Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Die Frau in Rot

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Am Sonntag ist ein ganz besonderer Tag. Und? Richtig! Es ist Europatag. Also, alle schnell die blaue Fahne mit den vielen goldgelben Sternen im Vorgarten, auf dem Balkon oder neben der Datsche hissen.

Die Einzige, die die Thüringer Fahne in Brüssel und Straßburg hochhält, ist …

Na, wissen Sie es? Wieder richtig! Marion Erika Walsmann.

Auch wenn Sie sie nicht kennen sollten, die Erfurterin kann man gut und gerne als christdemo­kratische Allzweckwa­ffe bezeichnen. Oder wer es weniger militärisc­h mag: Multitalen­t.

Dass Walsmann zu Ddr-zeiten in der Volkskamme­r blockflöte­te, konnte ihren Aufstieg in der freistaatl­ichen CDU nicht verhindern. Anfang der 2000er gelang ihr der Sprung in den Landtag, und fortan sammelte sie Ministerpo­sten wie andere Briefmarke­n oder Schuhe. Dass (vor allem männliche) Volljurist­en über sie als Justizmini­sterin lästerten, weil Walsmann nur ein Diplom aus Leipzig vorzuweise­n hatte, lächelte sie souverän weg.

Für sie galt der Grundsatz: Es gibt nichts, was ich mir nicht zutraue. Deshalb übernahm Walsmann anschließe­nd auch das Finanzress­ort. Nach einer allerdings – formuliere­n wir es neutral – nicht sonderlich glückliche­n Zeit war schon ein Jahr später Schluss. Die Erleichter­ung soll bei ihr genauso groß gewesen sein wie bei Haushaltse­xperten und Steuerzahl­ern.

Für andere wäre damit das Karriere-aus besiegelt gewesen. Nicht für Walsmann, die als Ministerin für Bundes- und Europaange­legenheite­n und Chefin der Staatskanz­lei

in die Regierungs­zentrale wechselte. Dort saß als Ministerpr­äsidentin Christine Lieberknec­ht. Und irgendwann wurde klar: Zwei ist eine zu viel. Als logische Konsequenz andauernde­r Dissonanze­n machte das Wort vom „Zickenkrie­g“die Runde. Walsmann musste gehen und konzentrie­rte sich auf ihr Abgeordnet­enmandat.

Gerne wäre sie Oberbürger­meisterin ihrer Geburtssta­dt geworden, schaffte es jedoch nicht, den Amtsinhabe­r aus dem Sattel zu heben.

Aber selbst damit war ihre politische Laufbahn nicht zu Ende. Als die CDU eine Kandidatin für das Europaparl­ament suchte, war Walsmann zur Stelle und wahlkämpft­e sich tapfer durch Fußgängerz­onen und Einkaufsce­nter.

Seit knapp zwei Jahren gehört sie jetzt dem Eu-parlament an und bringt neben natürlich wegweisend­en Initiative­n vor allem Farbe ins Spiel. Walsmann bevorzugt – ob bei Lippenstif­t, Nagellack oder Blazer – ein strahlende­s Rot. Einfach mal googeln, und sie wissen, was gemeint ist.

Walsmann kokettiert übrigens selbst gerne mit ihrer Marotte. In ihrem Büro hängt ein Schnappsch­uss, der die Eu-abgeordnet­en von hinten zeigt. Es ist ein Meer aus Grau und Schwarz mit einer einzigen Frau in Rot. Für manchen Unionschri­sten ein willkommen­er Kontrast zum dunklen Anzugträge­r, der aktuell in Südthüring­en von sich reden macht.

Aber um auf den Beginn dieser Zeilen zurückzuko­mmen. Jaha, am Sonntag ist auch und vor allem: Muttertag! Aber liebe Töchter und Söhne, kommt jetzt bitte nicht nur mit roten Rosen in Glassichtf­olie vom Discounter um die Ecke ...

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