Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
Zur Person
n Robert Habeck (51) ist seit Januar 2018 Vorsitzender der Grünen. Im Rennen um die Kanzlerkandidatur unterlag der Lübecker im April Co-chefin Annalena Baerbock. Von 2012 bis August 2018 war Habeck stellvertretender Ministerpräsident und Minister für Energiewende, Landwirtschaft und Umwelt in Schleswig-holstein. Der promovierte Philosoph und „säkulare Christ“schrieb mit seiner Frau, der Schriftstellerin Andrea Paluch, Romane, Kinderbücher und ein Theaterstück. Das Paar hat vier Söhne und wohnt in Flensburg.
Niveau des Pariser Klimavertrags gebracht werden. Es darf gerade nicht zu einem so starken Anstieg der Co2-emissionen und der Temperatur kommen, dass wir persönliche Freiheiten verlieren.
Was bedeutet das konkret? Werden Inlandsflüge verboten, wenn Annalena Baerbock ins Kanzleramt einzieht?
Ich halte es für erstrebenswert, Kurzstreckenflüge – das kann auch über das Inland hinausgehen – bis 2030 überflüssig zu machen, indem wir die Bahn ausbauen.
Kommt Tempo 130 auf Autobahnen?
Das finde ich sinnvoll, ja.
Schaffen Sie den Verbrennungsmotor ab?
Wir wollen, dass ab 2030 nur noch emissionsfreie Autos neu zugelassen werden. Natürlich kann jeder sein Auto noch weiterfahren.
Schränken die Grünen den Fleischkonsum ein?
Das individuelle Kaufverhalten ist in unserer Gesellschaft frei, zu Recht. Wir werden die Landwirtschaft aber tiergerechter und umweltfreundlicher machen.
Ihre Partei hat den Eindruck erweckt, sie wolle Einfamilienhäuser verbieten. Ein Missverständnis?
Ja, und mir scheint, dass so manche es auch missverstehen wollten. Natürlich wird es in Deutschland weiter Einfamilienhäuser geben, für viele gehört Wohneigentum zu ihrem Traum von einem gelingenden Leben dazu. Aber Flächen sind knapp, Preise hoch, gerade in Ballungsgebieten. Da stehen Kommunalpolitiker aller Parteien vor der großen Aufgabe, möglichst vielen Menschen auf knappem Boden ein bezahlbares Zuhause zu ermöglichen. Auch Cdu-bürgermeister sorgen dafür, dass in den Innenstädten der Wohnraum bestmöglich für die Bürgerinnen und Bürger genutzt wird.
Wie wollen Sie verhindern, dass Mieter überfordert werden, wenn der Co2-preis steigt?
Der Co2-preis zielt darauf, dass Heizsysteme ausgetauscht werden, die Treibhausgase emittieren. Deswegen wäre es sachgerecht, dass der maßgebliche Teil des Co2-preises vom Vermieter getragen wird.
Braucht Deutschland einen bundesweiten Mietendeckel, um Wohnraum bezahlbar zu halten?
Wohnen und Mieten sind eine drängende soziale Frage geworden. In vielen Innenstädten finden Familien und Menschen mit Durchschnittseinkommen einfach keine angemessene Wohnung mehr. Sie werden aus ihren Quartieren verdrängt und haben lange Pendelwege zur Arbeit, was wiederum die Lebensqualität einschränkt. Der Bundesgesetzgeber sollte Möglichkeiten schaffen, dagegen vorzugehen. Ob aber von diesen Möglichkeiten Gebrauch gemacht wird, sollte vor Ort nach der jeweiligen Notwendigkeit entschieden werden.
Soll heißen?
Ich bin gegen einen bundeseinheitlichen Mietendeckel. Das ist der Sache nicht angemessen. Wir sollten der Politik vor Ort aber die Möglichkeit geben, mehr und verschiedene Instrumente einzusetzen – ohne wegen mangelnder Zuständigkeit vor dem Bundesverfassungsgericht zu scheitern, wie das jetzt in Berlin geschehen ist. Dann liegt es in der Abwägung von Land oder Kommune, ob ein Mietendeckel ein sinnvolles Instrument ist oder nicht. Die Erfahrungen damit sind ja ambivalent. Aber wie gesagt – da macht die lokale Differenzierung und Verantwortung Sinn. Und ohnehin sind das alles nur Brückenlösungen. Wir müssen vor allem mehr sozialen Wohnraum bauen.