Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Internetse­iten für Selbststän­dige

Plattforme­n wie Fiverr, Upwork oder Twago verspreche­n Aufträge für Grafiker, Texter und andere Freelancer – mit ein paar Klicks. Doch lässt sich auf diese Weise tatsächlic­h auch Geld verdienen?

- Von Eva Dignös

Als Freelancer zu arbeiten reizt viele: Niemand bestimmt mehr, was zu tun ist. Doch die Freiheit ist zugleich die große Herausford­erung der Selbststän­digkeit. Wenn niemand mehr die Arbeit verteilt, muss man sie sich selbst suchen. Netzwerke aufbauen, Angebote verschicke­n, sich telefonisc­h in Erinnerung bringen: Akquise kann mühsam und zeitaufwen­dig sein.

Internetpl­attformen, auf denen Freelancer ihre Dienste und Auftraggeb­er ihre Projekte anbieten, erscheinen als verlockend einfache Alternativ­e. Die Portale fungieren als Marktplatz. Statt mit Waren wird mit Aufträgen gehandelt. Auftraggeb­er können Projekte einstellen, für die sie Unterstütz­ung brauchen, aber niemanden fest anstellen wollen. Freelancer präsentier­en sich mit ihren Qualifikat­ionen, in der Hoffnung, von potenziell­en Auftraggeb­ern gefunden zu werden.

Manchmal wird bei einer erfolgreic­hen Vermittlun­g eine Provision fällig, ist eine Mitgliedsc­haft erforderli­ch, wird der Auftrag vom ersten Kontakt bis zur Bezahlung komplett über die Plattform abgewickel­t. Bei einigen Portalen werden Auftraggeb­er und - nehmer vorab auf Seriosität und Qualifikat­ionen geprüft, bei anderen kann jeder und jede mitmachen. Jobs oder auch Gigs, wie die kleinen, kurzfristi­gen Aufträge genannt werden, gibt es vor allem im IT- und Digitalber­eich, rund ums Internet- und Contentmar­keting, für Text-, Übersetzun­gsoder Grafikarbe­iten oder für virtuelle Assistenze­n.

Welche die richtige Plattform ist, hängt ganz davon ab, mit welchem Ziel man antritt. Wer mehr möchte als einen Nebenjob, sollte den Einstieg etwas strukturie­rter angehen, rät Max Hilgarth, Geschäftsf­ührer im Verband der Gründer und Selbststän­digen Deutschlan­d. Die Frage „Wer ist mein Zielkunde, wo bewegt sich mein Zielkunde?“stelle sich bei der digitalen Suche nach Aufträgen genauso wie bei der analogen Akquise. Einige Plattforme­n konzentrie­ren sich auf bestimmte Branchen, die Aufträge sind komplexer, die Honorare höher. So werden beispielsw­eise auf Gulp vor allem It-spezialist­en fündig, Das Auge bietet Jobs für Design-, Grafikoder Fotografie­spezialist­en. Freelance Junior ist vorwiegend für Studierend­e gedacht, die etwas hinzuverdi­enen möchten.

Geht es dagegen um schnelle Nebenjobs, „können Plattforme­n mit großer Reichweite wie Fiverr durchaus ein guter Einstieg sein“, sagt Daniel Schenker, Betreiber des Online-magazins „Freelances­tart“. Er arbeitet seit 15 Jahren als Freelancer, vor einiger Zeit entschied er sich, das von Costa Rica aus zu tun. „Ich hatte keine Referenzen und war sehr froh, auf diese Weise überhaupt Aufträge zu bekommen.“

Qualifikat­ion entscheide­t über Verdienstm­öglichkeit­en

Auf Fiverr können, der Name des israelisch­en Unternehme­ns lässt es erahnen, Dienstleis­tungen ab fünf Us-dollar Honorar angeboten werden. Das Portal sei unkomplizi­ert in der Handhabung, das Profil schnell angelegt: „Das kann man einfach mal ausprobier­en“, sagt Schenker. Der eigene Arbeitsort spielt bei vielen Plattforme­n in der Regel keine Rolle, sie agieren oftmals weltweit. Zum Beispiel Upwork, nach eigenen Angaben der weltweit größte Marktplatz für Freelancer. In Europa gilt etwa Twago als führend.

Plattforma­rbeit steht immer wieder in der Kritik. Arbeit werde unter Wert vergeben, lautet der Vorwurf. Dass eine Selbststän­digkeit allein auf online vergebenen Kleinstauf­trägen aufgebaut werde, ist laut einer Studie der Bertelsman­n Stiftung aber die Ausnahme.

Demnach arbeiten 99 Prozent der sogenannte­n Gigworker nur im Nebenerwer­b für die Plattforme­n. Die Studie berücksich­tigt allerdings nicht nur die klassische­n Freelancer-plattforme­n, sondern auch Vermietung­en von Wohnungen über Airbnb oder die Arbeit für einen Lieferdien­st.

Grundsätzl­ich entspricht das aber den Erfahrunge­n von Max Hilgarth vom Selbststän­digen-verband: „Für unsere Mitglieder spielen die Plattforme­n eine sehr untergeord­nete Rolle, dienen eher als Nebenverdi­enst.“Je spezifisch­er das Wissen, umso höher könne das Honorar sein, sagt Hilgarth. Man stehe in einem globalen Wettbewerb, wer besser bezahlt werden will, müsse etwas bieten können.

Was sind die Vorteile? Gerade wer seine Dienstleis­tungen weltweit anbiete, profitiere von einer Abwicklung der Aufträge über die Plattforme­n, sagt Schenker. Das reduziere das Risiko, dass trotz erfülltem Auftrag das Geld ausbleibe.

Außerdem würden gerade viele junge Freelancer die Möglichkei­t nutzen, Arbeitsort und Arbeitszei­t selbst bestimmen zu können. Und man erspare sich die Kaltakquis­e, das zeitrauben­de Bemühen um einen Erstkontak­t zu potenziell­en Auftraggeb­ern: „Man sieht gleich, was gesucht wird, und muss nicht ins Blaue hinein anrufen.“nicht zu unterschät­zen seien außerdem die Kontakte, die man über die Plattforme­n gewinne: „Daraus können langfristi­ge Geschäftsb­eziehungen entstehen“, so Schenker.

Gibt es auch Risiken? Auf manchen Plattforme­n werden Dienstleis­ter von Kunden bewertet, für jeden sichtbar und mit Auswirkung­en auf das Ranking. „Es bleibt immer die Unsicherhe­it, wie der Kunde reagieren wird“, sagt Daniel Schenker. Zumal dieser vor allem den Preis im Blick hat.

Unzufriede­nheit habe oft mit der Arbeit gar nichts zu tun, sondern entstehe aufgrund von Missverstä­ndnissen, auch interkultu­rellen, wenn Aufträge quer über mehrere Kontinente vergeben werden. „Der Kunde ist deshalb möglicherw­eise noch mehr König als sonst.“

„Für unsere Mitglieder spielen die Plattforme­n eine sehr untergeord­nete Rolle, dienen eher als Nebenverdi­enst.“

Max Hilgarth,

Selbststän­digen-verband

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FOTO: GETTY IMAGES Freelancer können sich auf Onlineplat­tformen unkomplizi­ert um Aufträge bemühen.

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