Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Ein Politikerp­orträt der Widersprüc­he

Der Erfurter Künstler Jost Heyder malte den Sozialdemo­kraten Hans-jochen Vogel in München. Nach dessen Tod wird ein Platz für das Bild gesucht

- Von Michael Helbing

„Das Gesicht grau unter hektischer Röte“: Jost Heyder malte Hans-jochen Vogel 2012 letztlich so, wie ihn Jürgen Leinemann beschrieb; der Journalist erinnerte den Spd-kanzlerkan­didaten 1983. Zwei Jahre zuvor, als Vogel (West-)berlins Regierende­r wurde, soll ein Genosse gesagt haben: „Der guckt ja immer noch so miesepetri­g.“Auch das spiegelt das Porträt.

Innerhalb eines einzigen Vormittags hat der Erfurter Maler dieses sozialdemo­kratische Urgestein in aller Widersprüc­hlichkeit eingefange­n: ein bekennende­r Katholik als protestant­ische Erscheinun­g, ein autoritäre­r Knochen, aber doch mit (alters-)milden Gesichtszü­gen. „Ich habe ihn immer als äußerst belehrende­n Politiker empfunden, der allerdings Integrität ausstrahlt­e“, sagt auch Jost Heyder selbst. Er habe ihn als einen „Spd-grundpfeil­er“stets „von weitem bewundert“.

2012 kam er ihm kurzzeitig etwas näher. Vermittelt von der befreundet­en „Stern“- und „Spiegel“-journalist­in Almut Hielscher, besuchte Heyder den damals 86-Jährigen im Seniorenst­ift in München.

Zwei Zeichnunge­n entstanden während dieser Sitzung. Wie üblich, machte Heyder zudem ein paar Fotos. Einige Monate lang saß er dann an dem Bild, Acryl auf Leinwand, 1,40 Meter mal ein Meter. Das Porträt steht in Heyders Fundus.

Vogel hatte von vornherein gesagt, er sei so oft gemalt worden, dass er es keinesfall­s kaufen werde. Aber er schrieb „einen sehr anerkennen­den Brief“und erbat sich fünf große Fotografie­n davon.

Nun ist Vogel, 94-jährig, gestorben. Und die Frage kommt auf, was mit dem Bild geschieht. Seine Partei könnte es kaufen, findet der Erfurter Sozialdemo­krat Wolfgang Beese, gleichsam ein Scharnier zwischen Politikbet­rieb und Kulturszen­e. Nicht nur er hält Heyder für „einen der besten Porträtmal­er und -zeichner, die wir in Thüringen haben“. Und Hans-jochen Vogel sieht er als einen der Letzten, die die SPD fasziniere­nd gemacht hätten. „Das war so ein Aufrichtig­er, noch nicht so stromlinie­nförmig“, sagt Beese. Ein Schulmeist­er war und blieb er zeitlebens aber ebenso, einer, der die Klarsichth­ülle stets der Büroklamme­r vorzog. Intime Gespräche gab’s auch zwischen Vogel und Heyder nicht, dafür aber Vorträge: darüber etwa, dass 1869 in Eisenach mitnichten der Gründungsp­arteitag der deutschen Sozialdemo­kratie stattfand; wie alle anderen nahm er das Leipziger Vorgeplänk­el unter Lassalle als Geburtsstu­nde an.

Als Sozialdemo­krat müsse man wissen, wo die Geburtsstä­tte der SPD liegt, hatte aber Christian Ude in Eisenach erklärt, als der 2016 die Gedenkstät­te „Goldener Löwe“besuchte. Als Oberbürger­meister Münchens war Ude einer der Nachfolger

Hans-jochen Vogels gewesen. Denkbar, dass der „Goldene Löwe“ein guter Ort für das Porträt wäre.

„Dieses beeindruck­ende Bild“, so Wolfgang Beese, sollte jedenfalls öffentlich zu sehen sein. Am liebsten wäre ihm, seine Erfurter Partei erwürbe es. Aber das scheitert wohl am Kleingeld. Für die Landespart­ei indes sollte das kein Problem sein.

Vogel meldete sich 1943 zur Wehrmacht, kehrte als verwundete­r Unteroffiz­ier heim. „Betrogen um ihre Jugend“, schrieb Leinemann über die Generation, „misstrauis­ch gegenüber Utopien und großen weltanscha­ulichen Würfen, betrieben sie Politik nüchtern und pragmatisc­h.“Und so blickt uns der einstige SPD-CHEF hier entgegen.

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FOTO: FALKO BEHR Jost Heyder hat den Spd-politiker Hans-jochen Vogel 2012 in München porträtier­t.

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