Älterer Herr mit Fotoapparat

Alexander Osangs Buch „Fast hell“fesselt von der ersten bis zur letzten Seite. Besonders nahe geht mir die Episode in der St. Petersburger Eremitage, wo er die Taschendiebe trifft. Natürlich erkennt er sie nicht, er wird von der Reiseführerin vor ihnen gewarnt. „Manche sehen aus wie bemitleidenswerte ältere Herren mit klobigen Fotoapparaten“, heißt es.

Eine perfekte Tarnung, mit der sie auch noch ihre Opfer verhöhnen.

Im selben Outfit wurde ich nämlich zwei Mal beklaut. Ich, der ältere Herr mit der Spiegelreflexkamera! Zwar lag sie im Rucksack, doch Taschendiebe riechen das.

In Barcelona stand der Rucksack neben mir auf der Bank, als ich von hinten angesprochen wurde. Jemand fragte dummes Zeug, doch ehe ich mich versah, war ich der Dumme. Mein Rucksack war weg.

So etwas passiert dir nicht noch mal, dachte ich, als ich mich in Mexiko-stadt in die volle Metro quetschte. Sicherheitshalber nahm ich den Rucksack mit der neuen Kamera vorher ab. Nach mir quetschten sich noch Dutzende Mexikaner in den Waggon und drückten mir fast die Luft ab. Zu keiner Regung mehr fähig, blickte ich auf den blau-schwarzen Scheitel eines Mannes, den ich für einen Nachfahren der Azteken hielt. Ich bedauerte ihn, weil er in der Hitze eine gesteppte Jacke trug.

Dass er sich an meinem Rucksack zu schaffen machte, begriff ich erst, als ich aussteigen wollte. Panisch riss ich an der einen, er krallte an der anderen Seite. Am Ende hatte ich den Rucksack und er die Kamera.

Vielleicht sollte ich mein Glück künftig in der Eremitage versuchen. Als bemitleidenswerter älterer Herr, ohne Fotoapparat.