Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
Die Schuldenfrage
Der Wirtschaftsminister will sein Konjunkturpaket mit langfristigen Krediten finanzieren
Die grüne Fraktion im Landtag machte vorige Woche den Anfang. Um die 100 Millionen Euro, erklärte sie, wolle sie in Thüringen zusätzlich ausgeben, für Energiewende, neue Radwege oder sogenannte Energiespargutscheine. Damit, hieß es, stärke man in der Corona-krise die Konjunktur und fördere gleichzeitig den Klimaschutz.
Die grüne Umweltministerin Anja Siegesmund bekräftigte am Freitag nochmals die Pläne, die sich bis Ende 2022 sogar auf 265 Millionen Euro summieren sollen. „Wir müssen jetzt einen enormen Kraftakt unternehmen, um die Rezession abzubremsen“, sagte sie dieser Zeitung. Für Investitionen in den Klimaschutz spreche zudem die Förderlogik: „Da auch die EU und der Bund gerade in diesem Bereich Programme auflegen, die wie immer eine Beteiligung der Länder vorschreiben, benötigen wir Gelder, um die Investitionen zu flankieren.“
Parallel dazu legte Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) nun nach. Und wie: Er schlägt ein Konjunkturpaket in Höhe von 1,2 Milliarden Euro vor, um das Land vor dem Abschwung zu bewahren. Auch sein „Thüringenfonds für Innovation und Wachstum“soll – neben vielem anderem – Investitionen in den Klimaschutz fördern.
„Wir sollten diese Krise nutzen, um Thüringen zu modernisieren“, sagte der Minister dieser Zeitung. „Abwarten ist keine Option.“Durch die Pandemie bestehe die akute Gefahr, dass vielen Unternehmen im Land die nötigen Gelder für Investitionen und die Entwicklung neuer Produkte fehlten. Hier müsse der Staat einspringen.
Für den Fonds bedient sich Tiefensee einer alten Idee aus Cdu-regierungszeiten: Ein sogenanntes Sondervermögen parallel zum normalen Haushalt, wobei dieses Vermögen von den Banken geborgt würde Er strebe eine möglichst langfristige Finanzierung des Fonds auf dem Kapitalmarkt an, sagte er. Dort dürften die Realzinsen vermutlich auch künftig unter Null liegen. Die Verbindlichkeiten sollten in einem Zeitraum von 20 Jahren oder länger wieder abgebaut werden.
Um allerdings die Tilgung über Jahrzehnte strecken zu können, müsste die Thüringer Schuldenbremse in der Landeshaushaltsordnung gelockert werden. Sie sieht vor, dass das Land nur ausnahmsweise Kredite „infolge von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen“aufnehmen darf – und diese dann binnen fünf Jahren wieder tilgen muss. Diese Frist soll nun nach dem Willen von Tiefensee wegfallen.
Theoretisch ist das möglich. Die Schuldenbremse hat – im Unterschied zum Bund – in Thüringen keinen Verfassungsrang. Und die Landeshaushaltsordnung ist ein einfaches Gesetz, das der Landtag mit ebenso einfacher Mehrheit ändern kann.
Praktisch steht aber nicht nur Tiefensees Parteifreundin und Finanzministerin Heike Taubert dagegen. Auch der grüne Koalitionspartner ist skeptisch. „Wer die Schuldenbremse lockern will, riskiert einen finanzpolitischen Dammbruch“, sagte Umweltministerin Siegesmund. Man müsse vielmehr schauen, wie man im Rahmen der Landeshaushaltsordnung zurechtkomme -- zumal die CDU, auf deren Zustimmung die rot-rot-grüne Minderheitsregierung angewiesen ist, einer Änderung sicher nicht zustimmen werde.
Tatsächlich lehnt die Union den Vorschlag Tiefensees ab. Der Überbietungswettbewerb von Rot-rotgrün habe ein neues Niveau erreicht, sagte Landtagsfraktionschef Mario Voigt dieser Zeitung. Tiefensee versuche sogar, seine eigene Finanzministerin zu überrumpeln.
„Die letzte Krise hat gezeigt, dass eine zügige Tilgung möglich ist“, sagte Voigt. „An die Schuldenwirtschaft sollten wir uns gar nicht erst gewöhnen.“Sie wäre eine „riskante Wette auf die Zukunft“.