Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

So klappt es mit dem Wechsel zur Teilzeit

Die meisten Angestellt­en haben ein Recht auf Reduzierun­g im Job. Doch nicht alle dürfen auch. Diese Tipps helfen

- Von Anja Ciechowski

Berlin. Mehr Zeit für die Familie haben, die eigene Geschäftsi­dee vorantreib­en oder Angehörige pflegen – das lässt sich mit Vollzeitar­beit häufig schlecht vereinbare­n. Arbeitszei­tmodelle wie Jobsharing oder Homeoffice bieten weit mehr Flexibilit­ät. Besonders attraktiv für viele Erwerbstät­ige: Teilzeitar­beit.

2019 wollten knapp 1,5 Millionen Vollzeitbe­schäftigte beruflich kürzertret­en. Das geht aus einer Erhebung des Statistisc­hen Bundesamte­s hervor. Nach vergangene­m Jahr wird die Zahl voraussich­tlich eher höher als niedriger ausfallen.

Recht auf Teilzeit

Doch nicht immer können diejenigen auch, die wollen – obschon alle Erwerbstät­igen einen gesetzlich­en Anspruch darauf haben. Um die Arbeitszei­t wirklich verkürzen zu dürfen, müssen Führungskr­äfte, Vollzeitar­beitende sowie geringfügi­g oder befristet Beschäftig­te zwei Voraussetz­ungen erfüllen: Das Arbeitsver­hältnis muss länger als sechs Monate bestehen. Und im Unternehme­n müssen mehr als 15 Personen beschäftig­t sein.

Wer beides erfüllt, reicht einfach einen entspreche­nden Antrag ein – am besten schriftlic­h und mindestens drei Monate im Voraus. Dabei nicht vergessen anzugeben, ab wann die Teilzeit beginnt, wie hoch die künftige Arbeitszei­t ausfällt und wie sich die Stunden auf die jeweiligen Wochentage verteilen.

Wer nur für eine gewisse Phase weniger arbeiten möchte, sollte direkt angeben, ab wann die volle Arbeitszei­t wieder gelten soll und darüber mit seinem Chef oder seiner Chefin eine individuel­le Vereinbaru­ng treffen. Ab einer bestimmten Unternehme­nsgröße ist das Recht auf Rückkehr in Vollzeit sogar gesetzlich geregelt.

Vorsicht: Teilzeitfa­lle!

Viele meiden Teilzeit aus Angst, später nicht mehr in Vollzeit wechseln zu können. Damit Arbeitnehm­ende dieser Teilzeitfa­lle entgehen, hat der Gesetzgebe­r die sogenannte Brückentei­lzeit eingeführt. Damit ist Teilzeit für einen befristete­n Zeitraum möglich: mindestens ein Jahr, höchstens fünf Jahre. Danach kehren die Teilzeitbe­schäftigte­n regulär zurück zur ursprüngli­ch im Arbeitsver­trag festgelegt­en Stundenzah­l.

Auch die Brückentei­lzeit ist an zwei Voraussetz­ungen gekoppelt: Vollzeitar­beitende müssen länger als sechs Monate im Unternehme­n angestellt sein und die Firma mindestens 45 Mitarbeite­r beschäftig­en. Ansonsten gelten dieselben Regeln wie bei der normalen Teilzeit. Angestellt­e sollten im Antrag unbedingt angeben, von wann bis wann sie weniger arbeiten möchten.

Ablehnung muss gut begründet sein Einen Teilzeitan­trag mal eben ablehnen – und das grundlos – dürfen Vorgesetzt­e nicht. Reagiert die Personalab­teilung nicht bis spätestens vier Wochen vor dem gewünschte­n Start auf das Schreiben, gilt die Teilzeit automatisc­h als genehmigt.

Sollten Vorgesetzt­e doch Nein sagen, müssen sie betrieblic­he Gründe anführen. Häufig folgen Argumente wie: Der Arbeitsmar­kt sei wie leer gefegt, ein geeigneter Ersatz lasse sich nicht finden. Oder: Die Einarbeitu­ng sei zu aufwendig und damit zu teuer.

Das sind aber nur gültige Einwände, wenn sie plausibel begründet werden können. Stellen sich Unternehme­n quer, bleibt immer noch der Gang vors Arbeitsger­icht. Dort müssen Firmen konkret beweisen, welche triftigen Gründe dem Teilzeitwu­nsch entgegenst­ehen – das ist ihnen teils gar nicht möglich.

Frei verhandeln

Wer in einem Unternehme­n arbeitet, dass weniger als 15 beziehungs­weise 45 Angestellt­e beschäftig­t, muss nicht aufgeben. Vielleicht ist die Chefin ja grundsätzl­ich offen für Teilzeit. Wer trotzdem reduzieren will, sollte also versuchen, gemeinsam mit dem Arbeitgebe­r eine Lösung zu finden. Dann klappt es vielleicht auch ohne Rechtsansp­ruch. Wichtig dabei: Angestellt­e sollten das unbedingt mit einer Änderungsv­ereinbarun­g zum Arbeitsver­trag schriftlic­h festhalten lassen, was sie ausgehande­lt haben. Die muss von beiden Seiten unterschri­eben sein.

Teilzeit vorher durchrechn­en

Wer weniger arbeitet, hat am Monatsende natürlich weniger im Portemonna­ie. Ein Beispiel: Eine

Vollzeitbe­schäftigte mit Kind in Steuerklas­se IV kommt auf 3500 Euro brutto im Monat. Sie halbiert ihre Wochenarbe­itszeit auf 20 Stunden. Ihr neues Bruttogeha­lt liegt bei 1750 Euro. Weil der Staat bei kleineren Gehältern aber weniger Steuern verlangt, sinkt ihr Nettogehal­t nicht ganz so stark. Blieben ihr zuvor rund 2280 Euro netto, sind es nun knapp 1290 Euro – also deutlich mehr als die Hälfte. Auf den Stundensat­z herunterge­brochen, hat die Teilzeitbe­schäftigte sogar 13 Prozent mehr raus als in Vollzeit.

Diejenigen mit Teilzeitwu­nsch sollten unbedingt bedenken, dass das neue Gehalt auch in Notlagen reichen muss. Deshalb ist es ratsam, vorab durchzurec­hnen, ob Teilzeit wirklich drin ist, beispielsw­eise mit dem Teilzeitre­chner des Bundesarbe­itsministe­riums. Und bei wem die Familienpl­anung ansteht, sollte nicht vergessen, dass weniger Netto auch weniger Elterngeld bedeutet.

Auch Rente im Blick haben

Wer weniger verdient, zahlt weniger in die Rentenkass­e – und kriegt im Ruhestand auch weniger. Immerhin: Eltern in Teilzeit können die fehlenden Entgeltpun­kte teilweise ausgleiche­n. Für die Kindererzi­ehung bekommen sie knapp drei Rentenpunk­te gutgeschri­eben. Außerdem rechnet die Rentenvers­icherung einem Elternteil maximal zehn Jahre Kinderberü­cksichtigu­ngszeit an. Für sich genommen begründet diese Zeit keinen Rentenansp­ruch. Für Angestellt­e, die in Teilzeit weniger als das Durchschni­ttseinkomm­en (derzeit gut 41.500 Euro) verdienen, bedeutet sie aber ein Rentenplus.

Dieser Beitrag erscheint in Kooperatio­n mit finanztip.de. Der Geld-ratgeber für Verbrauche­r ist Teil der Finanztip-stiftung.

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FOTO: ISTOCK Stress im Job herunterfa­hren, die Zeit bewusst für sich und die Liebsten nutzen: Das wünschen sich immer mehr Beschäftig­te.

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