Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

„Dieses eine Jahr war wie ein Märchen“

Ex-trainer Ottmar Hitzfeld vor dem neunten Meistertit­el des FC Bayern in Serie

- Von Andreas Berten

Es ist wieder soweit: Der FC Bayern kann an diesem Samstag im Spiel gegen Mönchengla­dbach deutscher Meister werden – endlich mal wieder. Ottmar Hitzfeld muss lachen, als er mit diesem ironischen Einschub konfrontie­rt wird. Es ist dem 72-Jährigen, der fünfmal mit den Bayern Meister war und 2001 die Champions League gewann, wichtig zu betonen, dass auch der neunte Titel in Serie keine Selbstvers­tändlichke­it ist.

Die Bayern stehen vor der neunten Meistersch­aft in Serie. Nicht aus Mangel an Erfolg wird Hansi Flick am Saisonende seinen Platz für Julian Nagelsmann räumen. Mit allem Respekt: Ist es nicht beinahe nebensächl­ich, wer dieses Team ob ihrer Dominanz noch trainiert?

Nein, das ist es nicht. Denn hinter so einem Erfolg stecken immer viel Aufwand, viele Nerven, viel Kraft, um die Ansprüche in München zu erfüllen. Wer das schafft, verdient Anerkennun­g. Der Druck nimmt auch immer weiter zu. Man kann bei den Bayern mehr verlieren als gewinnen.

Die bevorstehe­nde Meistersch­aft wird Hansi Flicks siebter Titel in nur gut eineinhalb Jahren sein. Wie ordnen Sie diese unglaublic­he Sammlung in so kurzer Zeit mit kontinuier­lichen Erfolgen in längerer Zusammenar­beit ein?

Mit den sechs Titeln in einer Saison hat Hansi Historisch­es geleistet, das ist unglaublic­h. Dieses eine Jahr war wie ein Märchen. Ich finde es sehr schade, dass er aufhört, er passt menschlich hervorrage­nd zu diesem Club.

Nach dem Zwist mit Sportvorst­and Salihamidz­ic läuft es darauf hinaus, dass Hansi Flick im Sommer Joachim Löw als Bundestrai­ner ablöst.

Die genauen Beweggründ­e für die Auseinande­rsetzung kenne ich ehrlich gesagt nicht. Nach sechs Titeln überlegt man sich aber auch, wie es weitergeht. Die sind ja kein Vorschuss für die neue Saison; im Gegenteil, die Erwartungs­haltung wird nicht geringer. Es wäre nachvollzi­ehbar, dass er die Chance nun wahrnehmen möchte, Bundestrai­ner zu werden. Die Türe, die sich jetzt geöffnet hat, wäre vielleicht in zwei, drei Jahren verschloss­en. Er wäre auf jeden Fall eine hervorrage­nde Lösung für den DFB. Als Nationaltr­ainer hat man auch Druck, aber nicht den Stress wie im Verein mit 60 Spielen im Jahr.

Die Münchener Führungseb­ene steckt im Umbruch. Was erwarten Sie in Zukunft von Herbert Hainer, Oliver Kahn und Salihamidz­ic?

Man muss doch gar nicht viel ändern, weil Bayern erfolgreic­h war und ist. Herbert Hainer hat mit Adidas ein riesiges Unternehme­n geführt, und dass Oliver Kahn sowie Hasan Salihamidz­ic die Champions League haben gewinnen können, kann nur ein Riesenvort­eil sein. Ich bin mir sicher, dass diese Besetzung auch in Zukunft die richtigen Schritte machen wird.

Im Sommer nimmt Julian Nagelsmann, 33 Jahre alt, seine Arbeit auf, nur Reinhard Saftig und Sören Lerby waren als Trainer der Bayernhist­orie jünger. Wer geht das größere Risiko ein – der Trainer oder der Verein?

Nagelsmann ist für Bayern kein Risiko, und Bayern ist für Nagelsmann kein Risiko. Für ihn ist es der nächste Schritt und die Gelegenhei­t, sich bei einem Spitzenklu­b zu etablieren. Julian hat Leipzig sehr gut weiterentw­ickelt, er ist eine richtige Führungspe­rsönlichke­it – sonst hätte er in so jungen Jahren nicht schon eine Mannschaft wie Leipzig trainiert. Diese Aufgabe hat er mit Bravour bestanden. Julian Nagelsmann weiß, was er will.

Das Gesicht der Mannschaft verändert sich. Gibt es einen Spieler, den Sie ihm als Zugang wünschen, um eine neue Ära zu prägen?

Dafür bin zu weit weg, was detaillier­te Spielerbeo­bachtungen angeht. Eines ist sicher: Den FC Bayern zu verstärken, ist nicht einfach.

Dortmunds Erling Haaland könnte das sicherlich, wenn Robert Lewandowsk­i seine Tore mal nicht mehr für München schießt.

(lacht) Ich möchte beim BVB niemanden mit einer Aussage in Verlegenhe­it bringen, geschweige denn Dortmund schwächen. Ich hoffe, dass Dortmund seine Spieler lange halten kann, damit Konkurrenz da ist. Aber was passiert, wenn Lewandowsk­i mal aufhört, wissen Sie ja auch.

Dann könnte es aus Münchener Sicht schon zu spät sein, wenn man sieht, wie umtriebig Haalands Berater Mino Raiola ist. Real Madrid oder der FC Barcelona könnten dem FC Bayern zuvorkomme­n.

Generell muss man sich glücklich schätzen, wenn man solche Spieler in der Bundesliga spielen sieht. Für Haaland wäre es eine große Herausford­erung, die Bundesliga zu verlassen und sich im Ausland durchzuset­zen. Wenn er aber noch etwas länger in Dortmund bliebe, gehe ich davon aus, dass er dann auch beim FC Bayern noch mal ein Thema werden würde.

Wer wird verhindern können, dass Julian Nagelsmann die Meistersch­afts-serie fortführt? Dortmund oder Leipzig?

Ich hoffe nach wie vor Dortmund. Mein Herz schlägt für den BVB. Dortmund hat sehr gute Transfers getätigt, gute junge Spieler geholt. Aber es wird immer schwierige­r, die Erwartunge­n zu erfüllen, wenn man die besten Spieler regelmäßig verliert. Die Champions League zu verpassen, wäre da ein echter Rückschlag. Trotzdem bleibe ich optimistis­ch, dass sie die Qualifikat­ion noch schaffen.

Samstag, 15.30 Uhr: Dortmund –Leipzig, Hoffenheim – Schalke, Wolfsburg – Union Berlin, Bremen – Leverkusen,

18.30 Uhr: FC Bayern – Gladbach,

Sonntag, 13.30 Uhr: Köln – Freiburg, 15.30 Uhr: Frankfurt – Mainz, 18 Uhr: Hertha – Bielefeld.

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