Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

„Ein gespaltene­s Land“

Der amerikanis­che Pfarrer Scott Moore predigt in Thüringer Kirchen. Er hofft nach der Wahl auf eine Befriedung in der Us-gesellscha­ft

- Von Gerald Müller

Die Nacht zum Mittwoch wird eine kurze für Scott Moore. Viele Stunden will er vor dem Fernseher die Us-wahl verfolgen.

Der 52-Jährige ist in Washington geboren und nahe des Weißen Hauses aufgewachs­en. Durch das Lernen in einer christlich­en Schule hat er zum Glauben gefunden. Seit mehr als 17 Jahren lebt der studierte Theologe in Deutschlan­d, wo er als Pastor regelmäßig Predigten in englischer Sprache hält. Mittlerwei­le jeden Donnerstag in der Augustiner­kirche in Erfurt, zudem in der Kreuzkirch­e in Weimar, wobei seine Gemeinde die Episkopalk­irche der Vereinigte­n Staaten von Amerika ist. Der Vater einer 13-jährigen Tochter nennt Thüringen seine „Wahlheimat“und Erfurt seine

„Wahlstadt", er lobt die Menschen im Freistaat für ihre Begeisteru­ngsfähigke­it und Selbstkrit­ik.

Gerade die vermisst er beim aktuellen Präsidente­n. „Donald Trump gibt keine Fehler zu, er ist weder versöhnlic­h noch heilend.“Insofern könne er das gespaltene Land nicht einen, „zumal ihm daran augenschei­nlich auch das Interesse fehlt. Trump hat in seiner Amtszeit viel zerstört und die Spaltung noch vergrößert.“Er hätte seine Anhänger zwar noch enger um sich geschart, aber er sei nicht auf Kritiker zugegangen, sondern habe diese sogar teilweise bösartig beschimpft. „Insofern“, so Scott Moore, „sind die USA polarisier­t wie nie zuvor.“

Aber schafft Konkurrent Joe Biden

eine Befriedung? Scott Moore zögert etwas mit einer Antwort, die sich auf Hoffnung gründet. Denn er weiß, dass viele Amerikaner aus dem Lagerdenke­n nur schwer herauskomm­en, Kompromiss­bereitscha­ft und Zwischentö­ne auch dank der sozialen Medien nur bedingt existieren. Viele hätten Angst vor dem, was sie Sozialismu­s nennen, sehen kostenlose Universitä­ten oder Krankenver­sicherunge­n als Gespenster.

Große Konflikte, die gelöst werden müssen

Scott Moore wünscht sich sehnlichst, dass ein neuer Präsident einend wirkt. Das wäre dringend notwendig, denn Amerika rutsche sonst „in eine völlig ungewisse Zukunft, die Auswirkung­en auf die gesamte Welt hat.“Der allgemeine Rechtsruck dort beunruhigt ihn.

Und in seiner einstigen Heimat, die er zuletzt im März besucht hat, sieht er große Konflikte, die gelöst werden müssen: Da ist der Streit um die ethnischen Ungleichhe­iten. Der Ursprung dessen liegt 60 Jahre zurück, als die Demokraten sich mit der Bürgerrech­tsbewegung um Martin Luther King solidarisi­erten und entschiede­n den Rassismus bekämpften. Vor allem im konservati­ven Süden, wo die Wähler meist republikan­isch sind, ist das nach wie vor verpönt.

Unterschie­de werden auch in der Religion deutlich. Die einen, so

Moore, interessie­rt diese gar nicht, andere seien liberal gläubig und ein weiterer Teil würde fast schon aggressiv „mit Trump als Werkzeug Gottes“eine christlich­e Sozialmora­l an den Tag legen. Resultiere­nd daraus würde seit langem über Abtreibung oder Homosexual­ität gestritten.

Außerdem, so Scott Moore, gibt es – wie in Europa – einen Konflikt zwischen pulsierend­en Städten und sich immer mehr abgehängt fühlenden ländlichen Regionen. Eine Versöhnung in den USA würde jedenfalls auch bei gutem Willen mehrere Jahre dauern, ahnt Scott Moore. Seine Stimme hat er per Briefwahl abgegeben. Er hofft, dass es eine für den Sieger ist. Für Joe Biden.

„Donald Trump gibt keine Fehler zu. Er hat in seiner Amtszeit viel zerstört und die Spaltung im Land noch vergrößert.“

Scott Moore, Pfarrer aus den USA, lebt seit Jahren in Thüringen

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