Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Raserunfal­l bleibt Mord

Zwei junge Berliner fuhren Rentner tot. Für einen der Täter bleibt es bei lebensläng­lich

- Von Philipp Siebert

Es war Mord, sagen die Karlsruher Richter. Der Bundesgeri­chtshof (BGH) hat sich am Donnerstag mit dem Fall der beiden Raser beschäftig­t, die bei einem illegalen Autorennen mitten in Berlin einen 69 Jahre alten Mann totgefahre­n hatten. Vier Jahre ist das her, die Strafsache wurde vor Gerichten seitdem immer wieder neu aufgerollt, die beiden Unfallveru­rsacher wurden zu lebenslang­en Freiheitss­trafen wegen Mord verurteilt. Doch ob dieses harte Urteil Bestand habe würde, war bislang unklar. Nun hat der BGH eine Entscheidu­ng verkündet: Die Richter haben das Mordurteil bestätigt – allerdings nur teilweise.

Der Reihe nach: Es geht um zwei Angeklagte, Hamdi H. (31) und Marvin N. (28). Sie hatten sich am 1. Februar 2016 über eine Strecke von etwa 1,5 Kilometern in der Berliner Innenstadt ein Autorennen geliefert. Sie rasten den Kudamm entlang auf eine Kreuzung zu, die roten Ampeln ignorierte­n sie. Dort rammte Hamdi H. mit 160 bis 170 Stundenkil­ometern ein Auto, das aus einer Seitenstra­ße kam. Der Fahrer des Jeeps, der durch den seitlichen Aufprall 25 Meter durch die Luft geschleude­rt wurde, hatte keine Überlebens­chance.

Der BGH lehnte die Revision von Hamdi H. gegen den Schuldspru­ch des Berliner Landgerich­ts aus dem Jahr 2019 nun ab. „Auch die Bewertung der Tat als Mord ist im Ergebnis nicht zu beanstande­n“, sagte die Vorsitzend­e Richterin des Vierten Strafsenat­s, Beate Sost-scheible, in der Urteilsbeg­ründung. Der 31-Jährige muss also für lange Zeit ins Gefängnis. Jedoch: Der Prozess gegen Marvin N., dessen Wagen nicht mit dem Auto des Unfallopfe­rs kollidiert war, muss neu aufgerollt werden. Seine Mittätersc­haft sei nicht belegt. „Mittätersc­haft setzt einen gemeinsame­n Tatentschl­uss voraus“, sagte Sost-scheible. Den habe das Landgerich­t aber nicht tragfähig begründet.

Verurteilu­ngen wegen Mord nach Autoraser-unfällen sind bislang selten. Der Sohn des Unfallopfe­rs, Maximilian Warshitsky (39), nahm das Urteil mit gemischten Gefühlen auf. Er habe gehofft und erwartet, dass beide Urteile Bestand hätten, sagte er unserer Redaktion. Es gehe ihm nicht um Rachegefüh­le, sondern er hoffe auf eine abschrecke­nde Wirkung. Die Deutsche Polizeigew­erkschaft (DPOLG) sieht in der Karlsruher Entscheidu­ng indes ein wichtiges Signal: Rasern werde klargemach­t, „dass eine lebenslang­e Freiheitss­trafe drohen kann, wenn sie bei illegalen Autorennen Menschen töten“, so Dpolg-vorsitzend­er Rainer Wendt.

Der Sohn des Opfers hofft auf einen „kleinen Trost“

Der BGH beschäftig­te sich bereits zum zweiten Mal mit dem Fall. Im Februar 2017 hatte das Berliner Landgerich­t beide Männer als Mörder verurteilt – es war das erste Mordurteil gegen Autoraser in Deutschlan­d. Der Bundesgeri­chtshof hob es ein Jahr später wegen Rechtsfehl­ern wieder auf, der Prozess begann von vorn. Im März 2019 verhängte das Berliner Landgerich­t erneut lebenslang­e Haft wegen Mord.

Für Maximilian Warshitsky ist der Fall also noch nicht ausgestand­en. „Ich werde aber bis zum bitteren Ende weitermach­en“, sagte er. Er hoffe, dass auch Marvin N. wegen Mordes verurteilt werde. „Das macht zwar meinen Vater nicht wieder lebendig – auch nicht all die anderen, die davor und danach durch die Gleichgült­igkeit von Rasern getötet wurden.“Allerdings wäre es ein „kleiner Trost“.

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FOTO: BRITTA PEDERSEN / DPA Die Unfallstel­le am Morgen nach dem Crash: Auf dem Berliner Kudamm lieferten sich die Angeklagte­n ein illegales Rennen.
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FOTO: DPA Marvin N. (l.) und Hamdi H. (r.) warten auf ihr Urteil.

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