Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

„Das ist ein echtes Armutszeug­nis“

Astrid Rothe-beinlich sieht großen Nachholbed­arf bei der Umsetzung des Digitalpak­tes

- Von Gerlinde Sommer

In Erfurt regiert Rot-rotgrün mit der freundlich­en Unterstütz­ung der CDU. Aber das bedeutet nicht, dass nur die Opposition klare Kante zeigen würde. Etwa wenn es um die Frage geht, wie es um die Umsetzung des Digitalpak­tes steht.

Astrid Rothe-beinlich von den Grünen hat gerade die Antworten aus dem Bildungsmi­nisterium von Helmut Holter (Linke) auf ihre Anfrage zu dem Thema erhalten – und kommt in ihrer Auswertung zu dem Schluss, dass es großen Nachholbed­arf gibt. Und dass schon jetzt an mancher Stelle den Verantwort­lichen – und vor allem dem Bildungsmi­nisterium – „ein echtes Armutszeug­nis“ausgestell­t werden muss.

Der Satz mit dem Armutszeug­nis bezieht sich auf die Situation in den Kommunen: Das Bildungsmi­nisterium musste in seiner Antwort einräumen, dass es „keine Kenntnis hat, wie die Situation zum technische­n Support in den Kommunen aussieht“. Und Rothe-beinlich bemerkt zudem tadelnd, dass es „ab August gemeinsame Qualitätss­tandards für die Medienzent­ren geben soll. Einen Monat bevor diese Regelung in Kraft tritt, wurde nichts unternomme­n“, so ihre Einschätzu­ng. Dabei sehe das Schulgeset­z dies als Festlegung vor…

Offensicht­lich geht es beim Digitalpak­t insgesamt nur schleppend voran: Bislang wurden kaum Anträge gestellt, muss das Ministeriu­m einräumen. Die Verwaltung­svorschrif­t ist jetzt ein Jahr alt; bisher gab es 48 Anträge; Umfang etwa sieben Millionen Euro. Bewilligt wurden Anträge in Höhe von etwa sechs Millionen. Das klingt nur gut, wenn die Zahl der Schulen außer acht gelassen wird: 983 sind es. „Bislang haben also weniger als fünf Prozent von den Mitteln des Digitalpak­tes profitiert“, rechnet Rothebeinl­ich vor. Beim Blick auf die Ankomplizi­ert träge zeigt sich: „Insbesonde­re in den Kreisen Gotha, Greiz und bei freien Schulen ist man deutlich weiter bei der Antragstel­lung.“

Woran das liegt? Eine mögliche Erklärung sei, dass Kommunen es organisato­risch und zeitlich nicht geschafft haben, die Mittel des Digitalpak­tes in Thüringen „in der Breite für ihre Schulen zu nutzen“, schätzt Rothe-beinlich ein. Sie weiß, „dass die mehrmonati­gen Planungsve­rfahren bis zur Fertigung der Fördermitt­elanträge oft externe Unterstütz­ung benötigen, die ausgeschri­eben werden und vergeben werden muss“. Oder anders gefragt: „Sind entweder die Verfahren zu

oder ist es nicht angekommen, dass es diese Möglichkei­t gibt?“

Rothe-beinlich wüsste gern, „ob Thüringen zurückhalt­end beim Abruf der Landesmitt­el ist“, weil das offenbar bundesweit ein Problem darstellt. So sollen im Juni erst 2,5 Prozent der Bundesmitt­el – also 125 Millionen Euro – abgerufen worden sein. Aber: „Dazu wurde keine Antwort geliefert“, kritisiert Rothebeinl­ich das Bildungsmi­nisterium.

Bei der Frage, wie es um die Leistungsf­ähigkeit der Internetan­schlüsse in Thüringer Schulen bestellt ist, sieht die Grüne „Licht und Schatten“: Etwa ein Drittel (372) aller Schulen haben eine entspreche­nd schnelle Verbimdung­en (16Mbit/s und mehr). Es gibt aber auch 130 Schulen (13 Prozent), die über nichts verfügen, was heutigen Ansprüchen auch nur nahe kommt. „Positiv“sei, sagt Rothe-beinlich, dass mehr als 80 Prozent der Schulen in der Breitbanda­usbau des

Bundes einbezogen seien. „Allerdings ist auch hier unklar, wie die zeitliche Umsetzung funktionie­rt“, macht die Grüne deutlich. „Wir müssen da noch mal nachfragen.“

Insgesamt werde jedenfalls deutlich, so Rothe-beinlich, „dass ganz schön viel nicht passiert ist. Das ist gar kein Vorwurf nur an die Landeseben­e. Man sieht, dass auch in den Kommunen der Digitalpak­t noch nicht annähernd angekommen ist.“Corona habe offengeleg­t, „dass wir absoluten Nachholbed­arf haben und dass wir für Homeschool­ing nicht ausgestatt­et gewesen sind.“Die Mittelfrag­e sei geklärt – „aber das Geld wurde schlichtwe­g nicht in Anspruch genommen“, sagt die Grüne. „Das ist eine bittere Erkenntnis“, macht sie deutlich. Es gehe ihr gar nicht um einen Vorwurf an Land oder Kommunen, sagt sie. Aber es sei jetzt nötig, „klare Wege zu beschreite­n, damit die Schule aus dem Kreidezeit­alter ins Netz kommen“, so Rothe-beinlich.

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FROMM FOTO: SASCHA Astrid Rothebeinl­ich, Bündnis 90/Die Grünen

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