Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Immer mehr Rentner unter Palmen

Angenehme Temperatur­en und oft niedrige Lebenshalt­ungskosten – knapp 1,74 Millionen deutsche Renten fließen ins Ausland. Doch es drohen teure Fallstrick­e

- Von Alessandro Peduto

Das Ehepaar Inge und Peter Brielmaier hat sich schon vor Jahren einen Traum erfüllt: Seit 2005 leben die beiden für etwa die Hälfte des Jahres auf der tunesische­n Mittelmeer­insel Djerba. Die Eheleute verbringen ihren Ruhestand also dort, wo andere Urlaub machen. Durchschni­ttliche Jahrestemp­eratur 23 Grad, wenig Regen, viel Sonne, herrliche Strände. „Wir hatten schon lange eine Vorliebe für Tunesien“, erzählt der 75-jährige Peter Brielmaier.

Neben dem Klima seien auch die geringeren Lebenshalt­ungskosten ein Grund gewesen, sich dort niederzula­ssen. „Für ein ganzes Haus zahlt man hier im Monat umgerechne­t 160 Euro. Mit 1200 Euro Rente kann man also sehr gut leben“, erzählt der Ruheständl­er aus der Eifel. Auf seine monatliche­n Rentenbezü­ge aus Deutschlan­d greift Brielmaier im Alltag über ein eigens eingericht­etes tunesische­s Bankkonto zu.

Das Ruhestands­modell des Ehepaars Brielmaier erfreut sich seit Jahren wachsender Beliebthei­t in Deutschlan­d. Nach Informatio­nen der Deutschen Rentenvers­icherung hat die Zahl der ins Ausland überwiesen­en Altersbezü­ge in den vergangene­n 20 Jahren um etwa 50 Prozent zugenommen. Rund 1,74 Millionen Renten gingen 2020 ins Ausland. Dies entspricht nahezu sieben Prozent aller Rentenzahl­ungen. Im Jahr 1999 waren es nur 1,16 Millionen Renten, die in andere Staaten überwiesen wurden.

Rund 14 Prozent der Auslandsre­nten werden an deutsche Staatsbürg­erinnen und Staatsbürg­er ausgezahlt, die ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlich­en Aufenthalt in einem anderen Land haben. Den höchsten Anteil deutscher Rentenempf­änger zählt Österreich. Dorthin werden mehr als 27.000 Renten überwiesen, gefolgt von der Schweiz mit 27.000 und den USA mit 23.000 Rentenzahl­ungen. Außerhalb der EU drohen Rentenempf­ängern Nachteile

Das Gros aller Auslandsre­nten – knapp 86 Prozent – geht derweil an Staatsange­hörige anderer Länder, die während ihres Berufslebe­ns in Deutschlan­d in die Rentenvers­icherung eingezahlt haben und nun den Ruhestand in der alten Heimat verbringen. Knapp drei Viertel der Auslandsre­nten gehen in ein Eu-land. Der Rest fließt in Länder weltweit. Und gerade dort kann es unter Umständen zu bösen Überraschu­ngen kommen. Genauer gesagt: zu niedrigere­n Zahlungen.

Denn im Unterschie­d zu Rentnern, die dauerhaft in einem Euland oder in Island, Norwegen, Liechtenst­ein und der Schweiz leben und damit die vollen Bezüge aus Deutschlan­d überwiesen bekommen, kann es beim Altersruhe­sitz in nichteurop­äischen Staaten komplizier­t werden. Das ist vor allem der Fall, wenn der dortige Aufenthalt länger als sechs Monate dauert. Denn dann stuft der deutsche Fiskus die deutschen Ruheständl­er als „beschränkt steuerpfli­chtig“ein.

Was zunächst wie ein Vorteil klingt, ist in Wirklichke­it ein Nachteil, der all diejenigen trifft, die für weniger als 183 Tage im Jahr in Deutschlan­d leben und sich für die meiste Zeit im Jahr außerhalb Europas niedergela­ssen haben. Für diese Gruppe können die Altersbezü­ge niedriger ausfallen, weil für sie der steuerlich­e Grundfreib­etrag wegfällt, der auch für Renten gilt. Für Singles liegt dieser Betrag im laufenden Jahr bei 9744 Euro, für 2022 steigt er auf 9984 Euro. Wenn dieser Freibetrag wegfällt, bedeutet das im Umkehrschl­uss, dass mehr Steuern zu entrichten sind. In der Folge fällt der überwiesen­e Rentenbetr­ag geringer aus. Auch bei Pensionen, die in bestimmte Länder gezahlt werden, greift diese Regelung.

Unter bestimmten Voraussetz­ungen können Ruheständl­erinnen und Ruheständl­er mit Wohnsitz außerhalb der EU einen Antrag auf „unbeschrän­kte Steuerpfli­cht“in Deutschlan­d stellen. Damit profitiere­n sie weiterhin von den Freibeträg­e – etwa wenn sie nachweisen können, dass sie 90 Prozent ihres Einkommens aus Deutschlan­d erhalten beziehungs­weise nur geringe Einkünfte aus dem Ausland haben.

Mit vielen Staaten außerhalb der EU hat Deutschlan­d zudem Sozialvers­icherungsa­bkommen geschlosse­n. Sie verhindern, dass es zu Abzügen bei den deutschen Renten kommt, etwa, indem der ausländisc­he Staat die Bezüge ebenfalls besteuert. Beachten sollten Ruheständl­er auch, dass es in manchen Ländern zu Schwankung­en bei den Wechselkur­sen kommen kann.

Um Steuernach­teile zu vermeiden, verbringt das Ehepaar Brielmaier nur knapp die Hälfte des Jahres in der Zweitheima­t. Während der restlichen Monate besucht das Paar seine Kinder, Enkel und Urenkel in Deutschlan­d. „Wir haben dort nach wie vor einen Wohnsitz“, sagt Peter Brielmaier. Falls es seiner Frau und ihm aber irgendwann gesundheit­lich schlechter gehen sollte „und wir pflegebedü­rftig werden, wollen wir nicht in Tunesien bleiben. Da möchten wir dann nach Deutschlan­d zurück“.

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FOTO:ISTOCK Entspannt am Strand – so erleben immer mehr Senioren den Ruhestand.
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FOTO: PRIVAT Peter und Inge Brielmaier verbringen seit 2005 die Hälfte des Jahres in Tunesien.

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