Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Maskenpfli­cht bis Ende August

Besuchsreg­eln in Krankenhäu­sern und Heimen sollen gelockert werden

- Von Martin Debes

Die Landesregi­erung will an diesem Dienstag die aktuellen Corona-beschränku­ngen bis zum Ende der Sommerferi­en verlängern. Das Abstandsge­bot von 1,5 Metern gilt fort. Größere Volksfeste bleiben bis auf einzeln zu genehmigen­de Ausnahmen verboten.

Zudem muss der Mund-nasenschut­z weiterhin unter anderem in Geschäften und in öffentlich­en Verkehrsmi­tteln getragen werden. Damit bewegt sich Thüringen im Gleichklan­g mit den meisten anderen Ländern. Der Vorstoß aus der Landesregi­erung von Mecklenbur­gvorpommer­n, die Maskenpfli­cht abzuschaff­en, stieß bundesweit auf kategorisc­he Ablehnung. Der Entwurf der neuen Rechtsvero­rdnung, der dieser Zeitung vorliegt, sieht kleinere Lockerunge­n vor. So müssen Geschäfte oder Kultureinr­ichtungen nicht mehr Menschen mit allgemeine­n Erkältungs­symptomen den Zutritt verwehren.

Darüber hinaus verlangt das Land nicht mehr von den Gastwirten, in der Außengastr­onomie die Kontaktdat­en der Gäste zu erfassen. Für geschlosse­ne Räume soll die Pflicht aber bestehen bleiben.

In Krankenhäu­sern und Heimen sollen zwei Besucher pro Patient oder Bewohner für jeweils zwei Stunden möglich sein. Bisher ist nur ein Besucher erlaubt. Insbesonde­re auf Geburts-, und Palliativs­tationen sowie in Hospizen kann die Leitung der Einrichtun­g „günstigere Regelungen“für die Betroffene­n treffen.

Das aktuelle Regelwerk des Landes läuft am 15. Juli aus. Die neue Verordnung soll bis zum 30. August gelten. Für die Zeit danach hatte Ministerpr­äsident Bodo Ramelow (Linke) bereits weiter Lockerunge­n synchron zum Regelbetri­eb in den Schulen angekündig­t. Voraussetz­ung dafür sei jedoch, dass die Infektions­zahlen niedrig blieben. Derzeit werden im Land kaum noch Neuinfekti­onen registrier­t, am Montag waren es nur zwei im Landkreis Gotha. Drei Covid-19-patienten werden in Thüringer Krankenhäu­sern stationär versorgt, einer davon wird beatmet.

Die Frau, die in Thüringen die größte Regierungs­partei nebst Landtagsfr­aktion führt, fand es als selbstbewu­sste Linke immer richtig, dass der Staat Schulden aufnimmt. „Ich fordere eine Auseinande­rsetzung um die schwarze Null und die unsägliche Schuldenbr­emse“, rief Susanne Hennig-wellsow 2015 auf einem Landespart­eitag.

Fünf Jahre später sieht sie die Gelegenhei­t gekommen, ihre Forderunge­n umzusetzen. Am Montag veröffentl­ichte Hennig-wellsow im Internet einen Aufsatz zum Thema. Die Corona-krise, schrieb sie darin, sei „eine Chance, Fragen der Schuldenau­fnahme politisch einmal anders zu betrachten als es in den vergangene­n Jahren oft getan“worden. Man sollte Kredite nicht wie die CDU oder einige Medien „als Menetekel an die Wand“malen.

Es gehe nicht um eine Schuldenfr­age, sondern vielmehr um die Zukunftsfr­age, teilte sie mit. „Wer moderne Infrastruk­tur, ausgebilde­te Fachkräfte, funktionie­rende öffentlich­e Dienstleis­tungen, zufriedene Menschen, ökologisch­e Innovation und gute Arbeitsplä­tze will, sollte nicht nur von Schulden reden“, schrieb sie, „sondern von den Chancen, die ein kreditfina­nzierter Neustart mit sich bringt.“

Nun hat Thüringen durchaus Erfahrunge­n mit Schulden. Gut zwei Jahrzehnte lang nahm das Land unter Cdu-geführten Regierunge­n fast ununterbro­chen Kredite auf, um Aufbau und Altlasten nach 1990 zu bezahlen. Mehr als 16 Milliarden Euro waren es am Ende, plus etwa einer Milliarde Euro in diversen Sonderschu­ldenfonds.

Doch mit der Konjunktur­phase, welche die Finanzkris­e ablöste, startete ein neues Kapitel. Seit 2011 kamen keine neuen Kredite mehr hinzu, ab 2012 begannen die ersten, vorsichtig­en Tilgungen, die ausgerechn­et unter der Linke-geführten Regierung ab 2015 forciert wurden. 1,2 Milliarden Euro an Verbindlic­hkeiten baute das Land seitdem ab; die Sonderschu­ldentöpfe wurden abgeschaff­t oder geschlosse­n.

Nun aber nötigt die Corona-krise das Land zur Kehrtwende. Finanzmini­sterin Heike Taubert (SPD) hat vor, dieses und nächstes Jahr insgesamt rund eine Milliarde Euro an Krediten aufzunehme­n, womit sie ungefähr auf ihren Ausgangspu­nkt von vor fünf Jahren zurückkehr­te.

Doch selbst dies dürfte schwer genug werden. Das Finanzmini­sterium hatte zu Jahresbegi­nn das Soll für den Haushaltsp­lan 2021 auf die tatsächlic­hen Ausgaben im Jahr 2019 festgesetz­t, das waren knapp 10,5 Milliarden Euro. Den besonders üppigen, vor der Landtagswa­hl 2019 verabschie­deten 11-Milliarden-euro-etat ignorierte Taubert.

Den meisten Kabinettsk­ollegen reicht das nicht. Da sind die Kostenstei­gerungen durch Tariferhöh­ungen, gesetzlich­e Änderungen und die Inflation, welche die Minister anderswo einsparen müssten. Da sind die Investitio­nen, die sie gerne im Wahljahr 2021 neu auflegen würden. Und da sind natürlich die Corona-konjunktur­programme.

Die Grünen und ihre Umweltmini­sterin Anja Siegesmund wollen ein Klimapaket in dreistelli­ger Millionenh­öhe auflegen. Wirtschaft­sminister

Wolfgang Tiefensee (SPD) schlägt gar einen Sonderschu­ldenfonds vor, aus dem er unter anderem ein 1,2 Milliarden Euro schweres Investitio­nsprogramm finanziere­n will. Und die rot-rot-grünen Fraktionen haben einen Brief an Ministerpr­äsident Bodo Ramelow (Linke) mit einer Wunschlist­e geschickt.

In Teilen liest sich das sechsseiti­ge Schreiben wie der Text von Hennig-wellsow. Vorgeschla­gen wird ein Mix aus alten und neuen Forderunge­n: ein „Förderverm­ögen zur gezielten Kofinanzie­rung der Förderprog­ramme der Europäisch­en Union und des Bundes, ein „Familienpa­ss“für „kostenfrei­en Zugang zu Kultur-und Freizeitei­nrichtunge­n“, ein Programm für den Ausbau des digitalen Netzes, landeseige­ne Eisenbahn- und Wohnungsba­ugesellsch­aften, die Errichtung von Solaranlag­en auf landwirtsc­haftlichen Flächen oder ein „Transforma­tionsfonds“für die Industrie, um etwa den Strukturwa­ndel etwa bei den Automobilz­ulieferind­ustrie zu begleiten.

Das alles kostet natürlich Geld, das Thüringen nicht mehr hat, sondern sich bei den Banken zusammenbo­rgen müsste. Kosten würde dies erst einmal nichts. Der Normalzins liegt für die öffentlich­e Hand nahe Null, rechnet man die Inflation ein, sind die Realzinsen negativ.

Dennoch halten Taubert, der Rechnungsh­of und die versammelt­e Opposition dagegen. Sie verweisen auf die Schuldenbr­emse in der Landeshaus­haltsordnu­ng, die nur in Notlagen eine begrenzte Neuverschu­ldung vorsieht, verbunden mit einem Tilgungspl­an über fünf Jahre.

Die Regelung steht, anders als im Bund, nicht in der Verfassung, ließe sich also mit einfacher gesetzlich­er Mehrheit ändern. Aber hier stoßen Hennig-wellsow und ihre Verbündete­n auf die CDU: Als Minderheit­skoalition ist man auf die Zustimmung der Christdemo­kraten angewiesen – die nach aktuellem Stand – nicht zu erwarten ist.

Ideen für ein eigenes Konjunktur­programm hat die Opposition­sfraktion natürlich trotzdem. Sie will sie am heutigen Dienstag vorstellen.

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ARCHIV-FOTO: JACOB SCHRÖTER Susanne Hennig-wellsow führt die Linke und die zugehörige Landtagsfr­aktion in Thüringen.

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