Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
Falsche Prioritäten
Es kommt, wie es kommen musste. Weil sich die Ständige Impfkommission (Stiko) mit einer Empfehlung Zeit lässt, sind Bund und Länder dabei, Fakten zu schaffen. Sie wollen allen 12- bis 17-Jährigen Vakzine gegen Covid-19 anbieten. Andere Staaten verhalten sich ähnlich. Es scheint, dass nur in Deutschland daraus eine Kraftprobe gemacht wurde.
Die Politik strebt eine Herdenimmunität an. Die dazu notwendige Impfquote von 85 Prozent ist ohne Kinder und Jugendliche kaum erreichbar. Für die Gesamtbevölkerung wäre das gut. Aber die Stiko muss auch auf den Nutzen für den einzelnen Menschen schauen. Von den 14 Millionen Kindern und Jugendlichen mussten bis April etwa 1200 mit einer Sars-cov-2-infektion im Krankenhaus behandelt werden – vier starben an einer Infektion. Die Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie hat mit diesen Zahlen damals zugleich in Erinnerung gerufen, wie viele Kinder in der Saison 2018/19 an Influenza gestorben sind, nämlich neun, wie viele 2019 im Straßenverkehr getötet wurden – 55. Angesichts dieser Zahlen fragt man sich, was unverhältnismäßiger ist: das Zögern der Stiko oder der politische Druck?
Das Risiko von Kindern, an Covid-19 schwer zu erkranken, ist überschaubar, die Gefahren durch Long Covid, aber auch durch langfristige Nebenwirkungen der mrna-vakzine sind es nicht. Es gibt in der Gesamtrechnung Ungewissheiten. Sie erklären, warum die Stiko zögert. Es wäre sinnvoller, sich darauf zu konzentrieren, möglichst alle Erwachsenen zu einer Impfung zu bewegen. Die Frage der Kinderimpfung hätte nie zu einer Kraftprobe werden dürfen. chefredaktion@tlz.de