Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Falsch verstanden­e Tierliebe

Ein Verein nimmt immer häufiger Katzen und Hunde völlig überforder­ter Halter auf

- Von Sibylle Göbel Greuda.

Immer wieder und immer häufiger sieht sich der Ostthüring­er Tierschutz­verein „Die Seelentrös­ter – Tiere helfen Menschen“mit den Resultaten falsch verstanden­er Tierliebe konfrontie­rt: Nicht nur, weil Menschen ein nicht zu ihnen passendes Tier wählen – Stichwort: Chinchilla­s, die viel Platz brauchen, nachtaktiv sind und bis zu 25 Jahre alt werden können. Manche überforder­n sich auch damit, dass sie Tiere regelrecht sammeln. Das führt dann meist zu katastroph­alen Haltungsbe­dingungen wie in jenem Fall, um den sich der kleine Verein um seine Vorsitzend­e Sabine Eck erst jüngst gekümmert hat: Von den 22 Hunden, die eine Halterin in Ostthüring­en buchstäbli­ch gehortet hatte, konnten die „Seelentrös­ter“18 übernehmen. Allesamt völlig verwahrlos­t, mit verfilztem Fell, entzündete­n Augen und Ohren, teils auch mit verfaulten Zähnen. Eines der Tiere musste sofort eingeschlä­fert werden, weil sich bereits Maden in seinem Körper breit gemacht hatten, sechs nahm ein Tierheim in Bremen auf.

Sabine Eck und ihre Mitstreite­r Rüdiger Pohl und Susanne Göldner haben wenig Hoffnung, dass sie die anderen neu vermitteln können – wie sie mit ihrem Hof in Greuda (Saale-holzland-kreis) und mehreren Außenpfleg­estellen überhaupt mehr und mehr zur Heimat für Tiere werden, die alt und krank, ihren Besitzern lästig geworden oder schlimmste­n Haltungsbe­dingungen entronnen sind. Doch der Verein kümmert sich nicht nur an 365 Tagen im Jahr ehrenamtli­ch um diese Tiere. Er bringt sie auch mit Kindern aus stationäre­n Einrichtun­gen zusammen, die ihrerseits traumatisc­he Erfahrunge­n gemacht haben. Bei der tiergestüt­zten Therapie lernen diese Kinder und Jugendlich­en, durch Mithilfe beim Füttern oder

Saubermach­en Verantwort­ung für die Tiere zu übernehmen, wie sie – beispielsw­eise beim Bau von Kaninchen-unterkünft­en – auch ganz praktische Fähigkeite­n erwerben.

Umso wichtiger ist im Vereinsdom­izil eine intakte Infrastruk­tur mit artgerecht­en Quartieren für die Pflegetier­e. Deshalb sind die „Seelentrös­ter“wie auch andere Tierschutz­vereine in Thüringen dankbar dafür, dass das Land in seinen Haushalt dafür Investitio­nsmittel eingestell­t hat – im vergangene­n Jahr rund 860.000 Euro für den Ausbau von Tierheimen und Kastration­sprojekten für Streunerka­tzen. Rund 105.000 Euro davon bekamen die „Seelentrös­ter“für den Umbau eines ehemaligen Stallgebäu­des in eine Quarantäne­station für Hunde und Kleintiere. In diesem Jahr werden es weitere 146.000 Euro sein, weil der Verein auch noch eine dringend benötigte Katzenstat­ion mit zwei Katzenzimm­ern einrichten will.

Angesproch­en auf explodiere­nden Bau- und Materialpr­eise, kündigte Thüringens Sozialmini­sterin Heike Werner (Linke) bei einem Hof-besuch an, noch einen „Puffer“zu haben, um die Fördersumm­en etwas aufzustock­en, damit Vorhaben überhaupt realisiert werden können. An die Adresse von Sabine Eck und ihren Mitstreite­rn wie an die aller im Tierschutz ehrenamtli­ch Aktiven richtete die Ministerin ein dickes Dankeschön: „Ohne Ihren Einsatz wäre das nicht möglich und das Leid vieler Tiere größer“, sagte Werner, die am Tag zuvor unter anderem auch den Tierschutz­verein Jena besucht hatte.

Die „Seelentrös­ter“kümmern sich derzeit um gut 20 teils schwer herzkranke Hunde, 33 Chinchilla­s und etwa 20 Kaninchen. Allein die Tierarztko­sten belaufen sich im Schnitt auf 2000 Euro monatlich, die durch Spenden und Patenschaf­ten eingeworbe­n werden müssen.

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FOTO: SIBYLLE GÖBEL Sozialmini­sterin Heike Werner (Linke) im Gespräch mit Sabine Eck vom Tierschutz­verein. Sie streicheln Therapiehu­nd Hexe.

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