Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
Maskenpflicht bis Ende August
Besuchsregeln in Krankenhäusern und Heimen sollen gelockert werden
Die Landesregierung will an diesem Dienstag die aktuellen Corona-beschränkungen bis zum Ende der Sommerferien verlängern. Das Abstandsgebot von 1,5 Metern gilt fort. Größere Volksfeste bleiben bis auf einzeln zu genehmigende Ausnahmen verboten.
Zudem muss der Mund-nasenschutz weiterhin unter anderem in Geschäften und in öffentlichen Verkehrsmitteln getragen werden. Damit bewegt sich Thüringen im Gleichklang mit den meisten anderen Ländern. Der Vorstoß aus der Landesregierung von Mecklenburgvorpommern, die Maskenpflicht abzuschaffen, stieß bundesweit auf kategorische Ablehnung. Der Entwurf der neuen Rechtsverordnung, der dieser Zeitung vorliegt, sieht kleinere Lockerungen vor. So müssen Geschäfte oder Kultureinrichtungen nicht mehr Menschen mit allgemeinen Erkältungssymptomen den Zutritt verwehren.
Darüber hinaus verlangt das Land nicht mehr von den Gastwirten, in der Außengastronomie die Kontaktdaten der Gäste zu erfassen. Für geschlossene Räume soll die Pflicht aber bestehen bleiben.
In Krankenhäusern und Heimen sollen zwei Besucher pro Patient oder Bewohner für jeweils zwei Stunden möglich sein. Bisher ist nur ein Besucher erlaubt. Insbesondere auf Geburts-, und Palliativstationen sowie in Hospizen kann die Leitung der Einrichtung „günstigere Regelungen“für die Betroffenen treffen.
Das aktuelle Regelwerk des Landes läuft am 15. Juli aus. Die neue Verordnung soll bis zum 30. August gelten. Für die Zeit danach hatte Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) bereits weiter Lockerungen synchron zum Regelbetrieb in den Schulen angekündigt. Voraussetzung dafür sei jedoch, dass die Infektionszahlen niedrig blieben. Derzeit werden im Land kaum noch Neuinfektionen registriert, am Montag waren es nur zwei im Landkreis Gotha. Drei Covid-19-patienten werden in Thüringer Krankenhäusern stationär versorgt, einer davon wird beatmet.
Die Frau, die in Thüringen die größte Regierungspartei nebst Landtagsfraktion führt, fand es als selbstbewusste Linke immer richtig, dass der Staat Schulden aufnimmt. „Ich fordere eine Auseinandersetzung um die schwarze Null und die unsägliche Schuldenbremse“, rief Susanne Hennig-wellsow 2015 auf einem Landesparteitag.
Fünf Jahre später sieht sie die Gelegenheit gekommen, ihre Forderungen umzusetzen. Am Montag veröffentlichte Hennig-wellsow im Internet einen Aufsatz zum Thema. Die Corona-krise, schrieb sie darin, sei „eine Chance, Fragen der Schuldenaufnahme politisch einmal anders zu betrachten als es in den vergangenen Jahren oft getan“worden. Man sollte Kredite nicht wie die CDU oder einige Medien „als Menetekel an die Wand“malen.
Es gehe nicht um eine Schuldenfrage, sondern vielmehr um die Zukunftsfrage, teilte sie mit. „Wer moderne Infrastruktur, ausgebildete Fachkräfte, funktionierende öffentliche Dienstleistungen, zufriedene Menschen, ökologische Innovation und gute Arbeitsplätze will, sollte nicht nur von Schulden reden“, schrieb sie, „sondern von den Chancen, die ein kreditfinanzierter Neustart mit sich bringt.“
Nun hat Thüringen durchaus Erfahrungen mit Schulden. Gut zwei Jahrzehnte lang nahm das Land unter Cdu-geführten Regierungen fast ununterbrochen Kredite auf, um Aufbau und Altlasten nach 1990 zu bezahlen. Mehr als 16 Milliarden Euro waren es am Ende, plus etwa einer Milliarde Euro in diversen Sonderschuldenfonds.
Doch mit der Konjunkturphase, welche die Finanzkrise ablöste, startete ein neues Kapitel. Seit 2011 kamen keine neuen Kredite mehr hinzu, ab 2012 begannen die ersten, vorsichtigen Tilgungen, die ausgerechnet unter der Linke-geführten Regierung ab 2015 forciert wurden. 1,2 Milliarden Euro an Verbindlichkeiten baute das Land seitdem ab; die Sonderschuldentöpfe wurden abgeschafft oder geschlossen.
Nun aber nötigt die Corona-krise das Land zur Kehrtwende. Finanzministerin Heike Taubert (SPD) hat vor, dieses und nächstes Jahr insgesamt rund eine Milliarde Euro an Krediten aufzunehmen, womit sie ungefähr auf ihren Ausgangspunkt von vor fünf Jahren zurückkehrte.
Doch selbst dies dürfte schwer genug werden. Das Finanzministerium hatte zu Jahresbeginn das Soll für den Haushaltsplan 2021 auf die tatsächlichen Ausgaben im Jahr 2019 festgesetzt, das waren knapp 10,5 Milliarden Euro. Den besonders üppigen, vor der Landtagswahl 2019 verabschiedeten 11-Milliarden-euro-etat ignorierte Taubert.
Den meisten Kabinettskollegen reicht das nicht. Da sind die Kostensteigerungen durch Tariferhöhungen, gesetzliche Änderungen und die Inflation, welche die Minister anderswo einsparen müssten. Da sind die Investitionen, die sie gerne im Wahljahr 2021 neu auflegen würden. Und da sind natürlich die Corona-konjunkturprogramme.
Die Grünen und ihre Umweltministerin Anja Siegesmund wollen ein Klimapaket in dreistelliger Millionenhöhe auflegen. Wirtschaftsminister
Wolfgang Tiefensee (SPD) schlägt gar einen Sonderschuldenfonds vor, aus dem er unter anderem ein 1,2 Milliarden Euro schweres Investitionsprogramm finanzieren will. Und die rot-rot-grünen Fraktionen haben einen Brief an Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) mit einer Wunschliste geschickt.
In Teilen liest sich das sechsseitige Schreiben wie der Text von Hennig-wellsow. Vorgeschlagen wird ein Mix aus alten und neuen Forderungen: ein „Fördervermögen zur gezielten Kofinanzierung der Förderprogramme der Europäischen Union und des Bundes, ein „Familienpass“für „kostenfreien Zugang zu Kultur-und Freizeiteinrichtungen“, ein Programm für den Ausbau des digitalen Netzes, landeseigene Eisenbahn- und Wohnungsbaugesellschaften, die Errichtung von Solaranlagen auf landwirtschaftlichen Flächen oder ein „Transformationsfonds“für die Industrie, um etwa den Strukturwandel etwa bei den Automobilzulieferindustrie zu begleiten.
Das alles kostet natürlich Geld, das Thüringen nicht mehr hat, sondern sich bei den Banken zusammenborgen müsste. Kosten würde dies erst einmal nichts. Der Normalzins liegt für die öffentliche Hand nahe Null, rechnet man die Inflation ein, sind die Realzinsen negativ.
Dennoch halten Taubert, der Rechnungshof und die versammelte Opposition dagegen. Sie verweisen auf die Schuldenbremse in der Landeshaushaltsordnung, die nur in Notlagen eine begrenzte Neuverschuldung vorsieht, verbunden mit einem Tilgungsplan über fünf Jahre.
Die Regelung steht, anders als im Bund, nicht in der Verfassung, ließe sich also mit einfacher gesetzlicher Mehrheit ändern. Aber hier stoßen Hennig-wellsow und ihre Verbündeten auf die CDU: Als Minderheitskoalition ist man auf die Zustimmung der Christdemokraten angewiesen – die nach aktuellem Stand – nicht zu erwarten ist.
Ideen für ein eigenes Konjunkturprogramm hat die Oppositionsfraktion natürlich trotzdem. Sie will sie am heutigen Dienstag vorstellen.