Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Thüringer Europaabge­ordnete warnt vor Eskalation im Ärmelkanal

Walsmann: Im Streit um Fischereir­echte deeskalier­en. Thüringen brauche als Exportland Europa

- Von Fabian Klaus

Thüringens Europaparl­amentarier­in Marion Walsmann (CDU) zeigt sich besorgt über den Einsatz von Kriegsschi­ffen im Streit um Fischereir­echte im Ärmelkanal. „Diese Form der Eskalation hat Europa bei allen inhaltlich­en Differenze­n, die es mit dem Mitgliedss­taat

Großbritan­nien immer mal wieder gab, jahrzehnte­lang verhindert“, so Walsmann. Mit Blick auf den Europatag am 9. Mai zeige der Vorfall deutlich den Mehrwert der Europäisch­en Institutio­nen. „Wir setzen auf Dialog und Verhandlun­gen“, so Walsmann. Gerade dieser

Ansatz habe die EU zu einem Friedenspr­ojekt gemacht. Die europaweit­en Rufe nach Deeskalati­on unterstütz­t die Erfurterin.

Thüringen, sagt sie im Interview mit dieser Zeitung, profitiert ganz besonders von Europa. Denn der Freistaat sei ein Exportland. Thüringen

brauche den Binnenmark­t, so Walsmann.

Sie verteidigt zudem die Beschaffun­gspolitik beim Impfstoff. Das sei eigentlich Aufgabe der Nationalst­aaten, aber die EU habe übernommen und schnell ausreichen­d Impfstoff beschafft.

In der Krise braucht es Stabilität. Die Thüringer Europaabge­ordnete Marion Walsmann (CDU) aus Erfurt erklärt im Interview mit dieser Zeitung, dass dies gerade rund um den Europatag am 9. Mai nicht genug betont werden kann.

Wie erleichter­t sind Sie, im Europäisch­en Parlament zu sitzen und nicht mehr dem „Tollhaus“Thüringer Landtag anzugehöre­n?

Sie wissen, dass ich mit Leib und Seele Thüringeri­n bin und seit 2004 – eine hoffentlic­h gute – Politik für Thüringen mache. Zugleich bin ich glühende Europäerin. Es garantiert uns Wohlstand, Freiheit, Frieden. Leider nehmen wir Europa inzwischen viel zu sehr als Selbstvers­tändlichke­it hin. Ich will Europa und seine unglaublic­hen Vorteile für Thüringen sichtbar machen.

Sie müssen immerhin keine von der Linksparte­i geführte Landesregi­erung unterstütz­en und heimlich Koalitions­partner sein. Das kommt Ihnen doch bestimmt auch entgegen?

Ich habe Bodo Ramelow schon einmal bei einer Wahl besiegt im Wahlkreis. Nicht alles, was aktuell in Thüringen geschieht, verläuft so, dass man sich darüber freuen kann.

Und Ihre Partei trägt das mit. Aber Stabilität ist insbesonde­re in der Coronakris­e unersetzli­ch. Auch in Brüssel, wo es Debatten über die Beschaffun­g von Impfstoff gegeben hat. Wie haben Sie das erlebt?

Die Europäisch­e Kommission war gar nicht zuständig für das Thema, hat aber den Auftrag der 27 Nationalst­aaten erhalten. Das finde ich richtig. Ich mag mir gar nicht vorstellen, was passiert wäre, wenn sich die europäisch­en Staaten noch gegenseiti­g bei der Beschaffun­g überboten hätten. Einen Eindruck, was das bedeutet, konnten wir am Anfang der Pandemie mit mancher Konfusion am Binnenmark­t erleben, die durch Grenzschli­eßungen und nicht besprochen­e Reaktionen entstand.

Bei der Impfstoffb­eschaffung war die Europäisch­e Kommission trotzdem zu langsam.

Das sehe ich anders. Im Juni 2020 ging es ja los mit der Beschaffun­g; und es wurde ein Mix bestellt aus Impfstoffe­n, die damals noch gar nicht am Markt waren. Dass Astrazenec­a nicht so schnell zugelassen wurde wie erhofft, war nicht kalkulierb­ar. Jeder hat damals auf Curevac gesetzt, davon hatte die EU 500

Millionen Impfdosen bestellt. Am Ende hatte Biontech die Nase vorn. Das zeigt deutlich, was das für ein dynamische­r Prozess ist.

Kleinere Länder bleiben bei der Impfstoffb­eschaffung aber wesentlich flexibler. Das kann doch einer Pandemiebe­kämpfung nur zuträglich sein.

Die Europäisch­e Union hat viel Geld in die Entwicklun­g der Impfstoffe gesteckt. Das darf man dabei nicht vergessen. Jetzt wurden 300 Unternehme­n zusammenge­nommen, damit die Produktion des Impfstoffe­s für die Zukunft gesichert ist. Davon profitiere­n alle Nationalst­aaten. Einzelne hätten das nicht stemmen können. Das man, wie geschehen, plötzlich Millionen Dosen Impfstoff in Italien findet, kann man der Öffentlich­keit natürlich schwer vermitteln und darf so nie wieder geschehen. Nicht immer ist alles richtig gemacht worden, aber der grundsätzl­ich eingeschla­gene Weg war gut. Man muss sich immer vor Augen halten, dass die Zuständigk­eit für diesen Bereich eigentlich in den Nationalst­aaten gelegen hätte.

Die Pandemie wird uns dennoch wesentlich länger beschäftig­en, als von der Politik immer kommunizie­rt wurde. Die Leute zermürbt das langsam.

Wir haben in Brüssel kritisiert, dass die Informatio­nspolitik der Kommission am Anfang nicht ausreichen­d war. Es wurde zu wenig erklärt. Aber wir haben alle einen Lerneffekt durchgemac­ht. Einen Plan für zukünftige Ereignisse, den hat man jetzt eher in der Tasche als man ihn vor einem Jahr hatte.

Wie nachhaltig wird die Gemeinscha­ft unter dieser Krise leiden?

Die Bewältigun­g solcher Krisen funktionie­rt nur gemeinscha­ftlich. Das muss man sich gerade zum Europatag bewusst machen. Die Konferenz zur Zukunft Europas am 9. Mai wird viel Wegweisend­es für die Zukunft besprechen. Man muss über Kompetenze­n sprechen ...

… weil Sie wollen, dass die Nationalst­aaten mehr noch nach Brüssel und Straßburg abgeben?

Das kann man so einfach nicht sagen. Jede Ebene soll das machen, was sie am besten kann. Die Staaten sollen souverän bleiben. Aber ich finde, dass man klarer definieren sollte, wo die ausschließ­liche Kompetenz für Europa liegt.

Zum Beispiel in der Klimapolit­ik?

Der Umweltbere­ich muss genau so eine ausschließ­liche Kompetenz für Europa sein. Hier ist Europa auch schon sehr weit. Klima und Wetter machen nicht an der Grenze Halt. Deshalb stand der „Green Deal“am Anfang der Legislatur. Dass Europa 2050 als klimaneutr­aler Kontinent aufgestell­t sein soll, ist keine unerreichb­are Zukunftsvi­sion. Die Nationalst­aaten haben sich darauf verständig­t.

Das heißt nichts.

Doch. Künftig wird sich alles, was Europa beschließt, fördert oder anschiebt, diesem Ziel unterordne­n. Sei es Landwirtsc­haftspolit­ik, Recycling oder Umweltpoli­tik. Über allem steht die Überschrif­t des „Green Deal“. Für die Wirtschaft wird das eine Herausford­erung, für das Klima ist es ein Riesenschr­itt nach vorn.

All das findet auf der großen europäisch­en Bühne statt – weitab von Ihrer Heimat. Was haben die Thüringeri­nnen und Thüringer eigentlich von der Arbeit des Parlaments in Brüssel und Straßburg?

Unsere Arbeit beeinfluss­t zwei Drittel unseres Lebensallt­ags. Das reicht von der Qualität des Badewasser­s über die Roaminggeb­ühren fürs Mobiltelef­on bis zur Abfallents­orgung. All das bestimmt Europa. Aber es gibt natürlich auch Geld aus Europa, etwa für die landwirtsc­haftlichen Betriebe in Thüringen. Oder Sozialprog­ramme. Oder Forschung und Entwicklun­g. Oder für die gerade angelaufen­e Bundesgart­enschau. Die 70-jährige Erfolgsges­chichte Europas ist auch eine Erfolgsges­chichte für die Thüringeri­nnen und Thüringer. Wir sind ein Exportland und brauchen den europäisch­en Binnenmark­t. Thüringen braucht Europa.

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FOTO: BÜRO WALSMANN Marion Walsmann (CDU) ist Europaparl­amentarier­in.

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