Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
Bargeld in Plastiktüten
Skandalkonzern Wirecard: Jan Marsaleks Assistentin berichtet aus Arbeitsleben des flüchtigen Ex-managers
Berlin.
Jan Marsalek ist an diesem Abend nicht im Raum, omnipräsent ist er aber trotzdem. Seit fast elf Monaten ist das frühere Vorstandsmitglied des Skandalkonzerns Wirecard auf der Flucht, er gilt als Drahtzieher hinter dem Milliardenskandal. Und als einer der mysteriösesten Wirtschaftskriminellen, der nicht nur eine komplexe Scheinwelt innerhalb der Firma errichtet, sondern auch in engem Kontakt mit Geheimdiensten und Politikern gestanden haben soll.
Nun befasste sich der Wirecard-untersuchungsausschuss erneut mit Jan Marsalek. Eigentlich sollte die Befragung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor zwei Wochen das Finale des Gremiums bilden. Doch das Mysterium Marsalek lässt die Abgeordneten nicht los. Und so ist in der 15stündigen Befragung unter anderem seine langjährige Assistentin zu Gast. Nett sei Marsalek gewesen, berichtet Sabine H. „Ein sehr fairer, ein sehr loyaler, ein sehr höflicher Chef.“
Bei Wirecard sei immer etwas los gewesen, langweilig sei es nie geworden, erzählt H. Aber: „In dieser Firma haben sich viele Leute über vieles gewundert“, beschreibt die 42Jährige das Klima. Auch die Abgeordneten wundern sich an diesem Abend. Zum Beispiel
über die Erzählung der Assistentin, wonach sie für Marsalek Bargeld aus der hauseigenen Wirecard-bank abholen sollte, das er an Wirecardkunden weitergeben wollte. Dabei handelte es sich der Erinnerung von Sabine H. nach um Summen von einmal 200.000 und einmal 300.000 Euro. Übergeben wurde ihr das Geld in Plastiktüten. Ungewöhnlich? Es sei ihr halt so überreicht worden, sagt H.
Zum Privatleben Marsaleks kann sie wenig erzählen, obwohl sie sieben Jahre lang für ihn gearbeitet hat, immer für ihn erreichbar sein musste. Aber er habe eine Linie zwischen Privat- und Berufsleben gezogen, berichtet die Münchnerin.
Details über Marsaleks Umgangsformen könnte einer von Wirecards früheren Anwälten erzählen, der an diesem Abend geladen ist. Darf er aber nicht, sagt der Anwalt. Er habe Marsalek Zeugenbeistand geleistet, der Manager habe ihn nicht von seiner Verschwiegenheitspflicht entbunden. Ähnlich hatten bereits die Ey-wirtschaftsprüfer argumentiert.
Ein Partner von EY ist an diesem Abend ebenfalls geladen. Der Forensiker und frühere Nachrichtenoffizier hatte im Rahmen eines Wirecard-projekts viel mit Marsalek zu tun, beschreibt ihn als „in Teilen brillant“, als eloquent und höflich. „Ein ganz schöner Hansdampf“, fasst der Zeuge zusammen.