Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
Die verbalen Viehtreiber
Liebe Leserinnen, liebe Leser! Es ist schon interessant und geradezu entlarvend, was passiert, wenn das Fernsehpublikum mal zeitgenössische Motivationsmethoden live erlebt. Und das bei einer Sportart, die auch sonst öfter mal wegen Untiefen von sich reden macht.
Offenbar gibt es in der Sportwissenschaft eine noch immer betriebene Methode, Spitzenleistungen hervorzurufen, indem derjenige, der die Sportler anfeuert, die Konkurrenz schlecht macht. Also mit üblen Worten belegt. Herabwürdigung des Gegners als Beschleuniger für die eigene Truppe?
Das ist ja oft dann der Fall, wenn affenartige Teile des Publikums im Stadion austicken und mit Geräuschen und Gesten versuchen, bestimmte Gegner zu entmenschlichen. Insofern ist es manchmal besser, wenn vor leeren Ränge gespielt wird. Aber das ist natürlich keine Lösung.
Es gibt in solchen Situationen immer Ausreden. Frei nach dem Motto: War doch nicht so gemeint. Ist einfach nur so rausgerutscht … Mir schrieb ein Leser, der Trainer der gegnerischen Radfahrer hätte doch die deutsche Konkurrenz „Kartoffel“nennen können. Hat er aber nicht. Vielleicht deshalb, weil die Motivationsmethode „Entwürdige den Gegner“längst nicht mehr auf der Höhe der Zeit ist.
Olympia im Jahr 2021 in Japan zeigt in einer ganzen Reihe von Sportarten, wie fair und nobel sich Sportlerinnen und Sportler verhalten. Von mitreisendem Personal, das sich aufs das Treiben von Mensch und Vieh offenbar besonders gut versteht, dürfen wir das auch erwarten. g.sommer@tlz.de