Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
Landtagsfraktionen müssen zur Konfliktberatung
Intensive Suche nach einer langfristig funktionierenden Verfassungsschutzkontrolle
Es ist ein deutschlandweit einmaliger Vorgang: Alle sechs Fraktionen des Thüringer Landtags sind zur Konfliktberatung geladen. Es sei ein Mediationsverfahren eingeleitet worden, bestätigt die Landtagsverwaltung. Ein Mediator habe erste Einzel- und Gruppengespräche mit den parlamentarischen Geschäftsführen geführt. Es gelte Vertraulichkeit.
Der Vorgang erinnert an den letzten Versuch, eine Ehe zu retten. Die vorerst gescheiterte Neuwahl zeigt, wie verfahren die Mehrheitsverhältnisse im Parlament sind, wie wenig sich die politisch Beteiligten noch über den Weg trauen. Die Hoffnung auf Neuwahl hatte die Krise um die Kontrolle des Nachrichtendienstes zeitweilig verdrängt.
Für jede Legislaturperiode wählt der Landtag eine parlamentarische Kontrollkommission (Parlkk). Diese hat in Thüringen weitreichende Rechte. Vor allem größere Fraktionen dürfen Abgeordnete in das Gremium entsenden. Aktuell wären das zwei Parlamentarier der Linkspartei
und zwei der AFD sowie ein Cdu-abgeordneter. SPD, Grüne und FDP bleiben ausgeschlossen.
Damit würden vier der fünf Kontrolleure von Parteien kommen, die den Verfassungsschutz in seiner aktuellen Form und Besetzung ablehnen. Bisher wählte der Landtag mit Anja Müller und Steffen Dittes (beide Linke) und Raymond Walk (CDU) drei der fünf Mitglieder der Parlkk. Eine Landtagsmehrheit lehnte zudem nacheinander alle 22 Afd-abgeordneten ab.
Bereits im Oktober 2020 setzte die Afd-fraktion beim Thüringer Verfassungsgericht per Klage durch, dass sich die Parlkk in dieser Legislatur
nur dann konstituieren darf, wenn sie komplett besetzt ist. Weil aber alle Afd-abgeordneten aus Sicht der Landtagsmehrheit ungeeignet sind, ist nicht abzusehen, ob und wann das passieren wird.
Die Kontrolle haben vorerst weiter die Abgeordneten Dorothea Marx (SPD) und Raymond Walk sowie der frühere Linken-abgeordnete Dieter Hausold. Sie gehörten in der vergangenen Legislaturperiode der Parlkk an und bleiben bis zur Konstituierung der neuen Kommission im Amt. Zwei weitere Mitglieder sind bereits ausgeschieden, so dass das Gremium die aktuellen Landtagsmehrheiten nicht mehr repräsentiert. In dieser verfahrenen Situation vermittelt nun der Mediator. Denn der Thüringer Verfassungsgerichtshof kritisierte im Oktober unter anderem, dass es kein Verständigungsverfahren im Landtag zum Besetzen der Kommission auch mit Afd-abgeordneten gegeben habe. Diese dürften nicht sachwidrig abgelehnt werden. Seither begründen die Regierungsfraktionen jede Ablehnung ausführlich.
Ob die Konfliktberatung erfolgreich sein wird, zeigt sich frühestens im Herbst. Während der Sommerpause bleibt den Fraktionen Zeit, sich damit auseinanderzusetzen. Dass Afd-abgeordnete ins Kontrollgremium gewählt werden, scheint eher unwahrscheinlich. Immerhin beobachtet der Verfassungsschutz Teile der Partei und hat die ehemalige Flügel-gruppierung als rechtsextrem eingestuft.
Das Parlament muss trotzdem eine Lösung finden. In der nächsten Legislatur kann nicht mehr auf eine Altkommission zurückgegriffen werden. Was das für die Arbeit des Verfassungsschutzes bedeuten würde, ist völlig unklar.