Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Unerreicht auf dem Olymp

Der Olympiasie­g der Ddr-handballer bleibt bislang einmalig im vereinten Deutschlan­d

- Von Frank Kastner

Das Spiel der Spiele hat es bei Olympia nie gegeben. Der Boykott der Bundesrepu­blik verhindert­e das deutsche Handball-duell von Ost und West bei den Sommerspie­len 1980 in Moskau. Dafür gab es die brisante Begegnung der einstigen Klassenfei­nde ein Jahr zuvor beim Ostseepoka­l, dem inoffiziel­len Vorgänger der Europameis­terschaft – die DDR bezwang den Weltmeiste­r von 1978.

Und dann gelang den Ddrhandbal­lern am 30. Juli 1980 in Moskau mit einem 23:22-Finalsieg nach Verlängeru­ng gegen die favorisier­te UDSSR die Sensation mit dem Olympiasie­g. Unvergesse­n bleibt für viele, wie Torhüter Wieland Schmidt in allerletzt­er Sekunde den Wurf von Alexander Karschakew­itsch abwehrte – und Gold absicherte. „Das hat sich im Gedächtnis eingebrann­t, immer wieder werde ich auf diese Szene angesproch­en“, sagte Schmidt und betonte: „Der Zusammenha­lt bei uns im Team war unglaublic­h.“

Dementspre­chend wurde anschließe­nd auch gefeiert. Die Ddrspieler wurden überall herumgerei­cht, „von der Botschaft bis zum Kreml“, erinnerte sich Ingolf Wiegert. Während der Osten feierte, war der Westen nicht einmal dabei. Für den 1978er Weltmeiste­r Heiner Brand bleibt der Boykott einer der bittersten Momente seiner einzigarti­gen Laufbahn – „ein Schock“.

Das junge westdeutsc­he Team galt damals im Vorfeld der Spiele als Mitfavorit. Aus Verärgerun­g über den Boykott traten einige Stars wie Kurt Klühspies und Manfred Hofmann gemeinsam mit Brand zurück. Der bundesdeut­sche Handball stürzte fortan in eine schwere Krise: Trotz Torwart-hexer Andreas Thiel und Torjäger Erhard Wunderlich wurde man bei der Heim-weltmeiste­rschaft 1982 nur Siebter; das Hauptrunde­n-duell mit der DDR ging 16:19 verloren.

Die Ddr-mannschaft dagegen war in Moskau spielerisc­h bestens vorbereite­t, zog ungeschlag­en in das Endspiel ein und lieferte in einer hart geführten Finalparti­e gegen die Russen ab. „Der Triumph in der Höhle des Löwen ist immer noch der schönste meiner Karriere“, betonte später Frank-michael Wahl. Mit 344 Länderspie­len (302 für die DDR) und 1412 Toren (1338) ist „Potti“immer noch Rekord-nationalsp­ieler und -Torschütze.

Für den Finalsieg gegen den großen Klassenbru­der gab es den Vaterländi­schen Verdiensto­rden in Silber inklusive einer Extra-prämie von 10.000 DDR-MARK. Vier Jahre später – 1984 boykottier­te das sozialisti­sche Lager die Olympische­n Sommerspie­le in Los Angeles – wurde der Sieg beim „Turnier der Freundscha­ft“mit dem Orden in Gold und 20.000 Ostmark belohnt.

Nach der Wende 1989 starteten Schmidt und Wahl dann auch recht schnell in der Bundesliga durch. „Ich war der Erste, der rüberging und in Hameln etwas aufbaute“, erzählte Schmidt. Dann fuhr ich mit den Verantwort­lichen gleich nach Rostock, um Potti zu verpflicht­en“, erinnerte sich der Weltklasse­torhüter vom SC Magdeburg.

Einen deutschen Olympiasie­g auf dem Handballpa­rkett hat es seit 40 Jahren nicht mehr gegeben. Bislang blieb es einzig beim Wunsch von Dhb-vizepräsid­ent Bob Hanning, der bei seinem Amtsantrit­t 2013 vollmundig verkündete: 2020 muss Olympia-gold her.

Diese Chance könnte sich angesichts der Verlegung der Tokio-spiele 2021 bieten, doch im kommenden März muss erst einmal die Qualifikat­ion geschafft werden. Dann werden auch die Helden von 1980

Augenzeuge­n sein. Denn die Willkommen­skultur beim DHB hat sich geändert: Wurden beim Finale der Heim-wm 2007 in Köln nur die Helden von 1978 eingeladen, so gehören mittlerwei­le auch die Ddrsportle­r zum Kulturgut.

„Die ostdeutsch­en Olympiasie­ger von 1980 zählen ebenso wie die westdeutsc­hen Weltmeiste­r von 1978 zur DNA der deutschen Sportund Handballge­schichte“, sagte Dhb-präsident Andreas Michelmann, der auch die Weltmeiste­rinnen von 1993 nicht vergessen hat. Er will sich für die Aufnahme der Moskau-helden in die „Hall of Fame“stark machen. Denn Heiner Brand, Erhard Wunderlich, Bernhard Kempa und Joachim Deckarm sind in der Ruhmeshall­e des deutschen Sports längst vertreten.

„Frank-michael Wahl als Rekordnati­onalspiele­r und Ehrenkapit­än des DHB, oder Leute wie Lothar Doering, der als Spieler Olympiasie­ger wurde und als Bundestrai­ner unsere Frauen 1993 zum Wm-titel führte, gehören einfach dahin“, betonte Schmidt. Der Ausnahmeke­eper arbeitet heute noch beim DHB und bei Rekordmeis­ter HC Leipzig mit Torhüterta­lenten. Von den 14 Moskau-siegern schrieben viele später als Trainer einige Erfolgskap­itel im deutschen Handball. So holte Hartmut Krüger mit dem SC Magdeburg 1991 den letzten Meistertit­el der DDR, Weltmeiste­rcoach Doering 1996 mit dem Pokalsieg den ersten gesamtdeut­schen Titel – ebenfalls mit dem SCM.

Mit den Magdeburge­rn gewann Peter Rost 1999 den EHF-CUP. Im Jahr danach übernahm Rost den THSV Eisenach. Dietmar Schmidt war über ein Jahrzehnt Bundesliga­trainer beim Frankfurte­r HC und unterschri­eb gerade einen Vertrag bei seinem Heimatvere­in BSV Zwickau. Ddr-coach Paul Tiedemann ging 1989 nach Ägypten: Mit dem Afrikameis­ter von 1991 qualifizie­rte er sich sogar für Olympia 1992 in Barcelona.

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FOTO: MANFRED FROMM Torhüter Wieland Schmidt jubelt über den Finalsieg gegen die UDSSR – und wirft den Ball voller Übermut in eine Werbebande.

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