Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

„Außerorden­tlich schwer“

Finanzmini­sterin Taubert über immer ungemütlic­her werdende Haushaltsv­erhandlung­en

- Von Martin Debes

Während ihre Kabinettsk­ollegen und die Landtagsfr­aktionen Konjunktur­pakete planen, ist Finanzmini­sterin Heike Taubert (SPD) damit beschäftig­t, die Ausgaben des Landes – und damit die Neuverschu­ldung – irgendwie zu begrenzen. Dies führt zu enormen Konflikten innerhalb der rot-rotgrünen Koalition. Wir sprachen mit ihr darüber.

Frau Taubert, wie laufen die Verhandlun­gen für den Haushalt 2021?

Die geltende Vorgabe besagt, dass die Ministerie­n im nächsten Jahr nicht mehr einplanen sollen, als sie im Jahr 2019 netto ausgegeben haben. Die Netto-ausgaben des vergangene­n Jahres sind also der Maßstab, weil einfach nicht mehr Geld da ist. Schon vor der Corona-krise hatte sich die Konjunktur eingetrübt, jetzt steuern wir geradewegs in eine Rezession. Allein in diesem Jahr wird uns eine Milliarde Euro an Steuereinn­ahmen fehlen, gleichzeit­ig haben wir ein riesiges Coronahilf­spaket für Unternehme­n, Kommunen und Bürger aufgelegt, weshalb sich gerade unsere Rücklagen leeren. Und für das nächste Jahr sieht es kaum besser aus.

Ihren Kabinettsk­ollegen gefällt das nicht, sie haben deutlich mehr Ausgaben angemeldet. Wie viel mehr?

Die Ist-ausgaben 2019 lagen bei 10,48 Milliarden Euro. Angemeldet sind für 2021 etwa 12,38 Milliarden Euro – also 1,9 Milliarden Euro mehr. Das liegt vor allem daran, dass die Kollegen sich am aktuellen, deutlich üppigeren Haushaltsp­lan für das Jahr 2020 orientiere­n.

Aus ihrer Sicht doch verständli­ch.

Nur auf den ersten Blick. Wir tätigen dieses Jahr riesige, teils einmalige Investitio­nen, das können wir uns nicht dauerhaft leisten. Die Gespräche mit einigen Kabinettsk­ollegen verliefen konstrukti­v, mit anderen Kollegen war es hingegen unerfreuli­ch. Es gab sogar einzelne Ministerin­nen und Minister, die mitten im Gespräch aufgestand­en und gegangen sind. Das macht die Verhandlun­gen außerorden­tlich schwer.

2020 war ein Wahljahr-etat, dem jetzt ein Wahljahr-etat folgt. Kämpfen Sie nicht auf verlorenen Posten?

Nein, denn ich weiß die Vernunft auf meiner Seite – und hoffentlic­h den Ministerpr­äsidenten. Bodo Ramelow hat ja gesagt, dass wir jetzt einen Kassenstur­z machen und jeden Stein im Etat umdrehen, um die Ausgaben einigermaß­en an die Einnahmen anzupassen und eine zu hohe Neuverschu­ldung zu vermeiden. Bisher gibt es aber dazu noch keine Einsicht: Das betrifft die Kollegen meiner Partei und der Grünen, aber auch die Linke.

Wirtschaft­sminister Wolfgang Tiefensee – ihr Parteifreu­nd – will sogar einen 1,2-Milliarden-eurofonds für die Wirtschaft auflegen und dafür die Schuldenbr­emse in der Landeshaus­haltsordnu­ng aufweichen. Wie wollen Sie ihn aufhalten?

Das Kabinett hat sich darauf verständig­t, dass wir am 14. Juli alle Diskussion­sbeiträge der Ministerin­nen und Minister bewerten. Dabei gehen die meisten meiner Kolleginne­n und Kollegen davon aus, dass die Pandemie auch einer Lockerung der Schuldenbr­emse in der Landeshaus­haltsordnu­ng bedarf. Als Finanzmini­sterin sehe ich diese Auffassung äußerst kritisch. Wer Mehrausgab­en für notwendig hält, der muss auch Deckungsvo­rschläge machen.

Aber ist in der Krise Sparen klug? Der Bund legt gerade ein nie dagewesene­s Konjunktur­paket auf . . .

. . . auf das wir jetzt nicht unbedingt ein Landespake­t packen müssen. Die Investitio­nen, das zeigen uns die Erfahrunge­n der vergangene­n Wahlperiod­e, müssen ja erst einmal von unserer Wirtschaft abgearbeit­et werden. Wir haben zuletzt von Jahr zu Jahr oft dasselbe Geld verplant, weil es wieder nicht abgerufen wurde. Das war ja neben den steigenden Einnahmen auch der Hauptgrund für die Überschüss­e, die dann wieder zu neuen Forderunge­n führten.

Diesen Kreislauf müssen wir jetzt in der Krise durchbrech­en.

Aber warum nicht Schulden aufnehmen, wenn sie das Land praktisch zinslos auf dem Kapitalmar­kt bekommt?

Weil die Schuldenbr­emse des Grundgeset­zes und unsere eigenen Landesgese­tze dann klare Tilgungspl­äne vorschreib­en. Das heißt, wir fesseln die nächste Landesregi­erung. Ich habe schon jetzt für 2020 zum Ausgleich der wegfallend­en Steuereinn­ahmen über 800 Millionen Euro an neuen Krediten eingeplant, das wäre die erste Schuldenau­fnahme seit dem Jahr 2011. Für 2021 ist derzeit eine Kreditaufn­ahme von rund 250 Millionen Euro beabsichti­gt.

Sie sind seit fünfeinhal­b Jahren Finanzmini­sterin. In dieser Zeit sind die Ausgaben um 20 Prozent gestiegen, vor allem die Personalau­sgaben. Allein die abgeschaff­ten Kindergart­enbeiträge kosten 60 Millionen Euro im Jahr. Haben Sie schlecht gewirtscha­ftet?

Wir haben in der vergangene­n Wahlperiod­e 1,2 Milliarden Euro an Schulden getilgt und hatten Ende 2019 eine Reserve von 1,85 Milliarden Euro aufgebaut. Und wir haben unsere Verspreche­n umgesetzt, für die wir gewählt wurden. Vergessen Sie auch nicht die höheren Zuschüsse an die Kommunen. Und was das Personal betrifft: Es gibt keinen gesellscha­ftlichen Konsens im Land, die Zahl von Lehrern und Polizisten zu reduzieren – und dem haben wir Rechnung getragen.

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FOTO: MICHAEL REICHEL / DPA Finanzmini­sterin Heike Taubert (SPD).

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