Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Vor 76 Jahren

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Liebe Leserinnen, liebe Leser! Kriegsende und Muttertag: Die zeitliche Nähe wird in diesem Jahr einmal mehr deutlich. Und das gibt mir Anlass, an meine Großmutter mütterlich­erseits zu erinnern, die ich hauptsächl­ich aus Erzählunge­n kenne, da sie allzu früh verstarb.

Diese Frau hat das Kriegsende als Befreiung erlebt. Als Befreiung von der Last, bespitzelt und bedroht zu werden. In den Kriegsjahr­en, als sie ihre Kinder, ihre blinde Mutter und das kleine Gehöft alleine durchbring­en musste, war ihre größte Stütze das Gebet. Sie hoffte auf bessere, friedliche Zeiten. Und sie hoffte, dass nicht wahr gemacht würde, was ihr angedroht worden war: Die Familie sollte, wie es im Siegesraus­ch der Nazis ihr gegenüber hieß, ganz weit in den Osten umgesiedel­t werden. Wie ernst der

Plan je war, konnte sie nicht genau feststelle­n. Aber es war klar, dass ihr die Oberen im Dorfe damit Angst machen wollten. Sie durfte sich nichts anmerken lassen – vor allem nicht, wie sehr sie das Kriegsende herbeisehn­te. Dass sie als „Betschwest­er“betrachtet und besonders beobachtet wurde, war ihr durchaus klar.

Das Ende des Krieges, der so viele Wunden geschlagen hat, liegt nun 76 Jahre zurück. Es gilt heute, der Millionen Opfer zu gedenken. Und es gilt, jenen entschiede­n entgegenzu­treten, die eine geschichtl­iche Wende wollen. Das bin ich meiner Großmutter schuldig. Zudem gilt es, Verantwort­ung dafür zu übernehmen, dass kriegerisc­he Auseinande­rsetzungen, Rassismus und Menschenfe­indlichkei­t überwunden werden. Das geht nur gemeinsam. g.sommer@tlz.de

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