Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
„Klimaschutz ist Freiheitsschutz“
Grünen-chef Robert Habeck sagt, mit welchen Maßnahmen er den Klimawandel aufhalten will
Berlin.
Der Mann hinter Annalena Baerbock wirkt aufgeräumt. Das historische Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat das Kernthema der Grünen – den Klimaschutz – wieder oben auf die Agenda gesetzt. Im Interview mit unserer Redaktion sagt Parteichef Robert Habeck, was auf die Bürger zukommt - und gibt Antworten auf die heikle Koalitionsfrage.
Die Kanzlerkandidatur von Annalena Baerbock beschert den Grünen einen Umfrageboom, der an die SPD und Martin Schulz vor vier Jahren erinnert. Sind Sie sicher, dass Sie das bessere Ende haben?
Robert Habeck: Wir wissen, dass Umfragen nicht stabil sind, und wir arbeiten weiter hart: an uns, an der Programmatik, an der öffentlichen Kommunikation. Aber der Vergleich mit Martin Schulz macht mir jetzt keine Angst. Die Grünen stehen auf einer stabil gewachsenen, breit getragenen Zustimmung. Martin Schulz wurde von der Kanzlerkandidatur überrascht, die Partei war nicht auf ihn eingestellt. Das ist bei uns anders.
„Die Linkspartei muss in einem besonderen Maße beweisen, dass sie regierungsfähig ist.“
Kann man Kanzlerin werden ohne Regierungserfahrung?
Warum nicht? Annalena Baerbock repräsentiert eine Partei und gesellschaftliche Bewegung, die die Zukunft im Blick hat.
Haben Sie Ihren Frieden gefunden mit der neuen Rolle als Nummer 2?
Klar. Ich bereite konzentriert mögliche Koalitionsgespräche vor. Ich arbeite an den inhaltlichen Konzepten und freue mich auf den Wahlkampf.
In diesem Wahlkampf werden Sie einen Satz immer wieder hören: Wer die Grünen wählt, wacht mit einem Linksbündnis auf. Sie haben hier Gelegenheit, das zu entkräften.
Die Union wird versuchen, uns in eine Ecke zu stellen. Oberflächliche Bündnisdebatten nutzen ihr aber gar nichts. Wir werden einen eigenständigen Wahlkampf für unsere Ziele führen und keine Ausschließeritis betreiben. Dann entscheidet der Souverän, welche Regierungsoptionen da sind. Und diejenige, in denen man am meisten der notwendigen Vorhaben umsetzen kann, hat die größte Chance, realisiert zu werden.
Sie werden den Bürgern schon sagen müssen, ob Sie bereit sind, der Linkspartei zur ersten Regierungsbeteiligung auf Bundesebene zu verhelfen.
Die Wählerinnen und Wähler wissen, dass die gegenseitige Ausschließerei von Parteien am Ende zu Unregierbarkeit führen kann.
Ich weise darauf hin, dass die SPD vor vier Jahren eine große Koalition ausgeschlossen hat – und trotzdem haben wir sie bekommen.
Ist die Linke denn regierungsfähig?
Die Linkspartei muss in einem besonderen Maße beweisen, dass sie regierungsfähig und bereit ist, für dieses Land Verantwortung zu übernehmen. Das schließt die außenpolitische Verantwortung, ein Bekenntnis zur Nato mit ein. Aber auch, dass der industrielle Kern dieser Republik nicht zerstört wird. Das ist mit uns nicht zu machen.
In der Klimapolitik werden nach dem spektakulären Urteil des Bundesverfassungsgerichts die Karten neu gemischt. Wird der Regierungsentwurf für ein neues Klimagesetz – Deutschland soll bis 2045 klimaneutral werden – den Vorgaben aus Karlsruhe gerecht?
Das Gerichtsurteil ist deswegen bemerkenswert, weil es ganz stark von den Freiheitsrechten gerade der jungen Generation ausgeht. Klimaschutz wurde vom politischen Mitbewerber häufig als Gegenteil von Freiheit dargestellt: Regeln, Verbote, Ordnung, Staat. Damit ist jetzt Schluss. Klimaschutz ist Freiheitsschutz. Das hat das Bundesverfassungsgericht herausgearbeitet. Es ist gut, dass die Koalition sich jetzt bewegt.
65 Prozent Co2-einsparung bis 2030 – geben Sie sich damit zufrieden?
Unsere Zahlen sind einen Tick ehrgeiziger: Wir halten 70 Prozent Co2-einsparung bis 2030 für nötig. Und wir wollen so schnell es geht die 100 erreichen. Aber vor allem müssen die Ziele jetzt mit konkreten Maßnahmen hinterlegt werden, sonst sind sie nur Zahlen in einem Gesetz. Also ein konsequenter und schneller Ausbau der Erneuerbaren, Abbau der umweltschädlichen Subventionen, höherer Co2-preis. Das sind Dinge, die gleichzeitig mit beschlossen werden sollten. Daran wird die Regierung gemessen.
Wie hart werden die Klimaschutzmaßnahmen, wenn die Grünen regieren? Vom sächsischen Ministerpräsidenten kommt schon die Warnung, auf den Corona-lockdown könnte ein Klima-lockdown folgen …
Herr Kretschmer hat die Logik nicht verstanden. Wir schützen das Klima um der Freiheit willen. Es geht doch gerade darum, jetzt in den nächsten Jahren konsequent zu handeln, damit spätere Regierungen nicht zu drastischen Schritten greifen müssen. Deswegen müssen wir jetzt beim Klimaschutz in die Gänge kommen. Die staatlichen Regeln – die Förderung wie auch die Ordnungspolitik – müssen auf das