Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
Ovtcharov wehrt vier Matchbälle ab und holt Bronze
Tischtennis Einen Tag nach seiner bitteren Halbfinal-niederlage holt Dimitrij Ovtcharov mit riesiger Moral Bronze
Tokio. Dimitrij Ovtcharov hat bei den Olympischen Spielen die Bronze-medaille gewonnen. Er entschied das Spiel um Platz drei gegen Lin Yun-ju aus Taiwan nach der Abwehr von vier Matchbällen in 4:3 Sätzen noch für sich.
Ebenfalls Bronze sicherte sich Hannes Aigner im Kanuslalom. Im Rudern holte der favorisierte Deutschland-achter Silber. Tennisspieler Alexander Zverev greift am Sonntag nach Gold. Er besiegte den Weltranglisten-ersten Novak Djokovic.
Tokio. Als er das Medaillen-mitbringsel für Tochter Emma nach einer emotionalen Achterbahnfahrt sichergestellt hatte, ging Dimitrij Ovtcharov kurz in die Knie und presste seine Stirn gegen den Tisch. Mit einem Handtuch tupfte sich der 32-Jährige die Augen trocken und umarmte lange und innig Tischtennis-bundestrainer Jörg Roßkopf. Auf der Tribüne klatschte Ioc-präsident Thomas Bach Beifall, Ovtcharovs Teamkollegen sprangen von ihren Sitzen auf. Nach dem zweiten Wahnsinns-match in zwei Tagen und der Abwehr von vier Matchbällen bejubelte Ovtcharov die bronzene Plakette wie eine goldene.
„Gestern wollte ich aufhören mit Tischtennis. Mein Vater hat gesagt: Wenn du heute gewinnst, Dima, sieht die Welt wieder ganz anders aus. Und er hat Recht gehabt“, sagte Ovtcharov nach seinem Sieg in 4:3 Sätzen (13:11, 9:11, 6:11, 11:4, 4:11, 15:13, 11:7) gegen Lin Yun-ju, den 19 Jahre alten Shootingstar aus Taiwan. Zum zweiten Mal nach 2012 in London kehrt der frühere Weltranglisten-erste mit Einzelbronze von Olympia zurück.
Im sechsten Satz stemmte sich Ovtcharov so oft gegen die drohende Niederlage, dass ihm später kein anderer Begriff einfiel als die „emotionale Achterbahnfahrt“, um seine Gemütslage zu umschreiben. Im Viertelfinale rang er nach einem 0:2-Satzrückstand noch den Brasilianer Hugo Calderano nieder, im Halbfinale lieferte er sich einen denkwürdigen Schlagabtausch mit dem Chinesen Ma Long, der sich durch den Finalsieg gegen Fan Zhendong Gold holte. Doch alle Selbstzweifel und körperliche Qual waren verflogen. „Es ist kaum in Worte zu fassen, wie glücklich ich bin“, sagte Ovtcharov. „Ich bin jetzt wirklich wieder auf Wolke sieben.“
Dabei war die Vorbereitung keinesfalls optimal verlaufen. Ovtcharov konnte nicht wie sonst üblich in der Olympia-halle das Abschlusstraining absolvieren. Weil für den Vormittag vom Organisationskomitee „weder Sicherheitspersonal noch Volunteers eingeplant“ werden konnten, stand die Spielstätte nicht zur Verfügung. Ovtcharov verzichtete daher auf ein Einspielen in der Halle – und musste grinsen, als er sagte: „Ich war ganz froh, das hätte mir wahrscheinlich Kraft genommen.“
So aber bestätigte er eindrucksvoll die Bewertung des früheren Weltklassespielers Roßkopf, der sagte: „Dafür ist Dima bekannt, er kämpft immer weiter, er kann solche Dinge abhaken.“Und wie. Mit Moral, Willen und physischer Stärke rang er seinen Gegenüber nieder. Damit erfüllte er nicht nur den Herzenswunsch seiner Tochter, die „sich wünscht, dass er ihr etwas mitbringt, am liebsten eine Medaille“, wie Roßkopf verriet.