Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
Investitionsstau in Millionenhöhe bei Awo-tochter
Ajs-spitze muss viel Geld investieren. Gerichtsprozess mit Ex-chef steht noch aus
Die 2020 in die Schlagzeilen geratene Awo Alten-, Jugend- und Sozialhilfe ggmbh (AJS) will in den kommenden Jahren rund zehn Millionen Euro in ihre Pflegeheime, Kindergärten und weitere Einrichtungen investieren. Das haben die im Juni 2020 bestellten Ajs-geschäftsführer Katja Glybowskaja und Andreas Krauße im Gespräch mit dieser Zeitung angekündigt.
Die Ajs-spitze setzt damit andere Prioritäten als Vorgänger Michael Hack, der vor allem bestrebt war, die Tochtergesellschaft der Thüringer Arbeiterwohlfahrt weiter zu vergrößern. Katja Glybowskaja spricht deshalb auch von einem „Investitionsstau“, der entstanden sei und nun abgebaut werden müsse.
Eine der ersten Einrichtungen, die saniert werden, soll das Awopflegeheim „Am Birkenwäldchen“in Zeulenroda-triebes sein, in das ersten Berechnungen zufolge 2,5 bis 3 Millionen Euro fließen werden. Das Heim ist eine von drei Einrichtungen, die die AJS vor Jahren gegen den Willen des Zeulenrodaer Verbandes übernommen hatte und die dieser Verband gerne wieder von der AJS übernehmen würde.
Nach dem Willen des neuen Awo-landesvorstandes sollen indes mehr Kreis- und Regionalverbände als bisher an der AJS beteiligt werden, um zu verhindern, dass sich das Unternehmen wie in der Vergangenheit mehr und mehr verselbstständigt. Derzeit hält der Landesverband 65 Prozent der Ajs-anteile, die übrigen 35 Prozent der Kreisverband Erfurt.
Die Awo AJS ist zusammen mit ihren Tochtergesellschaften und derzeit mehr als 5800 Mitarbeitern das größte Sozialunternehmen im Freistaat. Im vergangenen Jahr war es in eine Schieflage geraten, nachdem diese Zeitung unter anderem aufgedeckt hatte, dass die Geschäftsführer den Awo-richtlinien nach völlig überzogene Gehälter bekamen und dass die Kontrollgremien versagt hatten. Die gerichtliche Auseinandersetzung mit dem fristlos gekündigten Michael Hack steht noch aus.
Ein Jahr wollten Katja Glybowskaja und Andreas Krauße an der Spitze der skandalumwitterten Arbeiterwohlfahrt-tochter AJS bleiben. Beide sind immer noch damit beschäftigt, die Vergangenheit aufzuarbeiten.
Im Juni 2020 wurden Sie Interimsgeschäftsführer, jetzt sind Sie immer noch da. Wie kommt’s denn?
Krauße: Wir haben unterschätzt, wie sich der Wandlungsprozess bei der Awo AJS gestaltet. Manchmal wollten wir vielleicht zu schnell zu viel. Es hat sich aber gezeigt, dass sich nicht alle Baustellen in einem Jahr beräumen lassen. Der Aufsichtsrat hat uns deshalb gefragt, ob wir verlängern. Das Schiff ist, wenn man so will, zwar auf hoher See gewendet worden, aber es muss noch mal richtig Fahrt aufnehmen.
Was heißt das konkret?
Krauße: Der Awo-kreisverband Saalfeld-rudolstadt entsendet mich auf der Grundlage eines Geschäftsbesorgungsvertrags noch bis zum 31. Dezember 2022 an die AJS.
Glybowskaja: Vor einem Jahr steckte die Awo AJS in einer unvergleichlichen Krise. Der erste Schritt war deshalb, dass zwei Vertreter aus starken Verbänden die Leitung übernehmen. Damals wusste aber keiner, wie sich das langfristig gestaltet. Funktioniert diese Idee? Bekommen
wir von Aufsichtsrat, Gesellschaftern und Mitarbeitern den Zuspruch, den es für den Neuanfang braucht? Es hat sich gezeigt, dass es funktioniert hat. Deshalb haben auch wir beide gesagt: Wir würden diese Verantwortung gern weiter übernehmen. Bei mir ist es so, dass ich inzwischen aus dem Aworegionalverband Mitte-west-thüringen ausgeschieden und seit April als Landesgeschäftsführerin beim Awo-landesverband angestellt bin. Der Awo-landesverband hat mit der AJS einen unbefristeten Geschäftsbesorgungsvertrag abgeschlossen.
Damit haben Sie gleich zwei wichtige Spitzenämter bei der Awo inne. Mancher spricht deshalb schon davon, dass das System Glybowskaja das System Hack abgelöst hat…
Glybowskaja: Der Gedanke hinter der Zusammenführung beider Ämter ist, die AJS als Tochtergesellschaft wieder stärker an den Landesverband heranzuführen. Gleichzeitig verlangt der Awo-governance-kodex, dass es nicht zu Interessenkollisionen kommt. So ist in meinem Fall zum Beispiel vertraglich ausgeschlossen, als Landesgeschäftsführerin in die AJS hinein durchzuregieren und umgekehrt. Wir wollen wieder dahin kommen, dass die Awo Thüringen gemeinsam an einem Tisch sitzt, wenn es um die AJS geht. Vielleicht wird man später sagen: Gut, dass Glybowskaja da ist, weil sie gemeinsam mit anderen die Thüringer Awo wieder zusammengeführt hat.
Es war ja ein großer Kritikpunkt der Verbände, dass sich die AJS verselbstständigt hatte.
Krauße: Genau. Deshalb sind wir auch angetreten, in die Änderung der Ajs-satzung alle Gliederungen einzubeziehen. Das braucht aber Zeit, um es gut zu machen.
Glybowskaja: Bei einer Klausur haben alle Awo-verbände ihre Erwartungen formuliert, die in einen ersten Satzungsentwurf flossen. Anschließend konnten sie dazu Stellung nehmen. Unser nächstes Treffen mit allen Gliederungen ist im September, dort stellen wir dann den überarbeiteten Satzungsentwurf vor.
Krauße: Ziel ist es, dass jeder Verband die AJS als seine Gesellschaft begreift und die AJS allen in der Thüringer Awo gehört. Glybowskaja: Ziel sollte eine Mitsprache der Gliederungen und keine Zerschlagung der AJS sein. Diese Sorge hatten sehr viele.
Es gab doch aber vereinzelt den Wunsch, Einrichtungen, die die AJS übernommen hat, an die Verbände zurückzugeben.
Glybowskaja: Solche Erwartungen gab es genauso wie die, dass die AJS die ehrenamtliche Tätigkeit der Verbände unterstützt.
Krauße: Wir haben deshalb in diesem Jahr im Wirtschaftsplan erstmals eine beträchtliche Summe für die Unterstützung gemeinnütziger Aufgaben eingestellt.
Wenn wir schon beim Geld sind: Wie ist es derzeit finanziell um die AJS bestellt?
Krauße: Deutlich besser als im vergangenen Jahr. Die Liquidität der AJS hat sich verbessert, weil wir einige Projekte, die noch unter der alten Geschäftsführung angeschoben wurden, nicht realisiert haben. Wir investieren stattdessen verstärkt in unsere Einrichtungen. Das Geschäftsjahr 2020 hat die AJS mit einem leichten Gewinn von 1,7 Millionen Euro abgeschlossen.
Haben Sie den Awo-governancekodex in der AJS implementiert? Unter Ihren Vorgängern ist das nicht passiert.
Glybowskaja: Ja, das ist im ersten Quartal des laufenden Jahres passiert. Unser Ziel ist es auch, den Gremien bis zum 31. Dezember 2021 ein Compliance-management-system vorzustellen, in dem sich unter anderem auch eine Dienstwagenrichtlinie findet.
Haben Sie den Ermittlungsbehörden den Revisionsbericht der externen Wirtschaftsprüfer zur Verfügung gestellt?
Glybowskaja: Ja, das haben wir. Wir haben transparent mit allen Prüfinstanzen zusammengearbeitet.