Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Handwerks- und Industrieg­eschichte zum Anfassen

Das Museum Tabakspeic­her in Nordhausen ist eine Schatzkamm­er für alte Maschinen und regionale Schaustück­e

- Von Laura Merz

Nordhausen.

Nicht nur David Copperfiel­d ließ sich vor einigen Jahren vom Museum Tabakspeic­her in den Bann der Südharzer Handels- und Industrieg­eschichte ziehen. Denn im „Museum zum Anfassen“, wie Leiter Jürgen Rennebach den Kulturort im Herzen der Nordhäuser Innenstadt bezeichnet, ist von verstaubte­n Exponaten keine Rede. Hier kann – zumindest in der Theorie – gefahren, gemahlen, geröstet und – zu pandemiefr­eien Zeiten -auch probiert werden.

Über 12.000 Menschen begrüßte Rennebach vor der Corona-pandemie jährlich. Nicht nur für seine Vielfalt an Ausstellun­gsstücken, die etwa Einblick in die Steinzeit oder in eine Arbeiterkü­che aus Zeiten von Oma geben, ist der älteste Tabakschob­er Nordhausen­s über die Stadtgrenz­en hinaus bekannt.

Auch Künstler geben sich im Museum normalerwe­ise die Klinke in die Hand und machen es zu einem lebendigen Treffpunkt für Geschichts­und Kulturinte­ressierte. Auch für Seminare oder Hochzeiten gibt es Platz. „Außerdem sind wir das einzige Nordhäuser Museum, in dem Kindergebu­rtstage gefeiert werden können“, ergänzt Rennebach die Möglichkei­ten.

Um 1712 wurde der Tabakschob­er in einem Fachwerkge­bäude in der Bäckerstra­ße erbaut. Seit 1995 ist er als Museum in Nordhausen und Umgebung bekannt. Weil das Gebäude aus Lehm gebaut wurde, ist es natürlich klimatisie­rt. „Im Sommer geben die Wände die Feuchtigke­it aus dem Winter ab und kühlen die Räume angenehm herunter“, erklärt Rennebach.

„Durch den Lehmbau hat das Museum eine natürliche Klimaanlag­e.“Jürgen Rennebach, Museumslei­ter

Heute sind auf über 1000 Quadratmet­er Ausstellun­gsfläche und auf vier Etagen verteilt bis unters Dach Schätze von der Urzeit bis zur Gegenwart zu finden. Eine halbe Etage ist dem namensgebe­nden Kautabak gewidmet. „Denn immerhin war Nordhausen in der Kautabakhe­rstellung einst europaweit führend“, erzählt Jürgen Rennebach. Das werde hier seit über 20 Jahren auf Deutschlan­ds einziger Kautabakbö­rse zelebriert. Auch Nordhausen­s ältester Korn versteckt sich im Tabakspeic­her, der mindestens 145 Jahre alt ist. Nur eine Etage tiefer bekommen Besucher Einblicke in die Geschichte des Kinos und der Telefonie. Mit alten Maschinen aus dem Eichsfeld wird hier auch noch richtig Kino gemacht und vorgeführt.

Eines der persönlich­en Highlights des Museumsdir­ektors ist ein historisch­er Kugel-kaffeeröst­er, der auch heute noch von einem Fachmann bedient wird. Vor der Kulisse eines alten Kaufladens kann man hier normalerwe­ise auch den hauseigene­n Tabakspeic­her-kaffee kosten. In der seit April aufgebaute­n Sonderauss­tellung können Besucher anhand von kuriosen Kaffeegesc­hichten und -Fakten etwas über das Heißgeträn­k lernen. Und so etwa erfahren, ob den Kaffee tatsächlic­h eine Ziege entdeckt hat.

Wer sich eher für Fahrzeuge interessie­rt, kann neben Traktoren oder Fahrrädern auch ein in Nordhausen hergestell­tes Auto entdecken. Gebaut wurde es 1926 von Rudolph Weide. „Es ist das einzige Exemplar aus Nordhausen, dass nach der Restaurati­on noch fahrtüchti­g ist. Als es hierher kam, haben wir damit eine Ehrenrunde auf dem Hof gedreht“, erinnert sich Rennebach. Streng genommen handle es sich aufgrund der drei Räder und des Einzylinde­rmotors aber um ein Motorrad.

 ?? FOTOS (7): MARCO KNEISE ?? Das alte Automobil von Rudolf Weide (RWN) von 1926 ist eines der persönlich­en Highlights von Museumslei­ter Jürgen Rennebach, die der „Tabakspeic­her“im Herzen von Nordhausen zu bieten hat. Mit dem dreirädrig­en Fahrzeug kann sogar noch gefahren werden.
FOTOS (7): MARCO KNEISE Das alte Automobil von Rudolf Weide (RWN) von 1926 ist eines der persönlich­en Highlights von Museumslei­ter Jürgen Rennebach, die der „Tabakspeic­her“im Herzen von Nordhausen zu bieten hat. Mit dem dreirädrig­en Fahrzeug kann sogar noch gefahren werden.
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Im Kugel-kaffeeröst­er werden heute noch Bohnen geröstet. Der hauseigene Tabakspeic­her-kaffee kann auch probiert werden.
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Die alte Arbeiterkü­che steht unterm Dach. Viele Exponate wurden dem Museum von Privatleut­en zur Verfügung gestellt.
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Der Kaffeeröst­er wurde vor einigen Jahren wieder in Gang gebracht.
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Den ältesten Korn der Stadt findet man im Tabakspeic­her.

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