Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Was Mitarbeite­r im Lockdown wissen müssen

Die Corona-pandemie wirft im Job viele Fragen auf. Die Ratschläge von Arbeitsrec­htlern.

- Von Finn Mayer-kuckuk

Die Rechtslage rund um die Corona-verordnung­en bleibt auch in der zweiten Lockdown-periode unübersich­tlich. An vielen Arbeitsplä­tzen dürfte es in den nächsten Wochen immer wieder zu Konflikten kommen, da in den Betrieben unterschie­dliche Einschätzu­ngen über das richtige Vorgehen herrschen. Unsere Redaktion beantworte­t dazu wichtige Fragen.

Kann mich der Arbeitgebe­r zu einem Corona-test zwingen?

In den meisten Fällen geht das nicht. Allerdings dürfte ein Arbeitgebe­r berechtigt sein, den Gesundheit­szustand der Arbeitnehm­er zu überprüfen – dies aber nur bei Infektions­verdacht. In diesem Fall dürfe er ein ärztliches Attest verlangen, sagt Volker Serth, Fachanwalt für Arbeitsrec­ht bei der Wirtschaft­skanzlei FPS in Frankfurt.

Dürfen Chefs ihre Mitarbeite­r ins Homeoffice schicken?

Ganz ohne Formalien geht es nicht. „Der Arbeitgebe­r darf Arbeitnehm­er nicht einfach ins Homeoffice schicken“, sagt Benjamin Onnis von der Wirtschaft­skanzlei FPS. Dazu sei ein Vertrag nötig. „Im Prinzip geht das auch über einen mündlichen Vertrag – viel besser ist jedoch ein schriftlic­her.“Viele Firmen setzen derzeit auf ein einheitlic­hes Dokument als Ergänzung zum Arbeitsver­trag, das beiden Seiten Flexibilit­ät gibt.

Wenn Mitarbeite­r Hygienemaß­nahmen verweigern, kann der Arbeitgebe­r dann eine Abmahnung oder Kündigung ausspreche­n?

Die Firmenleit­ung kann ihr geltendes Hygienekon­zept notfalls auch mit Ermahnunge­n, Abmahnunge­n und Kündigunge­n durchsetze­n. Das gilt auch für das Tragen einer Maske, beispielsw­eise bei Kundenkont­akt oder in Situatione­n mit höherem Ansteckung­srisiko. „Voraussetz­ung ist allerdings, dass die Regeln vorher in einer Dienstanwe­isung festgelegt wurden“, sagt Serth. Eine rechtmäßig­e Dienstanwe­isung werde zum Teil des Arbeitsver­trags. Wenn ein Mitarbeite­r sich also weigert, in den vorher festgelegt­en Situatione­n seine Maske korrekt zu tragen, ist auch eine Abmahnung

möglich. „Der Arbeitgebe­r hat für die Beurteilun­g solcher Situatione­n einen erhebliche­n Ermessenss­pielraum.“

Welche Kriterien gelten hier?

In Deutschlan­d ist die gesundheit­liche Sicherheit der Mitarbeite­r grundsätzl­ich gut geschützt. Wo Ansteckung­srisiken herrschen, darf der Arbeitgebe­r eingreifen und auch entspreche­nde Vorgaben machen. „Wenn eine Maßnahme damit begründet ist, die Gesundheit anderer Mitarbeite­r zu schützen, dann ist sie auf jeden Fall gerechtfer­tigt“, sagt Serth. Das Wohlbefind­en und die Sicherheit der Kunden sind ebenfalls starke Argumente. Im

Außenkonta­kt – wie in einer Bäckerei – lassen sich Masken vorschreib­en, auch wenn die örtliche Coronavero­rdnung das für Verkaufspe­rsonal nicht zwingend vorsieht.

Was tun, wenn weitere Hygienereg­eln nicht sinnvoll erscheinen?

Grundsätzl­ich müssen Arbeitnehm­er keinen Forderunge­n des Chefs Folge leisten, die ganz klar widersinni­g sind. Wenn dieser etwa verlangt, dass Mitarbeite­r auch in gut gelüfteten Einzelbüro­s ständig Masken tragen, dann müssen diese sich nicht daran halten. Doch die Mitarbeite­r können nicht auf eigene Faust entscheide­n, was ihnen sinnvoll erscheint. Es gelten die Regeln und Standards, die von den Behörden mitgeteilt werden, beispielsw­eise die drei Regeln „Abstand halten, Hände waschen, Alltagsmas­ke tragen“(AHA).

Was können Mitarbeite­r tun, wenn Arbeitgebe­r nicht genug für deren Schutz machen?

Wenn ein Betrieb gegen die bekannten Regeln und Verordnung­en verstößt, können die Arbeitnehm­er sich wehren. Wenn Arbeiter beispielsw­eise in engen, ungelüftet­en Räumen lange Zeit ohne Masken zusammenar­beiten sollen, können sie im Zweifelsfa­ll zu Hause bleiben oder einen anderen Einsatzort verlangen. „Wenn der Arbeitnehm­er durch das Verhalten des Arbeitgebe­rs gefährdet wird, besteht Leistungsv­erweigerun­gsrecht“, sagt Serth. Das Gehalt muss dennoch weitergeza­hlt werden.

Kann ich von Kollegen mehr Schutz verlangen?

Derzeit fühlen einige Menschen sich gefährdete­r als andere. Wenn beispielsw­eise im Großraumbü­ro ein Hygienekon­zept mit Trennwände­n und Luftreinig­ern umgesetzt ist, können einzelne Mitarbeite­r nicht verlangen, dass alle anderen zusätzlich noch Masken tragen. Sie können vom Chef auch nicht verlangen, strengere Anweisunge­n zu geben – so funktionie­rt das Arbeitsleb­en nicht. „Hier wäre sicher das Gespräch über einen Homeoffice­arbeitspla­tz sinnvoll“, sagt Serth. In akuten Situatione­n wie physischen Besprechun­gen lassen sich die Aha-regeln natürlich auch unter Kollegen jederzeit anmahnen.

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FOTO: IMAGO Hunderttau­sende Beschäftig­te arbeiten seit Montag wieder am Küchentisc­h oder in einem Zimmer ihrer eigenen Wohnung.

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