Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
Ein Politikerporträt der Widersprüche
Der Erfurter Künstler Jost Heyder malte den Sozialdemokraten Hans-jochen Vogel in München. Nach dessen Tod wird ein Platz für das Bild gesucht
„Das Gesicht grau unter hektischer Röte“: Jost Heyder malte Hans-jochen Vogel 2012 letztlich so, wie ihn Jürgen Leinemann beschrieb; der Journalist erinnerte den Spd-kanzlerkandidaten 1983. Zwei Jahre zuvor, als Vogel (West-)berlins Regierender wurde, soll ein Genosse gesagt haben: „Der guckt ja immer noch so miesepetrig.“Auch das spiegelt das Porträt.
Innerhalb eines einzigen Vormittags hat der Erfurter Maler dieses sozialdemokratische Urgestein in aller Widersprüchlichkeit eingefangen: ein bekennender Katholik als protestantische Erscheinung, ein autoritärer Knochen, aber doch mit (alters-)milden Gesichtszügen. „Ich habe ihn immer als äußerst belehrenden Politiker empfunden, der allerdings Integrität ausstrahlte“, sagt auch Jost Heyder selbst. Er habe ihn als einen „Spd-grundpfeiler“stets „von weitem bewundert“.
2012 kam er ihm kurzzeitig etwas näher. Vermittelt von der befreundeten „Stern“- und „Spiegel“-journalistin Almut Hielscher, besuchte Heyder den damals 86-Jährigen im Seniorenstift in München.
Zwei Zeichnungen entstanden während dieser Sitzung. Wie üblich, machte Heyder zudem ein paar Fotos. Einige Monate lang saß er dann an dem Bild, Acryl auf Leinwand, 1,40 Meter mal ein Meter. Das Porträt steht in Heyders Fundus.
Vogel hatte von vornherein gesagt, er sei so oft gemalt worden, dass er es keinesfalls kaufen werde. Aber er schrieb „einen sehr anerkennenden Brief“und erbat sich fünf große Fotografien davon.
Nun ist Vogel, 94-jährig, gestorben. Und die Frage kommt auf, was mit dem Bild geschieht. Seine Partei könnte es kaufen, findet der Erfurter Sozialdemokrat Wolfgang Beese, gleichsam ein Scharnier zwischen Politikbetrieb und Kulturszene. Nicht nur er hält Heyder für „einen der besten Porträtmaler und -zeichner, die wir in Thüringen haben“. Und Hans-jochen Vogel sieht er als einen der Letzten, die die SPD faszinierend gemacht hätten. „Das war so ein Aufrichtiger, noch nicht so stromlinienförmig“, sagt Beese. Ein Schulmeister war und blieb er zeitlebens aber ebenso, einer, der die Klarsichthülle stets der Büroklammer vorzog. Intime Gespräche gab’s auch zwischen Vogel und Heyder nicht, dafür aber Vorträge: darüber etwa, dass 1869 in Eisenach mitnichten der Gründungsparteitag der deutschen Sozialdemokratie stattfand; wie alle anderen nahm er das Leipziger Vorgeplänkel unter Lassalle als Geburtsstunde an.
Als Sozialdemokrat müsse man wissen, wo die Geburtsstätte der SPD liegt, hatte aber Christian Ude in Eisenach erklärt, als der 2016 die Gedenkstätte „Goldener Löwe“besuchte. Als Oberbürgermeister Münchens war Ude einer der Nachfolger
Hans-jochen Vogels gewesen. Denkbar, dass der „Goldene Löwe“ein guter Ort für das Porträt wäre.
„Dieses beeindruckende Bild“, so Wolfgang Beese, sollte jedenfalls öffentlich zu sehen sein. Am liebsten wäre ihm, seine Erfurter Partei erwürbe es. Aber das scheitert wohl am Kleingeld. Für die Landespartei indes sollte das kein Problem sein.
Vogel meldete sich 1943 zur Wehrmacht, kehrte als verwundeter Unteroffizier heim. „Betrogen um ihre Jugend“, schrieb Leinemann über die Generation, „misstrauisch gegenüber Utopien und großen weltanschaulichen Würfen, betrieben sie Politik nüchtern und pragmatisch.“Und so blickt uns der einstige SPD-CHEF hier entgegen.