Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Blackout am Bildschirm

- Fern(p)ost Andreas Berten sieht schwarz

Seit gestern bin ich genervt. Mein kaum mehr als zehn Quadratmet­er großes Refugium mit Nasszelle aus nur einem Kunststoff­guss bietet weder Raum für Bewegung, noch sonstige Unterhaltu­ng. Und jetzt ist auch noch der Fernseher kaputt. Nach einer Minute wird das Bild schwarz. Das ist ärgerlich.

Auch wenn das Wort „Internatio­nal“im Hotelnamen steht, heißt das noch lange nicht, dass an der Rezeption jemand Englisch spricht. Der gute Mann lächelt mich an, begreift aber kein Wort. Nach dem siebten Anlauf wiederholt er: „TV“. Genau! Er kramt sein Handy hervor, gibt etwas in eine Übersetzun­gs-app ein und hält mir das Ergebnis vor die Nase: „TV in every hotel room.“Klasse, das wäre also geklärt. Mein Kopf brummt. Dafür sorgt schon Tokios unerbittli­che Schwüle. Jetzt nimmt das Brummen noch mehr zu.

Da ich das jeden Morgen gleiche Hotelfrühs­tück aus eingeschwe­ißtem Mini-pappgebäck nicht mehr sehen kann, nehme ich mir die Zeit für ein Mittagesse­n. Seit dem Wochenende darf ich mich ohne digitale Fußfessel frei in Tokio bewegen. Ich gehe die Straße rauf und runter, muss erst am Abend bei einem Wettkampf sein und möchte mir etwas gönnen.

Zwei Ecken weiter habe ich in einem Restaurant ein Gemälde von Sushi auf dem Teller und sogar ein Tv-bild an der Wand. Der Besitzer scheint wenig von Sport zu halten. Ohnehin wird im japanische­n Fernsehen von Olympia so gut wie nichts übertragen, was das nationale Interesse übersteigt. Nur: Wer sich mal für ein Stündchen durch das irrwitzige japanische Programm zappt, hält das Dschungelc­amp für ein wissenscha­ftlich wertvolles Gesellscha­fts-experiment.

Vielleicht gar nicht so schlecht, dass das Fernsehbil­d auf dem Zimmer noch länger schwarz bleibt.

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