Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
Das blaue Licht
Die Sommerkomödie Erfurt spielt „Cyrano de Bergerac“– und trifft
Erfurt. „Und wen das wirklich wundert/das Stück ist von 1800“behauptet der Prologus. „Von 1897“, kommt der korrekte Einwurf, aber es reimt sich so nett. Und gibt den Ton dieses Abends vor. Denn Fabian Hagedorn hat dem romantischen Klassiker „Cyrano de Bergerac“ein Gewand umgehängt, in dem es fröhlich-dreist knittelt, dass es eine Lust hat. Und eine Möglichkeit, es hier auf der Sommerbühne der Barfüßerruine darzubieten. Viel Zuckerbäckerei gestrichen, viel Volkes gestrichen – und viel Publikums-volk gewonnen.
Edmond Rostand hat dem Dichter und Prügler Cyrano eine Hoffnung an die über alle Maßen ausgebildete Nase gehängt: Die, es möge ein wohlgeratener Geist die nicht ganz so geratene fleischliche Umhüllung vergessen machen. Cyrano stellt seine poetischen Gaben in den Dienst eines schönen Dümmlings, schreibt ihm die Briefe von poetischer Glut, souffliert gar unterm Balkon, bis Julia, die Roxane heißt, den anderen küsst. Und bewahrt das Geheimnis bis in die Stunde seines Todes. Wir sind tief berührt von Dichters Edelsinn. Schließlich, er bezeugt hoffnungsvoll die gewinnende Kraft der Poesie über die Weiber. Und wenn die Damen missmutig werden über den Eindruck, es werde ihr schöner Leib mitunter mehr geschätzt als die dto. Seele, so ergeht es den Herren ebenso: Nur umgekehrt.
Coco Ruch hat diese schwierige Bühne (Technische Leitung: Waldemar Kistner) spartanisch ausgestattet, dafür bei den Kostümen an Stoff nicht gespart. Und der Regisseur Markus Fennert hat ein Gefühl dafür, was auf dieser Bühne möglich ist: Gut temperiertes Sommertheater, zwei unterhaltsame Stunden.
Cyranos berühmtes Gefecht mag etwas derb und deftig sein, beim dritten Verse sticht er nur ein bisschen, er braucht den Mann noch, da er die Nummer noch einmal wiederholt wenn er der hoffnungslos Geliebten schreibt. Für die Gascogner Kadetten fehlt hier der Platz und ihr berühmtes Lied wäre darum wohl fehl am Platze, sie haben keine Kompanie in dieser Compagnie. Dafür haben sie
Cindy Weinhold, die mit Keyboard und Stimme sehr viel tragende Atmosphäre schafft, Dampf-trommeln tun ein Übriges.
Wenn es dunkel ist, dann reitet das Einhorn hinterm Regenbogen, dann erglüht das blaue Licht der Romantik an der alten Mauer. Dann will Roxane den Tropf vom Hofe knitteln, „Weil ihre Verse heut so trist warn/lassen wir es heute – Christian“.
Und dann übernimmt Marius Marx. Da berührt der grobe Kerl nicht nur die Frau oben auf dem zweitberühmtesten Balkon, auch uns unten im Parkett. Da wird die Spannung zwischen dem eher schlichten Schläger und seiner poetischen Seele zu einem ernsthaften Gefühl. Marius Marx ist hier voll schwärmender Trauer, voll hoffender Melancholie. Denn wenn er gut ist, und er ist es, dann gewinnt er dem Anderen die Frau. Und Cindy Weinhold singt melancholisch von den Kadetten, die künden Tod.
Wenn der Geliebte fällt, dann wird Mareike Greb auf der Szene zur Witwe, zur Nonne, die Schauspielerin gewinnt zunehmend Kontur, in dem Maße, in dem sie nicht mehr nur das begehrte Weib ist, sondern die liebende Frau. Beide gönnen sich und uns die schön-traurige Szene zum Tode, zur Liebe hin. „Ich sterbe…“liest, erleidet er Christians letzten Brief, es ist sein Brief und es ist sein Sterben. Da schreit, da klagt die Frau um das verlorene Glück.
Das Ensemble um die Protagonisten herum hat es nie leicht in diesem Stück, es kann wenig mehr als achtbar sein. Ute Wieckhorst macht sich kenntlich als sich im Shakespeare verheddernder Schauspieler, als exakt-kühle Buchhalterin der Kuppelei. Erik Studte gibt einen braven Le Bret, Felix Constantin Voigt einen geil-arroganten Grafen, Lorenz Baumgarten einen angemessen tropfigen Christian, Nicolas Jantosch und Martin Bertram lassen ihre Rollen nicht büßen, wie undankbar sie sind.
Dankbar hingegen war das Publikum und dankbar dürfen wir denen sein, die derlei ermöglichen hier. Sie hatten, ließe sich sagen, für die Möglichkeiten dieser Bühne eine gute, nun ja: Nase.