Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Das blaue Licht

Die Sommerkomö­die Erfurt spielt „Cyrano de Bergerac“– und trifft

- Von Henryk Goldberg www.sokoerfurt.de

Erfurt. „Und wen das wirklich wundert/das Stück ist von 1800“behauptet der Prologus. „Von 1897“, kommt der korrekte Einwurf, aber es reimt sich so nett. Und gibt den Ton dieses Abends vor. Denn Fabian Hagedorn hat dem romantisch­en Klassiker „Cyrano de Bergerac“ein Gewand umgehängt, in dem es fröhlich-dreist knittelt, dass es eine Lust hat. Und eine Möglichkei­t, es hier auf der Sommerbühn­e der Barfüßerru­ine darzubiete­n. Viel Zuckerbäck­erei gestrichen, viel Volkes gestrichen – und viel Publikums-volk gewonnen.

Edmond Rostand hat dem Dichter und Prügler Cyrano eine Hoffnung an die über alle Maßen ausgebilde­te Nase gehängt: Die, es möge ein wohlgerate­ner Geist die nicht ganz so geratene fleischlic­he Umhüllung vergessen machen. Cyrano stellt seine poetischen Gaben in den Dienst eines schönen Dümmlings, schreibt ihm die Briefe von poetischer Glut, souffliert gar unterm Balkon, bis Julia, die Roxane heißt, den anderen küsst. Und bewahrt das Geheimnis bis in die Stunde seines Todes. Wir sind tief berührt von Dichters Edelsinn. Schließlic­h, er bezeugt hoffnungsv­oll die gewinnende Kraft der Poesie über die Weiber. Und wenn die Damen missmutig werden über den Eindruck, es werde ihr schöner Leib mitunter mehr geschätzt als die dto. Seele, so ergeht es den Herren ebenso: Nur umgekehrt.

Coco Ruch hat diese schwierige Bühne (Technische Leitung: Waldemar Kistner) spartanisc­h ausgestatt­et, dafür bei den Kostümen an Stoff nicht gespart. Und der Regisseur Markus Fennert hat ein Gefühl dafür, was auf dieser Bühne möglich ist: Gut temperiert­es Sommerthea­ter, zwei unterhalts­ame Stunden.

Cyranos berühmtes Gefecht mag etwas derb und deftig sein, beim dritten Verse sticht er nur ein bisschen, er braucht den Mann noch, da er die Nummer noch einmal wiederholt wenn er der hoffnungsl­os Geliebten schreibt. Für die Gascogner Kadetten fehlt hier der Platz und ihr berühmtes Lied wäre darum wohl fehl am Platze, sie haben keine Kompanie in dieser Compagnie. Dafür haben sie

Cindy Weinhold, die mit Keyboard und Stimme sehr viel tragende Atmosphäre schafft, Dampf-trommeln tun ein Übriges.

Wenn es dunkel ist, dann reitet das Einhorn hinterm Regenbogen, dann erglüht das blaue Licht der Romantik an der alten Mauer. Dann will Roxane den Tropf vom Hofe knitteln, „Weil ihre Verse heut so trist warn/lassen wir es heute – Christian“.

Und dann übernimmt Marius Marx. Da berührt der grobe Kerl nicht nur die Frau oben auf dem zweitberüh­mtesten Balkon, auch uns unten im Parkett. Da wird die Spannung zwischen dem eher schlichten Schläger und seiner poetischen Seele zu einem ernsthafte­n Gefühl. Marius Marx ist hier voll schwärmend­er Trauer, voll hoffender Melancholi­e. Denn wenn er gut ist, und er ist es, dann gewinnt er dem Anderen die Frau. Und Cindy Weinhold singt melancholi­sch von den Kadetten, die künden Tod.

Wenn der Geliebte fällt, dann wird Mareike Greb auf der Szene zur Witwe, zur Nonne, die Schauspiel­erin gewinnt zunehmend Kontur, in dem Maße, in dem sie nicht mehr nur das begehrte Weib ist, sondern die liebende Frau. Beide gönnen sich und uns die schön-traurige Szene zum Tode, zur Liebe hin. „Ich sterbe…“liest, erleidet er Christians letzten Brief, es ist sein Brief und es ist sein Sterben. Da schreit, da klagt die Frau um das verlorene Glück.

Das Ensemble um die Protagonis­ten herum hat es nie leicht in diesem Stück, es kann wenig mehr als achtbar sein. Ute Wieckhorst macht sich kenntlich als sich im Shakespear­e verheddern­der Schauspiel­er, als exakt-kühle Buchhalter­in der Kuppelei. Erik Studte gibt einen braven Le Bret, Felix Constantin Voigt einen geil-arroganten Grafen, Lorenz Baumgarten einen angemessen tropfigen Christian, Nicolas Jantosch und Martin Bertram lassen ihre Rollen nicht büßen, wie undankbar sie sind.

Dankbar hingegen war das Publikum und dankbar dürfen wir denen sein, die derlei ermögliche­n hier. Sie hatten, ließe sich sagen, für die Möglichkei­ten dieser Bühne eine gute, nun ja: Nase.

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FOTO: FRANK KARMEYER Wer Cyrano de Bergerac (Marius Marx) auf seine recht große Nase anspricht, riskiert es, es mit seinem recht locker sitzenden Degen zu tun zu bekommen.

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