Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
Ein Schulrauswurf und drei Pleiten
Vor 225 Jahren wurde das Thüringer Verleger-genie Joseph Meyer geboren
Joseph Meyer (1796-1856) gilt als einer der bedeutendsten Verleger des 19. Jahrhunderts: „Meyers Lexikon“brachte über Generationen das Wissen der Welt in deutsche Haushalte. Er verlegte als Erster „Brehms Tierleben“. Und auch seine erfolgreichen Klassiker-reihen und Atlanten ermöglichten breiten Schichten Zugang zu universeller Bildung. Das Leben des vielfältigen Unternehmers verlief keineswegs geradlinig.
Am Sonntag vor 225 Jahren in Gotha geboren, fliegt er bereits im Alter von elf Jahren von der Schule. Beim Versuch, seinen jüngeren Bruder zu rächen, bricht er einem Jungen den Arm. Die Eltern schicken ihn daraufhin auf eine Privatschule nach Weilar. „Ein Glücksfall“, wie Michael Römhild, Leiter des Stadtmuseums Hildburghausen, sagt. Die Schule von Salomo Grobe ist philanthropisch-liberal ausgerichtet.
Spekulationsgeschäfte mit Kaffee treiben ihn in den Ruin
Nach der Ausbildung in einer Kolonialwarenhandlung in Frankfurt am Main geht Joseph Meyer 1817 unter anderem im Auftrag von Herzog August von Sachsen-gotha nach London. Er soll auf Messen Kunstgegenstände aus Fernost erwerben. Spekulationsgeschäfte mit Kaffee treiben ihn jedoch in den Ruin. Meyer flieht aus London und entkommt nur knapp dem Schuldturm. Herzog August zieht seinen Teil der Schulden beim Vater ein, was den Hofschuhmacher in finanzielle Bedrängnis bringt.
Meyer Junior zieht sich unterdessen nach Weilar zurück, wo er sich in die Tochter seines ehemaligen Schulleiters verliebt: die schöne 16jährige Hermine. Bald wird Verlobung gefeiert, und Meyer steigt in die Textilbranche ein. Doch auch in der Rhön verstrickt er sich in Spekulationsgeschäfte. Diesmal steht er aber selbst für die Schulden gerade und führt die Firma bis zur Tilgung weiter.
1824 ziehen Joseph und Hermine nach Gotha. Hier gründet er nach ersten publizistischen Versuchen das Bibliographische Institut. Um weitere finanzielle Risiken von
Joseph Meyer – Ölgemälde von Gerhard Renner, 1990 nach der Daquerreotypie.
vornherein auszuschließen, wird Hermine Eigentümerin. Er begnügt sich mit der Rolle des Geschäftsführers. Für seine hochgesteckten Pläne übersiedelt er mit seinem Unternehmen 1828 nach Hildburghausen. Im Brunnquellschen Palais hat er genug Platz für Druckerei, Buchbinderei, Pressenbau, kartographische sowie Kunstanstalt.
Von 1840 bis 1855 erscheint dort Meyers Conversationslexikon in 52 Bänden. Es gilt als eines der wichtigsten und umfangreichsten Buchprojekte des 19. Jahrhunderts. Es richtet sich an ein breites Publikum, überzeugt mit Illustrationen und dem Anspruch, allgemeinverständlich zu sein.
Bildung war für den liberal-demokratischen Verleger ein entscheidender Schritt zu einem mündigen
Bürgertum. Revolutionäre Ideen veröffentlicht er zunächst in den Zeitschriften „Der Hausfreund“und „Der Volksfreund“, die jedoch beide verboten werden. Letztlich versteckt er seine politischen Essays in der Zeitschrift „Meyer‘s Universum“. Sie gibt vor, von allem Sehenswerten auf dieser Erde zu berichten, und begeistert noch heute mit ihren traumhaften Stahlstichen. Dennoch landet Meyer zweimal in Haft.
Er hat zwei Mal in der Woche nachts durchgearbeitet
Neben den verlegerischen Tätigkeiten engagiert sich Meyer Mitte der 1830er-jahre auch intensiv im Eisenbahnbau. Dafür kauft er Kohleund Erzlagerstätten auf und avanciert zeitweise zu einem der größten Montan-unternehmer in Deutschland. Doch die Wirtschaftskrise von 1847 beschert ihm die dritte unternehmerische Pleite. Sein Bibliografisches Institut bleibt jedoch unberührt.
„Er hat zweimal in der Woche nachts durchgearbeitet“, beschreibt Museumsleiter Römhild Meyers enormes Arbeitspensum. Dessen Kontorschrank steht heute im Stadtmuseum Hildburghausen. Den Rücken seinen Gästen zugekehrt, soll er oft nur über einen Spiegel mit ihnen kommuniziert haben.
Das Stadtmuseum Hildburghausen besitzt die wohl größte Sammlung historischer Erstausgaben des Bibliographischen Instituts. Darüber hinaus ist dort Joseph Meyer ein eigener Ausstellungsteil gewidmet.