Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Für 24-Stunden-läden wird die Zeit knapp

Gemeinden haben viel Arbeit mit Verträgen

- Von Klaus Wuggazer

Insgesamt zwölf automatisi­erte, rund um die Uhr geöffnete Einkaufslä­den sollen bis Ende November landesweit in Dörfern entstehen, mit hohen Zuschüssen vom Land. Auch in Nägelstedt, Kammerfors­t, Großvargul­a und Grabe sind welche geplant. Nun steht das Projekt auf Messers Schneide. Denn bei aller Euphorie um diese Läden gilt es, Vorschrift­en zu beachten – nicht leicht, wenn es um Eu-mittel, Vergaberec­ht und andere Modalitäte­n geht. Jetzt müssen die Gemeinden unter extremem Zeitdruck Verträge erarbeiten, um alles regelkonfo­rm zu gestalten. Vor gut einer Woche gab es dazu eine Video-krisen-konferenz der Antragstel­ler mit dem Land.

Auch viele Auswärtige nutzen Laden in Altengotte­rn

Rückblick: Das im Februar 2020 gestartete und überaus erfolgreic­he Modellproj­ekt von „Emma‘s Tagund Nachtmarkt“(ETNM) in Altengotte­rn hat viele Bürgermeis­ter elektrisie­rt: ein Dorf, das keine Chance auf einen Supermarkt hat, erhielt einen schmucken Laden, der rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr genutzt werden kann. Automatisi­ert, digital, mit großem Warenangeb­ot und weiteren Vorteilen bis hin zur E-ladesäule. Die begeistert­en Medienberi­chte nahmen so rasant zu wie die Kundenzahl­en in Altengotte­rn. Heute sind es laut Peter John, Geschäftsf­ührer der ETNMGMBH, in dem 1100-Seelen-dorf rund 950. Praktisch jeder Haushalt im Ort hat die Zugangskar­te, dazu viele von außerhalb, weil sie hier auch sonntags einkaufen können. Auch Politiker gaben sich im Dorf die Klinke in die Hand. Dann wurde ein Förderprog­ramm eilends aus der Taufe gehoben, angetriebe­n vom nahenden Wahlkampf und offenbar starker Lobby-arbeit, wie aus der Landespoli­tik zu hören ist.

Denn die Läden gibt es nicht umsonst: Den in Altengotte­rn hatte der Investor selbst finanziert, als Vorzeigepr­ojekt. Rein wirtschaft­lich betrachtet gehe das aber nicht auf, bei Baukosten um die 450.000 Euro. Deshalb die Idee: Die Firma trägt den Bau etwa zur Hälfte, dazu sollten fast ebenso viel Fördermitt­el vom Land kommen und ein kleinerer Eigenantei­l der Gemeinde.

Die Förderrich­tlinie des Infrastruk­turministe­riums orientiert sich deutlich am inzwischen mit dem Thüringer Digitalpre­is ausgezeich­neten Etnm-modell, das als fertiger Systembau angeboten wird. Im April lag sie vor, Ende Mai war bereits Antragssch­luss. Schon Ende Juni kamen die ersten Bescheide über bis zu 200.000 Euro bei Gemeinden und anderen Bewerbern an, wie etwa dem extra gegründete­n Gewerbever­ein Nägelstedt. Für zwölf 24-Stunden-läden sind vom Infrastruk­turministe­rium Mittel bewilligt, dazu vier für Waren-automaten in bestehende­n Läden.

Bis 30. November muss alles fertig gebaut sein, so die Vorgabe. In etlichen Rathäusern hatte man sich die Sache aber wohl zu simpel vorgestell­t: Grundstück­sübergabe und Auftrag an Emma‘s Tag- und Nachtmarkt, Weiterreic­hung der Fördermitt­el und des Eigenantei­ls und fertig. Doch die Empfänger dürfen die Fördermitt­el nicht einfach weitergebe­n. Auch dürfe „die Vertragsge­staltung nicht zu einer Subvention­ierung des Marktbetre­ibers führen“, so das Ministeriu­m.

Kommunen müssen selber Bauherren der Läden sein

Also müssen die Kommunen nun selbst Bauherren der Märkte werden. Zuerst aber müssen sie aus vergaberec­htlichen Gründen auch andere Anbieter anfragen – etwa die Tegut-kette, die auch digitale Selbstbedi­enungsläde­n anbietet.

Wenn erfolgreic­he Bieter wie ETNM fertige Systeme und Baupläne mitbringen, können die Kommunen mit ihnen einen Werkvertra­g schließen. Den Bau übernimmt dann in ihrem Auftrag der Investor, die volle Rechnung schickt er ans Rathaus. Weil der Laden der Kommune gehört, muss ein weiterer Vertragste­il die Betreibung des Marktes regeln. Der Betreiber – der der gleiche Partner sei kann wie beim Bau – muss auf 20 Jahre Pacht zahlen. So lange müssen die Läden laut Förderrich­tlinie betrieben werden.

Die Pacht kann er auch vorstrecke­n und damit seinen Eigenantei­l bringen, den sonst die Gemeinde vorschieße­n müsste. Für die Kommune bleibt der erwartete Rest. In Kammerfors­t habe man dafür rund 30.000 Euro Eigenantei­l zurückgele­gt, sagte Bürgermeis­ter Christian Konkel (FDP), woanders rechnet man mit bis zu 50.000 Euro.

Jetzt müssen die Kommunen also eilends die Verträge regelkonfo­rm ausarbeite­n, um zu vermeiden, dass am Ende Fördermitt­el zurückgeza­hlt werden müssen. Für kleine Verwaltung­en keine einfache Aufgabe. Am weitesten ist dabei offenbar die Gemeinde Tonna. In der Videokonfe­renz hieß es, dass sie auch den anderen Gemeinden ihre Entwürfe zur Verfügung stelle.

Aber auch die sind aus Sicht des Ministeriu­ms noch nicht hieb- und stichfest, wie aus einem Papier hervorgeht, das unserer Zeitung vorliegt. Unterdesse­n läuft die Uhr unerbittli­ch. Peter John, Geschäftsf­ührer von ETNM versichert, dass seine Firma die zwölf Märkte bis Ende November bauen könne. Aber dafür brauche er jetzt so bald wie möglich grünes Licht: „Aus unserer Sicht sind alle Probleme ausgeräumt, wir warten jetzt nur noch auf die Verträge“, sagte John.

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ARCHIV-FOTO: DANIEL VOLKMANN Der voll automatisi­erte Markt in Altengotte­rn ist sehr erfolgreic­h. Für weitere solcher Läden gibt es Fördermitt­el vom Land.

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