfallopfers kollidiert war, muss neu aufgerollt werden. Seine Mittäterschaft sei nicht belegt. „Mittäterschaft setzt einen gemeinsamen Tatentschluss voraus“, sagte Sost-scheible. Den habe das Landgericht aber nicht tragfähig begründet.
Verurteilungen wegen Mord nach Autoraser-unfällen sind bislang selten. Der Sohn des Unfallopfers, Maximilian Warshitsky (39), nahm das Urteil mit gemischten Gefühlen auf. Er habe gehofft und erwartet, dass beide Urteile Bestand hätten, sagte er unserer Redaktion. Es gehe ihm nicht um Rachegefühle, sondern er hoffe auf eine abschreckende Wirkung. Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPOLG) sieht in der Karlsruher Entscheidung indes ein wichtiges Signal: Rasern werde klargemacht, „dass eine lebenslange Freiheitsstrafe drohen kann, wenn sie bei illegalen Autorennen Menschen töten“, so Dpolg-vorsitzender Rainer Wendt.
Der Sohn des Opfers hofft auf einen „kleinen Trost“
Der BGH beschäftigte sich bereits zum zweiten Mal mit dem Fall. Im Februar 2017 hatte das Berliner Landgericht beide Männer als Mörder verurteilt – es war das erste Mordurteil gegen Autoraser in Deutschland. Der Bundesgerichtshof hob es ein Jahr später wegen Rechtsfehlern wieder auf, der Prozess begann von vorn. Im März 2019 verhängte das Berliner Landgericht erneut lebenslange Haft wegen Mord.
Für Maximilian Warshitsky ist der Fall also noch nicht ausgestanden. „Ich werde aber bis zum bitteren Ende weitermachen“, sagte er. Er hoffe, dass auch Marvin N. wegen Mordes verurteilt werde. „Das macht zwar meinen Vater nicht wieder lebendig – auch nicht all die anderen, die davor und danach durch die Gleichgültigkeit von Rasern getötet wurden.“Allerdings wäre es ein „kleiner Trost“.