Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
Für 24-Stunden-läden wird die Zeit knapp
Gemeinden haben viel Arbeit mit Verträgen
Insgesamt zwölf automatisierte, rund um die Uhr geöffnete Einkaufsläden sollen bis Ende November landesweit in Dörfern entstehen, mit hohen Zuschüssen vom Land. Auch in Nägelstedt, Kammerforst, Großvargula und Grabe sind welche geplant. Nun steht das Projekt auf Messers Schneide. Denn bei aller Euphorie um diese Läden gilt es, Vorschriften zu beachten – nicht leicht, wenn es um Eu-mittel, Vergaberecht und andere Modalitäten geht. Jetzt müssen die Gemeinden unter extremem Zeitdruck Verträge erarbeiten, um alles regelkonform zu gestalten. Vor gut einer Woche gab es dazu eine Video-krisen-konferenz der Antragsteller mit dem Land.
Auch viele Auswärtige nutzen Laden in Altengottern
Rückblick: Das im Februar 2020 gestartete und überaus erfolgreiche Modellprojekt von „Emma‘s Tagund Nachtmarkt“(ETNM) in Altengottern hat viele Bürgermeister elektrisiert: ein Dorf, das keine Chance auf einen Supermarkt hat, erhielt einen schmucken Laden, der rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr genutzt werden kann. Automatisiert, digital, mit großem Warenangebot und weiteren Vorteilen bis hin zur E-ladesäule. Die begeisterten Medienberichte nahmen so rasant zu wie die Kundenzahlen in Altengottern. Heute sind es laut Peter John, Geschäftsführer der ETNMGMBH, in dem 1100-Seelen-dorf rund 950. Praktisch jeder Haushalt im Ort hat die Zugangskarte, dazu viele von außerhalb, weil sie hier auch sonntags einkaufen können. Auch Politiker gaben sich im Dorf die Klinke in die Hand. Dann wurde ein Förderprogramm eilends aus der Taufe gehoben, angetrieben vom nahenden Wahlkampf und offenbar starker Lobby-arbeit, wie aus der Landespolitik zu hören ist.
Denn die Läden gibt es nicht umsonst: Den in Altengottern hatte der Investor selbst finanziert, als Vorzeigeprojekt. Rein wirtschaftlich betrachtet gehe das aber nicht auf, bei Baukosten um die 450.000 Euro. Deshalb die Idee: Die Firma trägt den Bau etwa zur Hälfte, dazu sollten fast ebenso viel Fördermittel vom Land kommen und ein kleinerer Eigenanteil der Gemeinde.
Die Förderrichtlinie des Infrastrukturministeriums orientiert sich deutlich am inzwischen mit dem Thüringer Digitalpreis ausgezeichneten Etnm-modell, das als fertiger Systembau angeboten wird. Im April lag sie vor, Ende Mai war bereits Antragsschluss. Schon Ende Juni kamen die ersten Bescheide über bis zu 200.000 Euro bei Gemeinden und anderen Bewerbern an, wie etwa dem extra gegründeten Gewerbeverein Nägelstedt. Für zwölf 24-Stunden-läden sind vom Infrastrukturministerium Mittel bewilligt, dazu vier für Waren-automaten in bestehenden Läden.
Bis 30. November muss alles fertig gebaut sein, so die Vorgabe. In etlichen Rathäusern hatte man sich die Sache aber wohl zu simpel vorgestellt: Grundstücksübergabe und Auftrag an Emma‘s Tag- und Nachtmarkt, Weiterreichung der Fördermittel und des Eigenanteils und fertig. Doch die Empfänger dürfen die Fördermittel nicht einfach weitergeben. Auch dürfe „die Vertragsgestaltung nicht zu einer Subventionierung des Marktbetreibers führen“, so das Ministerium.
Kommunen müssen selber Bauherren der Läden sein
Also müssen die Kommunen nun selbst Bauherren der Märkte werden. Zuerst aber müssen sie aus vergaberechtlichen Gründen auch andere Anbieter anfragen – etwa die Tegut-kette, die auch digitale Selbstbedienungsläden anbietet.
Wenn erfolgreiche Bieter wie ETNM fertige Systeme und Baupläne mitbringen, können die Kommunen mit ihnen einen Werkvertrag schließen. Den Bau übernimmt dann in ihrem Auftrag der Investor, die volle Rechnung schickt er ans Rathaus. Weil der Laden der Kommune gehört, muss ein weiterer Vertragsteil die Betreibung des Marktes regeln. Der Betreiber – der der gleiche Partner sei kann wie beim Bau – muss auf 20 Jahre Pacht zahlen. So lange müssen die Läden laut Förderrichtlinie betrieben werden.
Die Pacht kann er auch vorstrecken und damit seinen Eigenanteil bringen, den sonst die Gemeinde vorschießen müsste. Für die Kommune bleibt der erwartete Rest. In Kammerforst habe man dafür rund 30.000 Euro Eigenanteil zurückgelegt, sagte Bürgermeister Christian Konkel (FDP), woanders rechnet man mit bis zu 50.000 Euro.
Jetzt müssen die Kommunen also eilends die Verträge regelkonform ausarbeiten, um zu vermeiden, dass am Ende Fördermittel zurückgezahlt werden müssen. Für kleine Verwaltungen keine einfache Aufgabe. Am weitesten ist dabei offenbar die Gemeinde Tonna. In der Videokonferenz hieß es, dass sie auch den anderen Gemeinden ihre Entwürfe zur Verfügung stelle.
Aber auch die sind aus Sicht des Ministeriums noch nicht hieb- und stichfest, wie aus einem Papier hervorgeht, das unserer Zeitung vorliegt. Unterdessen läuft die Uhr unerbittlich. Peter John, Geschäftsführer von ETNM versichert, dass seine Firma die zwölf Märkte bis Ende November bauen könne. Aber dafür brauche er jetzt so bald wie möglich grünes Licht: „Aus unserer Sicht sind alle Probleme ausgeräumt, wir warten jetzt nur noch auf die Verträge“, sagte John.